Ärztemangel:Albanien gegen Braindrain: Zahle oder bleibe!
von Britta Hilpert
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Deutschland saugt Fachkräfte aus anderen Ländern ab - oftmals zum Leid der Ursprungsstaaten. In Albanien soll ein neues Gesetz die Abwanderung von Ärzten einschränken.
In Tirana protestierten Menschen gegen ein neues Gesetz gegen den Ärztemangel.
Quelle: ZDF
Es wurde 4.30 Uhr, bis in Tirana die Abstimmung zur Bleibepflicht für Ärzte durchkam: 71 dafür, 23 dagegen, keine Enthaltungen. Kurz vor der Sommerpause ist damit ein Gesetz verabschiedet, dass es den Medizinstudierenden praktisch unmöglich macht, nach ihrem Studium das Land zum Arbeiten zu verlassen. Abwanderung von Fachkräften, der Braindrain, ist seit Jahren in Albanien ein riesiges Problem.
Den ganzen Tag demonstrierten deshalb gestern Studierende trotz der 40 Grad Hitze. "Ich verstehe dass die Regierung die Ärzte hier behalten will, aber das ist der falsche Weg. Besser wäre es, die Bedingungen für die Ärzteschaft zu verbessern.", sagt der 19-jährige Michael Saferi, der im ersten Jahr Medizin studiert.
Studierende in Albanien: Unzufriedenheit mit der jetzigen Situation
Wenn er in ungefähr sechs Jahren seinen Abschluss hat, wird er entweder fünf Jahre in Albanien arbeiten müssen oder über 40.000 Euro an den Staat zahlen müssen - die Kosten für das Medizinstudium. Das können sich kaum ein Studierende leisten. Auch Cindi Allamani nicht, sie studiert im dritten Jahr. Die Regierung verlange Unmögliches, meint sie:
Albanien hat die geringste Ärztedichte in Europa, besonders in der Provinz fehlen sie. In der Pandemie hatte das tödliche Folgen: Albanien hatte eine vergleichsweise hohe Übersterblichkeit. Es fehlt vielerorts an moderner Ausrüstung, der Altersdurchschnitt im Berufsstand ist hoch und überall fehlen Fachärzt*innen, wie in der Geburtshilfe. Bis zu zwei Drittel der Mediziner*innen geht nach dem Studium ins Ausland.
Albanische Regierung kritisiert deutsche Abwerbungen
Den albanischen Regierungschef Edi Rama erzürnt das: "Der albanische Staat finanziert das Studium nicht für das deutsche Gesundheitssystem", sagte er im März auf einem Gesundheitskongress.
Doch so ein Gesetz sei nicht das richtige Mittel, meint Migrationsexperte Thomas Liebig von der OECD: "Zum einen besteht die Befürchtung, dass sich weniger für eine Ausbildung entscheiden, und dass diejenigen, die das Land verlassen wollen, das tun, ohne die Gebühr zu bezahlen und dann mit Sicherheit nie wieder zurückkehren - aus Furcht davor, diese Kosten zahlen zu müssen."
Immer mehr Pflegekräfte kommen aus dem Ausland zu uns. Ein lukratives Geschäft für private Personalvermittlungsagenturen. Nicht alle arbeiten mit fairen Mitteln.30.06.2021 | 19:23 min
Schon Jens Spahn fuhr auf Werbetour auf den Balkan, seit Jahren wirbt Deutschland um die besten Kräfte im Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Albanien. Deutschland braucht sie und zahlt bis zu dreimal so viel - doch das Gehalt sei nur ein Faktor, meint Illir Alimehmeti.
Alimehmeti: Gehälter besser als früher - aber nicht ausreichend
Der Epidemiologe hat selbst ein paar Jahre in den Niederlanden gearbeitet. Jetzt ist er in Tirana an der Universität Dozent und Berater - Heimweh und ein guter Job brachten ihn zurück. Die albanische Regierung hätte längst und entschiedener als bisher agieren müssen, meint er. Zwar seien heute die Gehälter besser als früher, aber trotzdem nicht ausreichend. Und es gibt mehrere Gründe, warum sich seit Jahren der Braindrain weiter verstärkt:
In Albaniens Notaufnahmen sei das gelungen, meint er, dort wird mehr gezahlt und die Stationen sehen sichtbar besser aus. Für andere Bereiche im Gesundheitssystem fehle aber Geld und Ärzte.
Ein Lösungsvorschlag: Kostenteilung
Eine länderübergreifende Ausbildungspartnerschaft mit Kostenteilung könnte da helfen, meint Thomas Liebig. "Bei so einer Ausbildungspartnerschaft unterstützt Deutschland die Ausbildung vor Ort. Ein Teil der ausgebildeten Personen kommt nach Deutschland und ein andere bleibt in Albanien, so werden die Kosten besser verteilt."
Mit ein paar Jahren Arbeit im Ausland hätte sie eine bessere Ärztin werden können, meint Cindi Allamani, das hätte auch den Albanern gedient. Daraus wird wohl nichts. Und das hilft weder ihr noch dem deutschen, noch dem albanischen Gesundheitssystem.