Chile: Lichtverschmutzung bedroht Sternwarte in Atacamawüste

Wegen Lichtverschmutzung:Bauprojekt bedroht Sternwarte in Chile

von Franziska Deubel, Rio de Janeiro
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In Chile stehen hochmoderne Teleskope, dort herrschen perfekte Bedingungen für Astronomen. Ein Bauprojekt könnte diese nun verschlechtern. Europäische Astronomen sind entsetzt.

Der Bau einer neuen Sternwarte in der Atacamawüste.
In der Atacamawüste wird eine neue Sternwarte gebaut. Die Bedinungen für Astronomen sind perfekt: Es gibt keine Lichtverschmutzung - bis jetzt.
Quelle: AFP

In der Atacamawüste im Norden Chiles liegt der Berg Cerro Paranal. Auf 2.635 Metern Höhe ist die Atmosphäre dünn, die Luft ist klar und trocken, die Windströme sind gering. Die große Entfernung der Wüste zu Städten sorgt außerdem für eine geringe Lichtverschmutzung.
Optimale Bedingungen für die Astronomie: Sie haben dazu geführt, dass verschiedene Forschungseinrichtungen - unter anderem die europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) - Teleskope in die Wüste gebaut haben. Doch die hervorragenden Konditionen könnten sich durch ein geplantes Bauprojekt nun ändern.

Grüner Wasserstoff stört Forschung

Das Energieunternehmen AES Andes plant den Bau eines Megaprojektes zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und Ammoniak, und das nur wenige Kilometer von der Sternwarte entfernt. Chile will weltweit führend im Export von grünem Wasserstoff werden - also Wasserstoff, der unter Einsatz Erneuerbarer Energien aus Wasser gewonnen wird.
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Dass die grüne, also umweltfreundliche, Energie in der Nähe der Sternwarte erzeugt werden soll, bringt Probleme für die Forschung der Astronomen mit sich, wie eine Analyse der ESO verdeutlicht. Mehr Lichtverschmutzung, Bodenvibration, Staub und Luftströme - der geplante Bau und der anschließende Betrieb gefährdet alles, was momentan zu den optimalen Bedingungen des Standorts gehört.

Astronomen sind besorgt

Die Beleuchtung des Industriekomplexes würde die Lichtverschmutzung um bis zu 50 Prozent erhöhen und zu einem drastischen Verlust an Beobachtungsgenauigkeit führen.

Wir haben diese wissenschaftliche und technische Analyse durchgeführt, um die tatsächlichen Auswirkungen zu beurteilen - und es ist sehr besorgniserregend.

Itziar de Gregoria-Monsalvo, Astronomin und ESO-Vertreterin in Chile

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Mit diesen Einschränkungen als Folge des Baus könnte die ESO ihre Forschung am Paranal-Observatorium nicht ausweiten. Die bestehende Forschung sei gefährdet, so de Gregoria-Monsalvo. Eine der Aufgaben der Sternwarte sei es, Leben auf anderen Planeten zu finden. "Ein dunkler Himmel ist das Fenster zum Universum", sagt die Astronomin.

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Sie bräuchten das Fenster, um nach dem Leben zu suchen, das in anderen Sonnensystemen ist. Durch den Bau des Megaprojektes würde sich dieses Fenster einfach schließen. "Die einzige Schadensbegrenzung besteht darin, das Projekt weit weg zu verlegen", findet de Gregoria-Monsalvo.

Baufirma befolgt die Richtlinien

Doch die Baufirma habe jedes Recht auf diesen Standort, ganz in der Nähe der Sternwarte, sagt Luis Sarras, Vizepräsident von AES gegenüber Radio Uchile: "Das Projekt befindet sich auf einem Gebiet, das der chilenische Staat ausgeschrieben hat, um die Entwicklung Erneuerbarer Energien voranzubringen (...) und erfüllt beim Thema Licht die höchsten Anforderungen".
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Politik sucht Kompromiss in Atacamawüste

"Die höchsten Anforderungen": Und doch scheinen sie nicht hoch genug für die Astronomen. Die chilenische Regierung hat eine Arbeitsgruppe aus verschiedenen Ministerien eingerichtet, die nun versucht, eine Lösung zu finden. Chile will führend werden im Export von grünem Wasserstoff. Auf der anderen Seite sei es "das Land der Sterne und der Poesie", so die chilenische Wissenschaftsministerin Aisén Etcheverry Escudero gegenüber dem chilenischen Radiosender ADN.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigt Verständnis für die Sorgen der Astronomen, als er zu einem Staatsbesuch in Chile ist:

Wenn diese Forschung auf diesem Niveau aufrechterhalten bleiben soll, dann muss dieser Standort auch dauerhaft vor Lichtemissionen aus anderen Quellen geschützt werden.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident Deutschland

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Würde das Bauprojekt nur 100 Kilometer weiter weg gebaut werden, wäre der Konflikt gelöst, meinen jedenfalls die Forscher. Die Politik könnte strengere Schutzmaßnahmen des Sternwarten-Geländes durchsetzen, oder die Baufirma auf die Ergebnisse der ESO-Analyse reagieren und einen neuen Standort suchen. Wie die Lösung am Ende aussehen wird, steht noch in den Sternen.
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Quelle: dpa

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