Ein Tempolimit von 130 km/h könnte viel Geld einsparen

    Neue Studie zu Autobahnen:Ein Tempolimit könnte viel Geld einsparen

    Jan Schneider
    von Jan Schneider
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    Ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde könnte Kraftstoff im Wert von 766 Millionen Euro pro Jahr sparen - und gleichzeitig noch das Klima schützen, besagt eine neue Studie.

    Tempolimit auf der A61
    Könnte viel Geld einsparen: Tempolimit auf der A61.
    Quelle: dpa

    Deutschland ist eines der wenigen Länder ohne generelles Tempolimit auf Autobahnen. Und nicht nur an Tagen mit einem Blitzer-Marathon ist das bundeseinheitliche Tempolimit eines der größten verkehrspolitischen Streitthemen des Landes. Soll auf Autobahnen überall nur 130 km/h gefahren werden oder darf man auch schneller fahren? Eine Forschergruppe aus Schweden, Kanada und Deutschland hat nun ein neues Argument in die Diskussion gebracht: Ein Tempolimit könnte sehr viel Geld sparen.
    Ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde in Deutschland würde Wohlfahrtsgewinne von mindestens 950 Millionen Euro pro Jahr bewirken, schreiben die Forscher*innen im Fachjournal "Ecological Economics". Demnach würde Treibstoff eingespart, es gäbe weniger Unfälle, geringere Lieferkettenkosten und Einsparungen bei der Infrastruktur. Zudem würde das Tempolimit auch dem Klimaschutz zugutekommen.

    Wohlfahrt bezeichnet allgemein in der Ökonomie den Nutzen für Einzelne oder die Gesellschaft. Damit können dann Maßnahmen, wie zum Beispiel in diesem Fall ein Tempolimit, beurteilt werden. Das Konzept ist in den Wirtschaftswissenschaften, insbesondere in der Wohlfahrtsökonomik, etabliert. Wie genau Wohlfahrt im Einzelnen bestimmt werden kann, etwa über das Bruttoinlandsprodukt oder weitere Indikatoren, debattieren Forscherinnen und Forscher immer wieder.

    Studie greift Argumente des Verbands der Automobilindustrie auf

    Die Studie greift das Argument des Verbands der Automobilindustrie (VDA) auf, dass ein Tempolimit nur wenig Energie sparen würde, die wirtschaftlichen Verluste durch längere Fahrten aber groß seien. Eigentlich sei es jedoch ganz einfache Physik, erklärt der Professor für Verkehrsökologie an der Universität Dresden, Dr. Udo Becker: "Der Energieverbrauch steigt mit der Geschwindigkeit an, und schnellere Fahrt erzeugt mehr Emissionen und erhöht die Lärmbelastung."

    Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass ein Tempolimit volkswirtschaftlich sehr vorteilhaft ist. Die Fahrerinnen und Fahrer würden durch ein Tempolimit Kraftstoff im Wert von insgesamt 766 Millionen Euro pro Jahr sparen.

    Dr. Udo Becker, Professor für Verkehrsökologie an der Universität Dresden

    Das Forscherteam stützt sich dabei auf eine Reihe von öffentlich zugänglichen Daten, viele davon vom Umweltbundesamt. In der Kosten-Nutzen-Analyse wurden die Auswirkungen eines Tempolimits auf Reisezeiten, Treibstoffverbrauch und -subventionen, Lieferketten, Infrastrukturausbau und -unterhalt sowie Unfälle und Emissionen untersucht. Dabei berechneten sie, welche ökonomischen Schäden und Nutzen dadurch entstehen würden. Da immer die "vorsichtigsten Werte" verwendet wurden, könnte in der Realität ein noch deutlich höherer Nutzen zu erwarten sein.
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    Die designierte Ampel-Koalition sieht nach ihrem Sondierungsgespräch kein generelles Tempolimit auf der Autobahn vor. Wäre es trotzdem eine gute Idee?18.10.2021 | 16:53 min

    Wie viele Strecken ohne Tempolimits gibt es überhaupt?

    Aktuell unterliegen weniger als ein Viertel der deutschen Autobahnkilometer einem dauerhaften Tempolimit, wobei die Daten dieser Erhebung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bereits aus dem Jahr 2015 stammen. Auf gut 18.000 Kilometern Autobahn dürfen Fahrer*innen so schnell fahren, wie es eben geht.
    Im europäischen Ausland gibt es dagegen fast überall Tempolimits: In den meisten Ländern gilt ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde, in manchen Ländern wie Spanien, Schweden und Finnland gilt 120 km/h. Nur in Polen und Bulgarien beträgt die Höchstgeschwindigkeit 140 km/h.

    Wie schnell wollen Autofahrer*innen fahren?

    Die Forschenden hinter der Untersuchung geben an, dass eine "Mehrheit der Bevölkerung eine 130-km/h-Grenze befürwortet", und belegen dies mit mehreren Umfragen aus den Jahren 2019 bis 2022. Auch in einer Befragung der Mitglieder des ADAC gaben 52 Prozent der Befragten an, ein generelles Tempolimit für Pkw auf deutschen Autobahnen zu befürworten.
    Tatsächlich fahren laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft auch auf Abschnitten ohne Tempolimit rund 77 Prozent der Autofahrer langsamer als 130 km/h. Weitere zwölf Prozent fahren demnach zwischen 130 und 140 km/h, und weniger als zwei Prozent schneller als 160 km/h.
    Die Ablehnung des Tempolimits durch die Automobilindustrie sei demnach nicht nachzuvollziehen und die Argumente "irreführend", so die Forschergruppe, die sich mit den Wohlfahrtsgewinnen beschäftigt hat.

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    Von der Verkehrszentrale gesteuert werden die Schilder zur Anzeige der Geschwindikeitsbegrenzungen auf der A5
    FAQ

    Tempolimit oder nicht: Was tun?

    Um CO2-Emissionen, Staus, Lärm oder Schadstoff-Emissionen zu bekämpfen, gebe es sogenannte Push- und Pull-Maßnahmen, erklärt Dr. Kai Nagel vom Institut für Land- und Seeverkehr (ILS) der Technischen Universität Berlin.
    "Push-Maßnahmen" richteten sich demnach direkt gegen die jeweiligen Herausforderungen, also zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen oder eine Maut gegen CO2-Ausstoß oder gegen Lärm. "Pull-Maßnahmen" versuchten dagegen, die Autofahrer auf andere Verkehrsmittel - zum Beispiel auf das Fahrrad oder den öffentlichen Verkehr - umzulenken, indem man jene attraktiver mache.

    Alle Untersuchungen zeigen, dass Push-Maßnahmen deutlich besser als Pull-Maßnahmen wirken; sie finden aber auch deutlich weniger Akzeptanz.

    Dr. Kai Nagel, Institut für Land- und Seeverkehr (ILS) der TU Berlin

    Die Herausforderung sei also, ein Paket zu finden, das gleichzeitig politisch akzeptabel und trotzdem wirksam ist.

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