Hilfswerk "Restos du Coeur" :Frankreichs Helfer geraten selbst in Not
von Lukas Nickel, Paris
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Immer mehr Menschen in Frankreich sind auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Das stellt Hilfsorganisationen wie "Les Restos du Coeur" nun selbst vor Probleme.
Die Wohltätigkeitsorganisation "Les Restos du Coeurs" in Frankreich ist für 35 Prozent der Lebensmittelhilfen für Bedürftige zuständig. 05.12.2023 | 2:17 min
Trotz Regens und Kälte sind wieder viele zur Essensverteilung der Restos du Coeur nahe Orléans gekommen - die "Restaurants des Herzens" sind eine der größten Wohltätigkeitsorganisationen Frankreichs. In großen Kisten finden die Hilfsbedürftigen das Nötigste, um sich versorgen zu können.
Frédéric sucht vor allem nach Konserven und Lebensmitteln, die er essen kann, ohne sie zubereiten zu müssen. Der 27-Jährige lebt in seinem Auto, seit der Corona-Pandemie findet er keinen festen Job mehr. Neben der Grundversorgung mit Lebensmitteln sei auch die menschliche Seite der Restos du Coeur wichtig für ihn, sagt er. Denn alle Bedürftigen würden von mindestens einem oder einer Freiwilligen betreut. "Das hier ist vielleicht der einzige Kontakt, den ich in einer Woche mit Menschen habe."
Immer mehr Menschen suchen Hilfe bei den Restos du Coeur
Die Restos du Coeur kennt in Frankreich jeder. Seit 1985 verteilt die Organisation warme Mahlzeiten und Nahrungsmittel an Bedürftige. Das sind hauptsächlich Rentner*innen, Alleinerziehende und Studierende. Die Restos du Coeur bauen zum Großteil auf Spenden und ehrenamtliche Arbeit. Die Freiwilligen verteilen so 35 Prozent aller Lebensmittelhilfen in Frankreich.
Doch mit der Inflation und den gestiegenen Preisen nehmen immer mehr Menschen die Hilfe der Restos du Coeur in Anspruch. Innerhalb eines Jahres ist die Anzahl an Hilfsempfänger*innen um 200.000 auf 1,3 Millionen gestiegen. Das stellt die Organisation vor große finanzielle Probleme. Denn ein Drittel ihrer Lebensmittel kaufen die Restos du Coeur selbst, hinzu kommen laufende Kosten wie Sprit und Strom.
Hilfsorganisation muss Rationen verkleinern
Wir haben das durchgerechnet, und wenn wir so weitermachen wie bisher, mit mehr Menschen auf der einen und höheren Ausgaben auf der anderen Seite, dann müssen wir in drei Jahren dichtmachen, sagt Yves Merillon, Sprecher der Restos du Coeur. Jetzt muss die Hilfsorganisation sparen. Die Rationen sind gut ein Drittel kleiner als vorher. "Wir haben schon vorher nicht viel gegeben, verglichen mit unserer privilegierten Position als Freiwillige. Und jetzt noch weniger zu geben, da fragt man sich schon, wo das hinführen soll", sagt Xavier, der in dem Zentrum bei Orléans hilft.
Der Maximalbetrag des monatlich verfügbaren Geldes, über das Bedürftige verfügen dürfen, um Hilfe zu bekommen, wurde herabgesenkt.Das bedeutet: Bis zu zehn Prozent der Menschen, die im vergangenen Winter noch Hilfe bekommen haben, erhalten diesen Winter eine Absage.
Bei den Restos in der Nähe Orléans rechnen sie jedoch nicht mit weniger, sondern mit der gleichen Anzahl an Bedürftigen wie im vergangenen Winter, das sind gut 1.000 Personen. Der Grund: Es gebe immer noch genug arme Menschen, die auch mit dem gesenkten Satz ein Anrecht auf Hilfe haben. Der Großteil habe weniger als 550 Euro pro Monat zur Verfügung, viele hätten schon am Anfang des Monats nach Abzug aller Kosten sogar gar kein Geld mehr übrig.
Ernährung wird zum "ausgrenzenden Faktor"
Ein weiteres Problem: Die verteilte Nahrung besteht zu großen Teilen aus Fertigprodukten: günstig und einfach zu konsumieren. Aber eben auch ungesund. Das trage insgesamt dazu bei, Menschen in prekären Situationen weiter an den Rand der Gesellschaft zu drängen, erklärt Bénédicte Bonzi, Sozialwissenschaftlerin an der Pariser École des Hautes Études en Sciences Sociales. In Frankreich würde die Unterschiede immer größer - und Ernährung zu einem "ausgrenzenden Faktor".
Dank eines groß angelegten Spendenaufrufs haben die Restos du Coeur gut 35 Millionen Euro zusätzlich erhalten, zehn Millionen davon vom französischen Staat. Das hält sie fürs Erste über Wasser. Doch das werde auf Dauer nicht reichen, so die Befürchtung. Und die Leidtragenden wären die Menschen, die auf die Hilfe angewiesen sind.