COP28 in den Emiraten: Schwarzes Öl und grüne Pläne

    COP28 in den Emiraten:Schwarzes Öl und grüne Pläne

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    von Golineh Atai
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    Die Emirate haben so harte Klimaziele wie kein anderer Golfstaat. Der COP28-Gastgeber will die Energiewende in der ganzen Region beschleunigen - aber nicht mit dem Öl brechen.

    Die Luft duftet nach würzigen Pflanzen und Meer. Zugvögel machen Rast. Alles ist still, nur aus der Ferne hört man den Hafen. Eine Brise weht, es ist um einiges kühler als in der Stadt. Hier hat Ali Al-Suwaidi sein Reich geschaffen, im Westen des Emirats Dubai. Ein geschütztes Feuchtgebiet, in dem Schildkröten nisten und Mangroven wachsen.
    Al-Suwaidi kommt aus einer Perlentaucherfamilie, er war Kapitän bei der Marine, heute leitet er eine Umweltorganisation, die Jugendliche über das Ökosystem aufklärt oder künstliche Korallenriffe baut. Für einen Emirati ist er bemerkenswert offen.

    Entweder bremsen wir den Klimawandel ab oder wir verbrennen, wortwörtlich. Die Wassertemperaturen erreichen jetzt um die 37 Grad und steigen. Fische und Korallen leiden darunter.

    Ali Al-Suwaidi

    "Wenn ich jetzt nach Perlen tauche, finde ich nur kleinere Perlen - der Salzgehalt ist zu hoch, unsere Entsalzungsanlagen machen dem Meer zu schaffen," ergänzt Al-Suwaidi.

    Emirate auf dem Weg zur Klimaneutralität

    Stolz zeigt er auf die Mangroven-Setzlinge. Für jeden Besucher der Weltklimakonferenz wollen die Emirate zehn Mangroven pflanzen. Ein Überlebenskünstler, der Hitze und Salzwasser aushält. Mangrovenwälder schlucken ungleich mehr CO2 als klassische Wälder.
    Das Projekt ist nur eines von vielen ehrgeizigen Klimazielen des Landes. Bis 2030 will einer der größten Ölproduzenten der Welt 40 Prozent CO2 einsparen - und bis 2050 gar klimaneutral werden. In den nächsten sieben Jahren soll der Anteil erneuerbarer Energien verdreifacht werden - und die Emirate sich zu einem führenden Wasserstoffproduzent entwickeln.

    Traumhafte Wachstumsraten bei erneuerbaren Energien

    Experten nehmen diese Ziele ernst. Den VAE stünden radikale Umbrüche bevor. In einer Zeit der globalen Unordnung steigt das Land immer weiter auf - und erfährt der Nicht-Öl-Sektor des Landes traumhafte Wachstumsraten von jährlich sechs Prozent. Talente und Milliardäre aus ganz Asien strömen hierher.
    Dubai beherbergt bereits einen der größten Solarparks der Welt. Das Herzstück des Mohammad-bin-Rashid-Parks ist die Wasserstoffanlage: ein Pilotprojekt, entwickelt von Siemens Energy.
    "Wir gehen davon aus, dass der grüne Wasserstoff zunächst einmal vor Ort in der Stahlindustrie verwendet wird. Bis 2028 oder 2030 soll es hier 1,5 bis 2 Millionen Tonnen Wasserstoff geben - eine ganze Menge. Ein großer Teil wird als grüner Stahl oder als grünes Flugbenzin nach Europa kommen", schätzt Daniel Schwappach, Leiter nachhaltiger Energiesysteme bei Siemens Energy.
    Wasserstoff - Energie der Zukunft?
    Noch ist grüner Wasserstoff sehr teuer. Kann die Wasserstoffstrategie der Ampel-Koalition den Durchbruch für diesen möglichen Energieträger der Zukunft bringen?22.09.2023 | 2:03 min

    "Pioniere" der Energiewende: CO2 als Wertstoff

    "Carbon Capture" - die Kohlenstoff-Abscheidung - ist eine weitere Energiewende-Strategie der Emirate. Elie Adaimy, Innovationsleiter beim Unternehmen Gulf Cryo in den Emiraten, schwärmt von den Möglichkeiten.

    Wir sind Pioniere. Wir haben schon 2014 mit der Kohlenstoffabscheidung angefangen. Wir löschen sozusagen Feuer mit Feuer.

    Elie Adaimy, Innovationsleiter bei Gulf Cryo

    "Denn das eingefangene CO2 vergraben wir nicht im Untergrund, wir bereiten es auf und setzen es weiter ein: als Dünger etwa, oder um entsalzenes Wasser zu remineralisieren oder um Zement aufzulockern, erklärt Adaimy.
    Gulf Cryo plant gerade mehrere Projekte in der Region: Es wird unter anderem das CO2 der petrochemischen Anlagen des saudischen Ölriesen Aramco und des saudischen Bergbauunternehmens Maaden abschöpfen.

    Trotz Klimaziele - Emirate wollen Öl und Gas ausbauen

    Doch alle harten Klimaziele können über eines nicht hinwegtäuschen: Auch als aufstrebendes grünes Land wollen die Emirate Ölfördermengen nicht reduzieren - im Gegenteil. Wie alle Golfländer wollen sie Öl und Gas weiter ausbauen.
    Und mit den Einnahmen dieser Expansion ihre Wirtschaft diversifizieren - und weniger von fossiler Energie abhängig machen. "Das staatliche Ölunternehmen plant, mehr Öl und Gas in Umlauf zu bringen als Shell und BP zusammen", sagt Nils Bartsch von der Nichtregierungsorganisation Urgewald e.V.

    Mit dieser zusätzlichen Menge könnte man den Öl- und Gasverbrauch Deutschlands mehr als sieben Jahre lang decken. Diese Pläne sind mit dem 1,5 Grad-Ziel nicht vereinbar.

    Nils Bartsch, NGO Urgewald e.V.

    Bianco: Energiewende beschleunigen - ohne Kompromisse einzugehen

    Der diesjährige COP-Präsident Sultan Al-Jaber - der zugleich Vorsitzender des staatlichen Ölunternehmens ist - sei daher einem gewaltigen Interessenskonflikt ausgesetzt. Auch wenn er - als einziger Ölchef weltweit - das 1,5 Grad-Ziel als "Polarstern" bezeichnet, der "in Reichweite" bleiben müsse. Eine Anfrage für ein ZDF-Interview ließ Al-Jaber - ebenso wie die emiratische Klimaministerin Mariam Almheiri - unbeantwortet.
    "Die VAE haben die COP28 so angelegt, dass die Energiewende beschleunigt werden soll - ohne Kompromisse eingehen zu müssen beim fossilbedingten Wirtschaftswachstum", erklärt Cinzia Bianco, die beim Thinktank European Council for Foreign Relations die Golfregion erforscht.
    Die Europäer sollten sich trotz ideologischer Differenzen nicht abwenden, empfiehlt sie, sondern technologisch mit den Golfländern zusammenarbeiten, um die Dekarbonisierung voranzubringen.

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