Beide Kriegsparteien bei Olympia:Der Ukraine-Konflikt fährt auch nach Paris
von Linda Kierstan
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In Paris starten sowohl Sportler aus Russland als auch der Ukraine. Beide Teams stehen für total unterschiedliche Sichtweisen - und tragen diese in die Olympischen Spiele.
Ukrainisches Olympia-Team: "Gleichzeitig Form der" Propaganda und Schaufenster edler Absichten".
Quelle: dpa
Schweißtropfen laufen ihm von der Stirn, sein Blick ist fokussiert. Dmytro ist 25 Jahre alt, Schwergewichtsboxer und ukrainischer Meister. In einer Trainingshalle in Kiew trainiert er hart für seinen Traum, der sich nun in Paris erfüllt: die Teilnahme an Olympia.
Dmytro Lowtschinskij tritt für die Ukraine im olympischen Boxen an.
Quelle: ZDF
Doch wie vielen anderen Sportlern aus dem ukrainischen Team fällt es auch Dmytro schwer, den Fokus nicht zu verlieren. Seit Februar 2022 - dem Beginn des russischen Angriffskriegs - trainieren sie unter schwierigen Bedingungen. Ständig fällt der Strom aus, fliegen Raketen, erzählt Dmytro.
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Für Sportler aus der Ukraine waren es komplizierte Vorbereitungen auf Olympia
Nach Angaben des Sportministeriums sind seit Kriegsbeginn etwa 400 ukrainische Athleten, Funktionäre und Trainer ums Leben gekommen. Hunderte Sporteinrichtungen wurden beschädigt oder zerstört. Viele Athleten haben die Ukraine verlassen, trainieren im Ausland. Dmytro ist geblieben.
Die Vorbereitungen sind auch deshalb so aufwändig, weil Reisen in Trainingslager oder zu Wettbewerben kaum möglich sind.
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Dmytros Trainer ist Chef der ukrainischen Box-Nationalmannschaft und in ständiger Sorge um seine Athleten.
Die Situation sei immer angespannt. Anspannungen, die während der Spiele spürbar sein dürften - auch, weil russische Sportler als neutrale Athleten teilnehmen können. Für sie gibt keine Flagge, keine Hymne - für die Ukrainer trotzdem ein Schock.
Schon im Januar plante das Internationale Olympische Komitee , den Ausschluss von russischen und belarussischen Athleten lockern zu lockern.27.01.2023 | 1:30 min
Was ist eigentlich mit dem olympischen Gedanken?
Der Sportminister hatte schon vor Monaten vor dieser Entscheidung gewarnt. Unter den offiziell 15 Qualifizierten ist jedoch kein Athlet aus dem Boxsport.
Dass das aber gar nicht so einfach ist, haben vergangene Wettbewerbe gezeigt. Eine ukrainische Fechterin hatte im Sommer 2023 ihrer russischen Gegnerin den Handschlag bei der WM verweigert und wurde disqualifiziert. Das hatte international für Empörung gesorgt.
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Die Disqualifikation wurde daraufhin aufgehoben, genau wie die Handschlagregel - doch es zeigt, auf welch dünnem Eis sich Verbände und das IOC bewegen. Dabei gilt doch eigentlich "Olympischer Friede" - eine Tradition, die auf die Spiele des antiken Griechenlands zurückgeht. Dem Brauch zufolge brachte die "Ekechieria" die Konflikte während Olympia zum Erliegen. Alle zwei Jahre verabschieden dazu die Vereinten Nationen eine Resolution, auch im Herbst 2023 war das so.
Experte: "letztlich eine Form der Propaganda" von Ukrainern und Russen
Mit 118 JA-Stimmen wurde der Beschluss angenommen, zwei Länder enthielten sich: Russland und Syrien. Das Ideal von Olympia hält der Sportpolitik-Experte Jean-Baptiste Guégan von der Pariser Hochschule Sciences Po sowieso für unrealistisch. Sport sei von Natur aus politisch, sagt Guégan. Paris empfange die Welt und ihre Probleme.
Boxer Dmytro will sich jetzt auf Olympia konzentrieren. Endlich ist sein Team am Olympischen Dorf angekommen. Ihr Bus ist der Einzige an diesem Abend mit Begleitschutz. Dmytro strahlt über das ganze Gesicht. "Ich möchte zeigen, dass wir unzerbrechlich und stark sind". Für die meisten, die hier ankommen, ist Olympia ein einmaliger Moment im Leben, ein "once in a lifetime moment". Für Dmytro sei der erst gekommen, wenn der Krieg beendet ist.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.