Regierung in Italien: Wie nah steht die Koalition dem Kreml?
Analyse
Nach Nawalnys Tod:Wie nah steht Italiens Regierung dem Kreml?
von Andreas Postel und Francesco Conte, Rom
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Italiens Regierungschefin Meloni positioniert sich gegen Russland. Der Koalitionspartner, die Lega, aber zeigt Sympathien für den Kreml. Nawalnys Tod befeuert eine Kontroverse.
Nach dem Tod von Alexej Nawalny stellt sich Regierungschefin Meloni klar gegen Staatspräsident Putin. Bei ihrem Regierungspartner, der Lega, ist das anders.21.02.2024 | 2:17 min
Hundert Jahre sind vergangen, seit Italien diplomatische Beziehungen mit der damaligen Sowjetunion aufgenommen hat. Die faschistische Regierung unter Benito Mussolini war erst das zweite westliche Land, das die UdSSR anerkannte. Doch seit dem Krieg in der Ukraine scheint die Beziehung zwischen Italien und Russland zerrüttet: Regierungschefin Giorgia Meloni von den Fratelli d'Italia stellt sich immer wieder klar gegen Russland. Das spaltet die Koalition in Rom, auch wegen des Tods von Putin-Gegner Alexej Nawalny.
Lega in Italien distanziert sich von Russland-Kritik
Denn bei Melonis Juniorpartnern in der Regierung, Forza Italia und die Lega, sieht das ein wenig anders aus. Zwar hat Forza Italia mit dem Tod des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi die persönliche Beziehung zu Kremlchef Wladimir Putin verloren und versucht, sich im Hinblick auf die Europawahl als pro-europäische Kraft zu positionieren.
Für die rechtspopulistische Lega von Parteichef Matteo Salvini aber scheint sich dadurch neuer Spielraum aufzutun, sich von allzu russlandkritischen Positionen der Regierungspartner zu distanzieren.
Kontroverse bei Gedenken für Alexej Nawalny
Der Tod von Alexej Nawalny am 16. Februar hat die Kontroverse um die Lega nun neu entfacht. Massimiliano Romeo, Senatsabgeordneter und Lega-Mitglied, wurde am Montag bei einem Fackelzug zum Gedenken an Nawalny in Rom angegangen, wegen der Nähe der Lega zur Kreml-Partei Einiges Russland, mit der die Lega 2017 ein politisches Abkommen unterzeichnet hatte.
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Romeo erklärte, dass die Ursache für den Tod Nawalnys von Gerichten geklärt werden müsse, was zu einer heftigen Kontroverse mit dem Organisator der Gedenkveranstaltung und Chef der liberalen Azione-Partei, Carlo Calenda, führte. Dieser wies darauf hin, dass die Justiz in Russland nicht unabhängig sei.
Eine unangenehme Situation für die Lega, die sprichwörtlich versucht auf zwei Hochzeiten zu tanzen, indem sie einerseits eine westliche Haltung einnimmt und andererseits halboffizielle Beziehungen zu Russland unterhält. So waren am 8. Februar bei einem Empfang in der russischen Botschaft in Rom drei Italiener mit neofaschistischen Sympathien anwesend. Einer von ihnen, Maurizio Murelli, gilt als Brücke in den Beziehungen zwischen der Lega und dem Kreml.
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Italienische Unternehmen bleiben in Russland
Neun Jahre sind vergangen, seit Lega-Chef Matteo Salvini als Mitglied des Europäischen Parlaments nach einer Rede des italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella in Straßburg schrieb:
Neun Jahre später hat der mittlerweile an der italienischen Regierung beteiligte Salvini seine Sympathien für Putin nach dem Einmarsch in die Ukraine zwar offiziell abgelegt, die wirtschaftlichen Interessen einiger italienischer Unternehmen in Russland will er aber nicht ignorieren. Nach Angaben der italienischen Denkfabrik Ispi haben bis Ende 2022 nur 10 Prozent der in Russland registrierten italienischen Unternehmen das Land verlassen, obwohl die italienische Regierung starken Druck ausübt.
Unternehmer: Positive Beziehung mit Russland
Vittorio Torrembini, Präsident des Verbands italienischer Unternehmer in Russland, behauptete in einem Interview mit einer russischen Zeitung, Italien habe 35 Prozent seiner Exporte nach Russland verloren. Er wies darauf hin, dass viele italienische Unternehmen in Russland auch als Zulieferer für große deutsche Unternehmen tätig seien.
Torrembini zufolge "ist es unmöglich, die Beziehungen zwischen Russland und Italien rational zu erklären, denn die Russen lieben die Italiener, und die Italiener sind in Russland sehr glücklich".
Sicherlich geht es den Unternehmen, die in Russland geblieben sind, ebenso gut wie jenen, die davon träumen, dorthin zurückzukehren, um business as usual zu machen. Sektoren, die nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht wichtig sind, sondern die im Hinblick auf die Europawahlen mit Sicherheit auch Stimmen wert sind.
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