Streit um Frankreichs künstliche Wasserbecken

    Zukunft der Landwirtschaft:Streit um Frankreichs künstliche Wasserbecken

    von Lukas Nickel
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    Künstliche Wasserspeicher: Die Lebensversicherung ihrer Höfe, sagen die einen, eine Katastrophe für die Umwelt, sagen die anderen. Wie problematisch sind Frankreichs Riesenbecken?

    Riesenbecken, Guillaume Chamouleau
    Mit riesigen Wasserbecken versuchen Frankreichs Landwirte ihr Bewässerungsproblem zu lösen - sehr zum Ärger von Umweltaktivisten.
    Quelle: ZDF/Lukas Nickel

    Saint-Soline im vergangenen März: Tausende Menschen haben sich versammelt. Sie wollen gegen den Bau eines neuen Riesenbeckens im Westen Frankreichs demonstrieren. Es kommt zu Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstranten. Am Ende sind Hunderte Menschen verletzt, zwei Demonstranten liegen sogar im Koma. Die Fronten zwischen Aktivisten und Landwirten sind verhärtet im Streit um Frankreichs Wasser.

    Saint-Soline: Bau von 16 Wasserreservoirs geplant

    Die ersten Wasserreservoirs in Frankreich wurden schon in den 90er Jahren gebaut. Damals waren die Speicher noch kleiner und sehr punktuell. Bis heute funktionieren sie nach dem gleichen Prinzip: Im Winter wird Grundwasser aus dem Boden hoch in die Becken gepumpt, weil sich zu dieser Jahreszeit mehr Wasser im Boden befindet. Im Sommer kann dieses Wasser dann von Landwirten zur Bewässerung benutzt werden.
    In der Gegend um Saint-Soline ist derzeit der Bau von 16 Becken geplant, auch in anderen Teilen Frankreichs sind solche Projekte im Gange. Beim Bau der Becken hilft der Staat oft mit. Allein bei den Projekten rund um Saint-Soline sollen die Gelder zu 70 Prozent aus öffentlichen Quellen kommen.
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    Klimawandel verschärft den Konflikt

    Ein Grund für den Konflikt jetzt ist der Klimawandel. Frankreich sei eines der Länder in Europa, die sich am schnellsten erwärmen, erklärt Umweltrechtsexperte Benoit Grimonprez von der Universität Poitiers. Die Folge: Phasen mit extremer Trockenheit würden zunehmen. Grimonprez sagt weiter:

    Wir haben einige wenige, die das Wasser nutzen können und den anderen den Zugang vorenthalten. Es gibt also ein Problem mit der Verteilung.

    Benoit Grimonprez, Umweltrechtsexperte

    Gleichzeitig sei Frankreichs Landwirtschaft nicht so gut angepasst wie Länder beispielsweise in Südeuropa, die an hohe Temperaturen und Trockenheit gewöhnt sind.

    Wasserbecken als Absicherung gegen Ernterisiken

    Direkt neben den Feldern von Guillaume Chamouleau befindet sich so ein künstliches Wasserbecken, kaum erkennbar und zugewachsen mit Pflanzen. Nur drei Landwirte profitieren von dem vergleichsweise kleinen Reservoir mit 209.000 Kubikmeter Wasser. In dem gesamten Tal profitieren so insgesamt zwölf Landwirte von insgesamt drei Becken. Landwirt Chamouleau betont:

    Ohne das Becken hätte ich den Betrieb wahrscheinlich nicht übernommen, denn dann hätte die Sicherheit gefehlt.

    Guillaume Chamouleau, Landwirt

    Zu unsicher die Regenmengen, zu hoch der Kostendruck auf Gemüsebauern wie ihn. Negative Effekte auf die Umwelt sehe er hier nicht, betont Chamouleau.

    Aktivisten beklagen negative Folgen für die Umwelt

    Die konkreten Konsequenzen für die Umwelt sind unter Fachleuten umstritten und in einzelnen Fällen schwer nachzuweisen. Eine, die sich sicher ist, dass die Becken der Natur Schaden zufügen, ist Joëlle Lallemand.
    Die Aktivistin, die früher im Nationalen Institut für Agrarwissenschaft geforscht hat, steht an einem Flusslauf auf einer Lichtung im Grünen, auf halber Strecke zwischen Saint-Soline und la Rochelle an der Atlantikküste. Hier deutet nichts auf das Megabecken hin, das nur ein paar Hundert Meter weiter steht.
    Lallemand zeigt Fotos von dem Fluss, auf denen dieser völlig ausgetrocknet ist. Dem Reservoir sei zuvor zu viel Grundwasser hinzugeführt worden. Weiter sagt Lallemand:

    Sie haben das Abpumpen für das Becken gestartet und zwei oder drei Tage später war der Fluss trocken. Sobald sie die Pumpen gestoppt hatten, kam das Wasser zurück. Also ja, das liegt natürlich am Becken.

    Joëlle Lallemand, Aktivistin

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    Umweltrechtsexperte: Landwirtschaft muss sich langfristig anpassen

    Es müsse besser reguliert werden, wie viel Wasser entnommen werden darf, damit negative Folgen auf die Umwelt ausgeschlossen werden können, sagt auch Umweltrechtsexperte Grimonprez. Die Becken seien nur eine kurzfristige Lösung, denn mit dem Fortschreiten des Klimawandels könnte sich auch der Grundwasserspiegel in Frankreich langsamer auffüllen als bisher.
    Langfristig werde sich die Landwirtschaft anpassen müssen hin zu Anbaumodellen, die weniger Wasser benötigen. Die Bauern, die von den Becken profitieren, haben erst einmal noch Zeit mit der Anpassung: Die Nutzung der Bauten ist auf Jahrzehnte angelegt.

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