Autor Zhadan ist Ukraine-Soldat: "Werden wieder schreiben"
Interview
Autor Zhadan ist Ukraine-Soldat:"Wir werden wieder schreiben, singen, tanzen"
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Eigentlich ist Serhij Zhadan Autor. Eigentlich, denn nun ist alles anders: Er kämpft als Soldat für die Ukraine. Im ZDF spricht er über Gedichte im Krieg und Hoffnung auf Frieden.
Serhij Zhadan, einer der bekanntesten Autoren in der Ukraine, ist auch Musiker. Heute gibt er ein Konzert in Kiew. Seit dem Frühjahr kämpft er als Soldat für sein Land.
21.07.2024 | 2:40 min
Eigentlich schreibt Serhij Zhadan Gedichtbände und Prosawerke. 2022 erhielt er dafür den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, gilt als einer der wichtigsten Vertreter der ukrainischen Gegenwartsliteratur. Doch nun verteidigt der ukrainische Autor sein Land als Soldat in der Armee gegen die russische Invasion.
Im ZDF spricht er über den Kampf für die Ukraine, die Rolle seiner Gedichte im Krieg und seine Hoffnung für eine Zukunft in Frieden.
ZDFheute: Bei Ihrem Konzert wird an vielen Orten Geld für die Armee gesammelt - wie wichtig ist das im Zusammenhang mit diesem Festival?
Zhadan: Kultur ist heute für Ukrainer keine Unterhaltung, sondern vor allem eine soziale Komponente. Heute werden bei allen Konzerten, Abenden und Theateraufführungen Mittel zur Unterstützung der Einheiten gesammelt. Da einige von uns dienen, einige von uns Verwandte oder Freunde haben, die dienen, wollen wir der ukrainischen Armee helfen.
Aus diesem Grund spielt die ukrainische Kultur auch heute so eine wichtige gesellschaftliche und soziale Rolle.
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Serhij Zhadan
Quelle: dpa
... wurde 1974 in Starobilsk im Gebiet Luhansk in der Ostukraine als Sohn eines Lkw-Fahrers geboren. Er studierte in Charkiw Germanistik und Literaturwissenschaft und promovierte über den ukrainischen Futurismus. Zhadan schreibt auf Ukrainisch und gilt als einer der wichtigsten Vertreter der ukrainischen Gegenwartsliteratur sowie als prägende Figur der Kultur- und Musikszene in der nachsowjetischen Ukraine. Die BBC kürte sein Buch "Die Erfindung des Jazz im Donbass" zum "Buch des Jahrzehnts". 2022 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.
ZDFheute: Sie tragen nun ein T-Shirt einer Brigade. Warum haben Sie sich entschieden, Soldat zu werden?
Zhadan: Weil so viele meiner Freunde in dieser Brigade dienen und ich nicht im Abseits stehen kann. Es gibt viele meiner Freunde in anderen Brigaden, in anderen Einheiten. Heute braucht die ukrainische Armee Hilfe, Mobilisierung. Meine Freunde und Bekannten und ich haben beschlossen, die ukrainische Armee zu unterstützen, indem wir uns der Brigade anschließen.
Denn wir kennen "Charta" ["Chartija" ist die 13. Brigade der Nationalgarde; Anm. d. Red.], wir haben sie gegründet, wir haben sie von Anfang an unterstützt. Es ist unsere nahe gelegene Brigade, also sind wir tatsächlich dorthin gegangen.
ZDFheute: Sie sind ein weltbekannter Autor - vor allem in Deutschland. Sie sind Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels. Und sind jetzt als Soldat in ukrainischen Schützengräben. Wie geht das zusammen?
Zhadan: Das ist für mich ganz normal. Ich liebe meine Arbeit und möchte sie auch morgen noch ausüben können.
Wenn man morgen mit ukrainischer Literatur arbeiten will, gibt es nur eine Möglichkeit: Diese Literatur zu schützen.
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Serhij Zhadan
ZDFheute: Wie schwierig ist die militärische Situation für die Ukraine?
Zhadan: Nun, ich bin kein Militärexperte. (…) Die Situation ist schwierig, weil der Krieg noch andauert und es jeden Tag Gefallene, jeden Tag Opfer gibt. Das ist das Schlimmste, was passieren kann. Aber die Ukrainer werden nicht aufhören, wir werden nicht kapitulieren. Dies ist unser Land, dies ist unsere Freiheit, und wir werden sie nicht aufgeben.
ZDFheute: Jetzt sind Sie als Friedenspreisträger ein Soldat, warum ist das notwendig?
Zhadan: Frieden in der Ukraine ist durchaus möglich - wenn die russischen Truppen abziehen. Das friedliche Leben wird zu uns zurückkehren, und wir werden weiterhin unsere Kultur ausüben. Im Moment haben wir keine Möglichkeit, den Kampf aufzugeben, denn Sie sehen, was die russischen Besatzer, die russische Armee, den ukrainischen Schriftstellern in den besetzten Gebieten antun. Viele ukrainische Autoren sind bereits in diesem Krieg gefallen.
Diejenigen, die das nicht verstehen, waren offensichtlich noch nie in einer Situation, in der ihr Leben, das Leben ihrer Angehörigen und das Leben ihres Landes, die Existenz ihres Landes, bedroht waren.
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Serhij Zhadan
Für mich ist der Kampf für die Freiheit in der Tat das Ziel aller Menschen, die sich mit Kultur assoziieren. Für mich ist Frieden das, was die Ukrainer heute am meisten wollen. Aber die Ukrainer wollen nicht kapitulieren, die Ukrainer wollen sich nicht verlieren. Deshalb kämpfen wir für unseren Frieden, für den ukrainischen Frieden.
ZDFheute: Sie rezitieren auf Ihren Social-Media-Kanälen auch Ihre Gedichte. Die Kultur ist, wie Sie sagten, auch Teil Ihrer Aufgabe, auch in der Armee. Kommen Sie dazu, um neue Dinge, neue Bücher zu schreiben?
Zhadan: Wenn ich die Gelegenheit habe, schreibe ich etwas. Aber jetzt habe ich nicht viel Zeit, denn der Dienst nimmt viel Zeit in Anspruch, und ich bin jetzt in den letzten zwei Monaten zum ersten Mal in Kiew.
Jetzt ist das nicht so wichtig. Es ist wichtiger, dass wir uns gegen den Aggressor verteidigen, dass wir unser Land verteidigen. Dann werden wir schreiben, singen, tanzen.
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Serhij Zhadan
Das Interview führte Anne Brühl, ZDF-Reporterin in der Ukraine.
Quelle: dpa
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