Verkaufsstart: Muss Silvesterfeuerwerk immer noch sein?

    Verkaufsstart für Böller:Muss Silvesterfeuerwerk immer noch sein?

    von Michael Kniess
    |

    Viel Feinstaub und eine große Verletzungsgefahr - trotzdem bleibt für viele das Großfeuerwerk an Silvester unverzichtbar. Was spricht dafür und was dagegen?

    Typical: Feuerwerk, Silvester
    Ein generelles Böllerverbot wird es auch in diesem Jahr nicht geben. In den Ampel-Fraktionen wird das Thema kontrovers diskutiert.
    Quelle: picture alliance/dpa

    Licht-Shows und öffentliche Pyro- oder Drohnen-Spektakel sowie von den Städten und Gemeinden organisierte Höhenfeuerwerke, statt eines privaten Silvesterfeuerwerks: Dafür plädiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er möchte das Bewusstsein für ein zeitgemäßes Silvesterfeuerwerk mit all seinen Vorteilen wecken - weniger Feinstaubbelastung, einfachere Müllentsorgung, keine illegalen gefährlichen Feuerwerkskörper.
    Und dennoch: Wenn am 28. Dezember der Verkauf von Feuerwerk wieder beginnt, werden viele wieder zugreifen. Was macht den Reiz von Privatfeuerwerk aus, und was spricht für oder gegen die Alternativen?
    Feuerwerkskörper
    Ab heute kann in Deutschland für das Feuerwerk an Silvester eingekauft werden. Die Polizei warnt vor illegalen Böllern aus dem Ausland – diese können besonders gefährlich sein. 28.12.2023 | 1:34 min

    Feinstaubbelastung und Verletzungsgefahr

    Für Professorin Andrea Kaifie-Pechmann sind es insbesondere Feinstaubbelastung und Verletzungsrisiko, die das Silvesterfeuerwerk insbesondere im privaten Kreis problematisch machen.
    Die Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizinerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg betont: "Wenn man sich so verhält, wie es auf der Verpackung beschrieben ist, kann beim Abbrennen von Feuerwerken eigentlich nichts passieren." Die Professorin ergänzt:

    Unter Alkoholeinfluss sind viele zu fortgeschrittener Stunde aber nicht mehr in der Lage, Gefahren richtig einzuschätzen. Die größere Risikobereitschaft führt leider immer wieder zu schweren Unfällen.

    Andrea Kaifie-Pechmann, Professorin an der Friedrich-Alexander-Universität

    Feinstaub an Neujahr besonders hoch

    Laut Umweltbundesamt ist die Luft an Neujahr mit gesundheitsgefährdendem Feinstaub vielerorts so hoch belastet wie sonst an keinem anderen Tag. Die Professorin Andrea Kaifie-Pechmann erklärt:

    Die Feinstaubpartikel sind so klein, dass sie tief in die Bronchien und Lunge und sogar ins Blutsystem eindringen können. Vor allem für Menschen, die Lungen- oder Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen haben, kann das problematisch sein.

    Andrea Kaifie-Pechmann, Professorin an der Friedrich-Alexander-Universität

    Feuerwerk in Frankfurt am Main
    Quelle: ap

    • Feuerwerkskörper und Raketen nicht geeignet für Minderjährige
    • Gebrauchshinweise beachten: Verwendung in geschlossenen Räumen fast immer verboten
    • Abbrennen der Böller in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen ist untersagt; Verbot gilt auch für Fachwerk- und Reetdachhäuser
    • Auf örtliche Regelungen achten
    • Nach dem Zünden Sicherheitsabstand einhalten
    • Feuerwerkskörper und Raketen nicht blindlings wegwerfen, niemals auf Menschen zielen
    • Blindgänger niemals erneut zünden
    • Feuerwerkskörper nicht selbst herstellen oder illegal vertriebenes Feuerwerk erwerben
    • Aufbewahrung: Selbstentzündungsrisiko ausschließen; Feuerwerk niemals am Körper (z.B. Jackentasche) tragen
    • Wohnung in der Silvesternacht vor Brandgefahren schützen (z.B. Möbel und Hausrat auf Balkon oder Terrasse), Fenster und Türen geschlossen halten
    • Bei Brand oder Unfall sofort 112 wählen
    Quelle: Deutscher Feuerwehr Verband

    Höhenfeuerwerke als Alternative?

