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Ein Jahr Präsident Milei:Politik der Kettensäge in Argentinien
von Dorthe Ferber
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Vor einem Jahr wurde Javier Milei zu Argentiniens neuem Präsident gewählt. Im Wahlkampf trat er mit einer Kettensäge auf, nun baut er Staat, Wirtschaft und Gesellschaft radikal um.
In Argentinien ist seit einem Jahr der rechtspopulistische Präsident Javier Milei an der Macht. Im Wahlkampf inszenierte er einen radikalen Kampf gegen die Inflation. Wie steht es um das Land?
Quelle: dpa
Nancy Pineda steht mitten in Buenos Aires in einer leeren Parfümerie: "Die Leute haben kein Geld", klagt die Verkäuferin bei "Mas Aromas". Nach mehr Duft stehe nur noch wenigen Kunden der Sinn, der Umsatz sei um die Hälfte eingebrochen. Wenn gekauft werde, dann meist auf Raten. Es ist der neue Alltag in Mileis Argentinien. Vor einem Jahr wurde er zum Präsidenten gewählt, nun spürt die Mittelschicht die Folgen seiner Politik der Kettensäge, die er im Wahlkampf propagierte.
Mileis radikale Maßnahmen senken Inflation
Alles radikal anders machen, dieses Versprechen hatte den selbst ernannten Anarcho-Kapitalisten Milei ins Amt gebracht. Nach Jahren der Dauerinflation war das Vertrauen vieler Argentinier in die traditionellen Parteien geschwunden. "Ich wollte nicht mehr das Etablierte wählen, sondern einen Wechsel - selbst wenn mir Milei als Person gar nicht zusagt", erklärt der 33-jährige Fabian. Als "El Loco", den Verrückten, bezeichnen Medien Milei. Der Mann mit der wirren Haarpracht gibt sich als Anti-Politiker, der den Staat mit der Kettensäge zerstören will.
"Milei will im Gegensatz zu allen Vorgängerregierungen zeigen, dass die schwarze Null möglich ist", sagt der Wirtschaftsjournalist Alejandro Rebossio. Die monatliche Inflation lag bei Mileis Amtsantritt bei 25,5 Prozent, die jüngsten Daten sehen sie bei 3,5 Prozent. Der Internationale Währungsfonds IMF lobt Anfang Oktober die Fortschritte - Pressesprecherin Julie Kozack erklärt: " Die Umsetzung des Programms hat zu einem erheblichen Rückgang der Inflation und des Haushaltsdefizits geführt, und es gibt Anzeichen für eine beginnende Erholung der Wirtschaftstätigkeit und der Reallöhne." Erreicht hat Milei das durch ein Schockprogramm für Staat und Wirtschaft: Er hat die Zahl der Ministerien halbiert, Zehntausende im öffentlichen Dienst entlassen, Renten und Subventionen gekürzt.
Seit Dezember 2023 ist der Rechtspopulist Milei im Amt. Mit ersten Reformen schockte er das Land. Ersparnisse sind nur noch halb so viel wert, Lebensmittel und Sprit umso teurer.14.02.2024 | 6:26 min
Weniger Jobs, mehr Armut in Argentinien
Jetzt aber sorgen sich die Menschen nicht mehr um die Inflation, sondern um ihre Jobs, betont Rebossio. Argentinien ist in einer Wirtschaftskrise: Der Konsum ist eingebrochen, es fehlen staatliche Investitionen, private bleiben bislang aus. Die Armut ist so stark gestiegen wie noch nie zuvor, mehr als die Hälfte aller Argentinier gilt inzwischen als arm. Und die bekommen weniger Hilfe als zuvor: Milei hat Lebensmittelsubventionen gestrichen und die Unterstützung der Suppenküchen eingestellt.
Maria Claudia Albornoz ist mit der Organisation "La Poderosa" in den Armenvierteln aktiv und resümiert: "Milei will die sozialen Bewegungen entwaffnen." Als "Kulturkampf mit einer Sprache des Hasses" beschreibt die Soziologin Raquel Vivanco das Klima unter dem libertären Präsidenten. Vivanco war früher im Frauenministerium tätig, das Milei nun abgeschafft hat. Sein Kampf gegen die "korrupten Kasten" umfasst alles, was ihm nicht passt: Gewerkschaften, Umweltorganisationen, Medien, öffentliche Universitäten. Milei leugnet den menschengemachten Klimawandel, attackiert Journalisten, will die Verbrechen der argentinischen Militärdiktatur umdeuten.
Javier Gerardo Milei hat einen Plan, um Argentinien aus der Krise zu holen. Doch viele befürchten, der ultralibertäre Präsident stürzt sein Land weiter in die Krise.22.04.2024 | 14:09 min
Zustimmung für "Kulturkampf" bröckelt erstmals
In den Umfragen hat Milei weiter Zustimmung, aber erstmals bröckelt sie. Für Verkäuferin Nancy Pineda bedeutet seine Politik, dass sie im Rentenalter weiter arbeiten muss, sonst reicht das Geld nicht. Milei-Anhänger Fabian will noch kein Urteil fällen, die anderen Politiker hätten es zuvor auch nicht besser gemacht. Mileis Kulturkampf hält er aber für unnötig, der binde einfach nur Kräfte. Aktuell gibt es Massenproteste der Studierenden gegen geplante Kürzungen, auch der nächste Generalstreik steht schon wieder bevor.
Der Ausgang von Mileis libertären Experiments ist derzeit ungewiss. "Es ist so rasend neu, dass man nicht weiß, ob die Regierung morgen zusammenbricht oder noch zwanzig Jahre an der Macht sein wird", sagt Emilio Laszlo, der im Netz eine regelmäßige Kolumne über die Regierung Milei produziert. Es sei vor allem die Konsequenz, mit der Milei vorgehe. Negative Folgen seiner Politik seien ihm schlicht egal.
Dorthe Ferber ist Korrespondentin im ZDF Hauptstadtstudio in Berlin. Die Recherche fand im Rahmen einer Reise der Internationalen Journalisten Programme statt.
Quelle: ZDF
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