Frauen, Fußball, Freiheit: Tore gegen die Taliban

    Frauen, Fußball, Freiheit:Tore gegen die Taliban

    von Marie-Julie May und Normen Odenthal
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    Afghanistans Fußballerinnen haben in Australien eine neue Heimat gefunden. Nach der Machtergreifung der Taliban sind sie aus ihrem Land geflohen.

    Tore gegen die Taliban
    Das inoffizielle Nationalteam Afghanistans floh nach Melbourne. 11.07.2023 | 16:47 min
    Shamsia Amiris Ungeduld hat ein Ende. Endlich die Einwechslung, endlich darf sie wieder für ihre Mannschaft spielen. Es geht um die Tabellenführung im Spitzenspiel der untersten australischen Fußball-Liga der Frauen. Das "Afghan Women Team" spielt in roten Trikots. Afghanistans inoffzielles Nationalteam der Frauen trägt die Heimspiele seit einem Jahr bei dem australischen Verein "Melbourne Victory" aus.
    "Ich sah die wilden Taliban überall", erzählt Amiri dem ZDF über die alles verändernden Tage im August 2021.

    Sie haben Menschen geschlagen, schossen um sich, verbreiteten Angst und Schrecken.

    Shamsia Amiri, Fußballerin aus Afghanistan

    In Afghanistan herrschte die nackte Furcht vor der Gewalt der Taliban - nachdem die militant-islamistische Vereinigung die Hauptstadt Kabul eroberte und die Truppen der Nato das Land verließen. Mädchen und Frauen, die Fußball spielten wurden regelrecht gejagt. Amiri wollte nur raus. Dafür ließ sie ihr komplettes Leben hinter sich.

    Amiri: "Jede Freiheit ist weg"

    Ausgerechnet Australien, das sonst für seine rigorose Asylpolitik bekannt ist, gewährte Visa für Afghanistans Fußballerinnen. Amiri erzählt über ihre dramatische Fluchtaktion: "Ich habe mir vorgenommen, das Land zu verlassen und wusste nicht, ob ich jemals wiederkommen würde. Mädchen können nicht mehr vor die Tür, jede Freiheit ist weg, wir können nicht mehr zur Schule, wir können nicht mehr Fußball spielen."
    In ihrer neuen Heimat Melbourne, das für viele zu den lebenswertesten Städten auf der Welt zählt, hat Englisch lernen für sie nun höchste Priorität. Sie will ankommen, sich mit den Menschen unterhalten können.
    Aktiv für Afghanisten: Titelbild "Forum am Freitag"
    Die humanitäre Katastrophe im Land bekommt kaum noch Aufmerksamkeit. Wir haben Menschen getroffen, die täglich Kontakt haben und berichten, wie es den Menschen im Land geht.23.06.2023 | 14:21 min
    Trotzdem vermisst sie das ferne Land am Hindukusch. Einkaufen geht sie am liebsten im afghanischen Laden um die Ecke. Sie kocht am liebsten so wie zuhause. An Burger und Fritten kann sie sich bis heute nicht gewöhnen.

    Fußballteam als Art Ersatzfamilie

    Doch sie ist nicht allein in dem Land, das so anders ist als ihr Geburtsland. Das "Afghan Women Team" ist zu einer Ersatzfamilie geworden. Eine ihrer Mitspielerinnen ist Fatima Yousufi. Die 21-Jährige ist die Kapitänin der Mannschaft. "Wir sind stärker als je zuvor", sagt die Torhüterin selbstbewusst.

    Unser Leben bezeugt, dass auch die dunkelsten Momente wieder Licht bringen können.

    Fatima Yousufi, Fußballerin aus Afghanistan

    Sie sei sehr glücklich, bei "Melbourne Victory" spielen zu dürfen. Aber sie wolle mehr, wolle auf der internationalen Bühne spielen. Doch das ist nicht so einfach.
    Mit ihrer Flucht aus Kabul hörte die afghanische Nationalmannschaft gemäß des Fußball-Weltverbandes FIFA und der Asiatischen Fußball-Konföderation (AFC) auf zu existieren, verlor ihren Platz auf der FIFA-Rangliste der Frauen. Yousufi kritisiert das Versäumnis der Weltfußballorganisation, die Nationalmannschaft nach der Machtübernahme der Taliban zu unterstützen.

    Wir haben das Recht, unser Land zu vertreten. Durch das Schweigen der FIFA unterstützen sie indirekt die Entscheidung der Taliban, was bezeichnend ist.

    Fatima Yousufi, Fußballerin aus Afghanistan

    "Afghanistan - Verlorenes Land" - Die ZDFinfo-Doku:
    • Teil 1: Krieg gegen den Terror
    • Teil 2: Im Stich gelassen

    Die Männer dürfen, Fauen nicht

    Beim Männerteam sieht das anders aus. Die afghanischen Fußballer haben wieder an FIFA-Wettbewerben teilgenommen. "Die Männer spielen, warum wir nicht?", ärgert sich Yousufi. "Ich gönne es ihnen vom ganzen Herzen. Aber ich habe mir ehrlich gesagt mehr Solidarität von den Männern erwartet."
    Während der Fußball-WM in Australien und Neuseeland will sie einige Spiele besuchen. Das Gefühl, so Yousufi, dass es in ihrem australischen Exil keinen Unterschied macht, woher eine Spielerin kommt, wenn sie auf dem Platz steht, bewundert sie. Sie sieht das Turnier aber auch als Chance, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Hoffnung auf internationale Anerkennung ist ihr großes Ziel.

    Mein Traum ist es eines Tages mein Land bei der Weltmeisterschaft zu vertreten und die afghanische Flagge unter den anderen zu sehen.

    Fatima Yousufi, Fußballerin aus Afghanistan

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