Macrons Gegenentwurf zu Putins Säbelrasseln am 9. Mai

    Rede am 9. Mai:Macrons Gegenentwurf zu Putins Säbelrasseln

    Thomas Walde
    von Thomas Walde, Paris
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    Die ersten Reisen nach seiner Wiederwahl führen Frankreichs Präsidenten Macron nach Straßburg und Berlin. Das gibt Aufschluss über die Europapolitik in seiner zweiten Amtszeit.

    Präsident Emmanuel Macron winkt aus dem Auto
    Auf demokratisch-europäischem Kurs: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
    Quelle: Reuters

    Es ist ein bewusst gewählter Gegensatz: Während Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau den 9. Mai mit einer Parade und martialischer Sprache zur Demonstration militärischer Stärke nutzt, präsentiert Frankreichs Präsident den Gegenentwurf im demokratischen europäischen Parlament in Straßburg. Putins revanchistischem Geschichtsmodell will Emmanuel Macron an diesem symbolträchtigen Datum die Freiheit der Rede gegenüberstellen.
    Macron verfolgt zu Beginn seiner zweiten Amtszeit noch stärker als bislang schon das Ziel einer strategischen europäischen Unabhängigkeit. Nach französischer Lesart hat der Krieg in der Ukraine noch deutlicher gemacht, dass Europa handlungsfähiger werden müsse. Dazu solle Europa künftig einige Entscheidungen nicht mehr nach dem Einstimmigkeitsprinzip fällen. In einigen Bereichen soll eine Mehrheit der europäischen Staaten reichen, um zu sagen, wo es langgeht.

    Elysée: Symbolträchtiger Berlin-Besuch am 9.Mai

    Am Abend setzt Macron trotz aller Erneuerungsbemühungen eine Tradition fort. Die erste Auslandsreise seiner zweiten Amtszeit führt nach Berlin. Dort wird er von Bundeskanzler Olaf Scholz mit militärischen Ehren empfangen.
    Aus dem Élysée verlautete vorab, am 9. Mai habe dieser Besuch eine noch stärkere Symbolik. Besprochen werden solle der Krieg in der Ukraine, die Vorbereitung des EU-Gipfels zur Ukraine am 30. und 31. Mai (Frankreich hat bis Ende Juni die EU-Ratspräsidentschaft inne), die Unabhängigkeit von russischer Energie, die gemeinsame europäische Verteidigungspolitik, die sichere Versorgung mit Lebensmitteln und die europäische Cloud.
    Auch auf dem Feld der Datenverarbeitung und -speicherung will Macron ein unabhängigeres Europa. Für ihn sind all dies Konsequenzen aus der veränderten geopolitischen Lage.

    Kein gemeinsamer Kiew-Besuch von Macron und Scholz

    Aus Pariser und Berliner Regierungskreisen verlautet, Macron und Scholz würden anschließend nicht weiterreisen. Soll heißen: Es gibt keinen gemeinsamen Besuch in Kiew, wie zwischenzeitlich in französischen Medien spekuliert worden war. Macron sagt dazu, er werde nach Kiew reisen, wenn ein solcher Besuch als nützlich und zweckdienlich erscheine.
    Macron hatte im französischen Wahlkampf wiederholt die gute Zusammenarbeit mit den verschiedenen deutschen Regierungen betont. Zu erwarten ist, dass er weiter auf das deutsch-französische Paar setzen wird, um Europa zu erneuern, und auch, um französische Interessen durchzusetzen.

    Macron braucht Mehrheit im französischen Parlament

    Dazu gehört, dass Macron verstärkt darauf achten dürfte, dass Europa handfest etwas im Leben der Franzosen verbessert. Denn auch die frisch vereinigte Linke, die sich gemeinsam zur französischen Parlamentswahl aufstellt, will europäische Regeln nicht in allen Punkten einhalten. Ähnlich wie für die extreme Rechte ist Europa für sie keinesfalls ein unumstrittenes Projekt.
    Macron wird auch angesichts steigender Lebensmittel- und Energiepreise zuhause nachweisen müssen, dass sich sein pro-europäisches Engagement lohnt. Macron braucht eine Mehrheit im französischen Parlament nach den Wahlen im Juni. Darum wird Macron trotz seiner glühenden pro-europäischen Rhetorik und seiner gewonnenen Präsidentschaftswahl kein leichterer Partner für Berlin werden.

    Neue Herausforderungen auf EU-Ebene

    Ein Bereich, in dem Macron Änderungen will, gilt der Überwachung des Schengen-Raums. Macron will irreguläre Zuwanderung begrenzen und dazu Kontrollen verstärken. Hier dürfte auch Frankreichs innenpolitische Diskussion eine Rolle spielen. Der Pro-Europäer Macron musste sich im Wahlkampf mühsam durchsetzen gegen innenpolitische Konkurrenz von Links- und Rechtsaußen, die mit europäischen Regeln brechen will.
    Insbesondere die extreme Rechte um Marine Le Pen kritisierte die Zuwanderung in den Schengen-Raum. 13,3 Millionen Menschen hatten ihr im zweiten Wahlgang die Stimme gegeben. Diese Wähler sind auch nach der Niederlage Le Pens noch da.