    Für den BUND und auch das Umweltbundesamt spricht allein deshalb vieles für professionelle Höhenfeuerwerke. Sie sind lokal und zeitlich auf meist nur wenige Minuten begrenzt.
    Zudem kommen Feuerwerkskörper zum Einsatz, die in größeren Höhen als private Silvesterraketen explodieren. Das bedeutet, der Feinstaub wird nicht bodennah freigesetzt und kann sich dort mit dem Wind rasch verteilen.

    Was Feuerwerksverbände sagen

    Aus Sicht des Verbands der pyrotechnischen Industrie (VPI) und des Bundesverbands Pyrotechnik (BVPK) sind zentrale Großfeuerwerke dennoch nicht das Nonplusultra. In Deutschland gebe es schlicht nicht genug professionelle Feuerwerker*innen, um auch nur ansatzweise alle 11.000 Städte und Kommunen zeitgleich versorgen zu können, gibt der VPI zu bedenken.
    Hinzu komme die Kostenfrage. Selbst, wenn man nur Großstädte auswählte, um Aufwand und Kosten zu reduzieren, zöge das die nächsten Probleme nach sich: Wer möchte gegen Mitternacht allein mit dem Auto in eine größere Nachbarstadt fahren und ist überhaupt noch fahrtauglich?

    "Zentrale Veranstaltungen erhöhen das Verkehrsaufkommen"

    Ingo Schubert ist Vorstand beim BVPK. Er kritisiert die umweltpolitischen Intentionen der Befürworter*innen von professionell durchgeführten Feuerwerken und Co. als verfehlt:

    Zentrale Veranstaltungen erhöhen das Verkehrsaufkommen und dürften damit zu einem höheren Ausstoß von CO2 und Feinstaub führen, als das dezentrale, erlaubnisfreie Feuerwerk.

    Ingo Schubert, 1. Vorstand des BVPK

    Gemeinschaftsgefühl durch das eigene Silvesterfeuerwerk

    Schubert argumentiert auch mit der individuellen Bedeutung des privaten Feuerwerks:

    Großfeuerwerke versetzen Zuschauende in eine passive, betrachtende Position und sind immer auch Mittel der Demonstration von Macht.

    Ingo Schubert, 1. Vorstand des BVPK

    "Das dezentrale, selbst gezündete Feuerwerk hingegen ist gleichermaßen individuell wie kollektiv. Dadurch entstehen ein sozialer Resonanzraum und ein kurzes Gefühl der Gemeinschaft - auch über räumliche und soziale Distanzen hinweg. Deswegen können Großfeuerwerke das selbst gezündete Silvesterfeuerwerk nicht ersetzen", erklärt er.

    Verbotszonen: ja, generelles Verbot: nein

    Diesen Brauch wollen - trotz aller Bedenken - weder BUND noch der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) generell verbieten. Anders sieht es ein Bündnis aus 18 Organisationen, darunter unter anderem die Gewerkschaft der Polizei und die Bundesärztekammer. Sie fordern unter Federführung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sowohl ein Verkaufs- als auch ein Verwendungsverbot für Böller und Raketen. Feuerwehrverband-Präsident Karl-Heinz Banse plädiert hingegen:

    Städte, die zum Beispiel eine besonders gefährdete historische Altstadt haben, sollten dort eine Feuerwerksverbotszone einrichten.

    Karl-Heinz Banse, DFV-Präsident

    Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei
    "Wir blicken besorgt in die Silvesternacht", so Jochen Kopelke, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Die Polizei sei aber "gut vorbereitet" - es gäbe ein "Großaufgebot in den Ballungsstädten".29.12.2023 | 4:24 min

    "Zunehmend illegales Feuerwerk aus Nachbarländern"

    Mit Blick auf das private Silvesterfeuerwerk setzt er darauf, ausschließlich geprüfte, zertifizierte und damit zugelassene Feuerwerkskörper zu verwenden und auf den gesunden Menschenverstand.

    Leider ist zunehmend illegales Feuerwerk aus Nachbarländern im Umlauf, das teils so gefährlich ist, dass es schon unter die Sprengstoffverordnung fällt.

    Karl-Heinz Banse, DFV-Präsident

    Sicher ist dagegen eines: Wenn es um die Form des Silvesterspektakels geht, herrscht bei Befürworter*innen und Gegner*innen altbekannte Uneinigkeit. Denn es ist eben doch mehr als oder doch nur ein "Feuerwerk".

    Mehr zum Thema Böllerverbot