Streit um deutsche Abfälle:Wie der Müll in Polen Wahlkampfthema wurde
von Linda Kierstan
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Hunderte - auch illegale - Müllhalden gibt es in Polen. Auf ihnen lagert auch deutscher Abfall. Daher gibt es eine Beschwerde bei der EU - und ein neues Wahlkampfthema.
Hunderte illegale Müll-Halden gibt es auf polnischem Boden. Ein altes Problem, das neu diskutiert wird, seit in Zielona Gora ein Chemielager gebrannt hat.08.08.2023 | 2:20 min
Man muss gar nicht weit aus Warschau herausfahren, um eine illegale Mülldeponie zu entdecken. Polnische Reporter besuchen eine Frau, die ihr Grundstück verpachtet hat und dort nun nichts außer giftigem Abfall vorfindet. Ein Fall von vielen. Die Besitzer wissen oft nicht, wie der Müll auf ihrem Grundstück landen konnte und vor allem, wie er von dort wieder wegkommen soll.
Das Problem ist nicht neu, doch der Brand in einem Chemielager bei Zielona Gora - etwa 50 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt - katapultierte den Müll auf die aktuelle politische Agenda. Am 22. Juli waren in einer Halle 5.000 Tonnen in Flammen aufgegangen. Immer wieder gab es kleine Explosionen. Viele Menschen aus der Umgebung waren verärgert, denn die Halle hätte längst geräumt werden müssen.
Auch in Deutschland lagern große Mengen Müll auf illegalen Müllhalden:
Illegale Müllhalden sind gefährlich für Umwelt und Mensch
Immer wieder gehen Müllhalden in Polen in Flammen auf. Doch nicht erst, wenn sie brennen, sind sie eine Gefahr für die Umwelt und die Menschen. Viele sorgen sich vor dem, was da über Jahre in den Boden sickert. Laut dem polnischen Statistischen Zentralamt liegt die Zahl der illegalen Müllhalden bei mehr als 2.000. Zwar enthalten nicht alle Abfallberge auch Giftmüll. Doch gerade diese sind besonders problematisch.
Etwa 400 illegale Deponien mit gefährliche Abfällen gebe es auf polnischem Boden gibt, schätzt Marek Golen, Experte für Abfallwirtschaft von der Handelshochschule in Warschau. Das liege an der Infrastruktur in der Abfallwirtschaft, sagt Golen:
Ein Geschäft, das sich offensichtlich lohnt.
Brand ist Thema im polnischen Wahlkampf geworden
Der aktuelle Brand hat auch gleich einen neuen Streit im Parlament entfacht. Dort schieben sich die regierende PiS und die Opposition gegenseitig die Schuld dafür zu. Die PiS macht die betroffenen Gemeinden und die Vorgängerregierung verantwortlich, die vor mehr als acht Jahren an der Macht war.
Doch viele Halden sind längst nicht so alt, sondern erst in den vergangenen Jahren entstanden. In einer heftigen Parlamentsdebatte zum Thema hielten Redner Schilder hoch: "PiS = Gift" stand auf einer Pappe - es ist Wahlkampf in Polen.
Nachdem der EVP-Chef Weber die in Polen regierende PiS kritisierte, wirft der polnische Premierminister Morawiecki den Deutschen nun Einmischung in den polnischen Wahlkampf vor. 09.08.2023 | 2:05 min
Beschwerde von Warschau gegen Berlin bei EU
Für die PiS sind die Müllhalden eine weitere Gelegenheit, um auch Deutschland zu kritisieren. Klimaministerin Anna Moskwa forderte den Nachbarn im Westen auf, den Müll abzuholen. Sie spricht von 35.000 Tonnen.
Polen hat deshalb offiziell Beschwerde gegen Deutschland bei der EU-Kommission eingelegt.
Das Bundesumweltamt bestätigt, dass es dabei um die genannte Menge geht, die sich über fünf Jahre in Polen angesammelt haben soll. Die Behörde arbeitet nach eigener Aussage mit den betroffenen Bundesländern an einer Stellungnahme. Danach soll eine Anhörung Polens und Deutschlands bei der Kommission stattfinden.
Wie die deutsche Minderheit in Polen lebt:
Budget für Entsorgung kommt aus Steuergeldern
Auf den vielen illegalen Müllhalden ist oft unklar, über welchen Transportweg der Abfall dorthin gekommen ist, die Verantwortlichen sind kaum noch zu ermitteln. Wenn die Eigentümer der Grundstücke für die Müllentsorgung um Unterstützung bitten, muss erst geprüft werden, ob sie Hilfe bekommen werden. Denn das Budget dafür ist knapp und kommt aus Steuergeldern.
"Im vergangenen Jahr hat der Nationale Fonds für Umweltschutz rund 100 Millionen Zloty (22 Millionen Euro) dafür bereitgestellt", sagt Golen. Die Kosten für die Entsorgung auf einer einzigen großen Mülldeponie würde diesen Betrag aber schon bei Weitem übersteigen. Doch wenn sie niemand bezahlt, bleiben die Menschen auf ihren Müllbergen sitzen.