Einschätzung von Experten:Baltimore-Unglück in Deutschland möglich?
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In der US-Stadt Baltimore hat ein Schiff eine Autobrücke gerammt und sie zum Einsturz gebracht. Wäre so ein Unglück auch in Deutschland möglich?
Im US-Bundesstaat Maryland hat ein Frachtschiff eine Autobahnbrücke gerammt - mehrere Autos sind in das eiskalte Wasser gestürzt, Retter suchen nach Vermissten.26.03.2024 | 24:28 min
Ein Brückeinsturz wie den in Baltimore ist Experten zufolge in Deutschland sehr unwahrscheinlich. Prof. Josef Hegger vom Lehrstuhl und Institut für Massivbau der RWTH Aachen sagte der Deutschen Presse-Agentur:
Auch wenn ein solcher Havariefall nie auszuschließen sei, erreiche man doch durch die Kombination verschiedener konstruktiver Maßnahmen ein Höchstmaß an Sicherheit. "So muss der Pfeiler eine gewisse Resilienz haben, dass er nicht beim leichten Anprall schon einstürzt", erläutert der Fachmann.
Die Bundesanstalt für Wasserbau lege etwa feste Regeln zugrunde, welcher Anpralllast Pfeiler je nach Schifffahrtsweg und Größe der dort fahrenden Schiffe Stand halten müssen. Zusätzlich gebe es auch auf Wasserwegen Einrichtungen ähnlich einer Leitplanke, die einen Aufprall verhindern sollen.
Auch große Schiffsabweiser hätten den Frachter nicht aufhalten können, sagt Brückenexperte Prof. Mertens. Die Konstruktion der Brücke sei nicht für das Unglück verantwortlich.26.03.2024 | 6:07 min
Brückenexperte Prof. Martin Mertens erklärt bei ZDFheute live, dass es sich bei der Brücke in Baltimore aus dem jahr 1977 um "ein sehr filigranes Bauwerk" gehandelt habe. Hauptverantwortlich für den Einsturz sei aber nicht die Konstruktion der Brücke:
Offenbar war das Containerschiff vor der Kollision mit der Autobahnbrücke in Baltimore wegen eines Stromausfalls manövrierunfähig. Der abgesetzte Notruf kam für einige PKW zu spät.26.03.2024 | 2:33 min
Sprecher der Autobahn: "Sehr hohes Schutzniveau"
In vielen Fällen seien Brücken so konstruiert, dass Schiffe mit den Pfeilern nicht oder nur schwer kollidieren könnten, erklärt Hegger: "Bei den Rheinbrücken sind die großen Pfeiler und Pylone häufig am Rand des Flusses angeordnet, sodass die Flussöffnung komplett frei ist. Gibt es in der Mitte einen Pylon, dann ist er relativ massiv und keilförmig und würde ein Schiff, das dagegen fährt, sozusagen ablenken."
Auch bei den Brücken über den Nord-Ostsee-Kanal seien die Pfeiler meistens am Rande oder außerhalb des Fahrwassers angeordnet, "sodass die Schiffe dort eher auf Grund laufen würden, bevor sie den Pfeiler mit voller Wucht treffen".
Schiffexperte Friedrich Wirz sieht einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Stromausfall und der Manövriersituation des Schiffs. Er warnt aber vor vorschnellen Schlüssen.26.03.2024 | 8:20 min
Auf ein ähnliches Prinzip setzten auch die Konstrukteure der Hamburger Köhlbrandbrücke, die auf dem Weg zum modernen Container-Terminal Altenwerder liegt: "Neben der großen Fahrrinne stehen die Pfeiler auf Inseln", so Hegger. Das Schiff - selbst in der Regel mit Antikollisionseinrichtungen ausgestattet - würde auch hier eher auf Grund laufen.
Die Hamburger Hafenbehörde verwies am Dienstag außerdem darauf, dass große Hochseeschiffe in der Elbmündung einen Lotsen an Bord nehmen müssen und Schlepper das Schiff an den Liegeplatz und zurück ins Fahrwasser ziehen. Auch ein Sprecher der Autobahn GmbH des Bundes bekräftigt auf Anfrage:
Bereits seit Jahrzehnten werde beim Bau der Brücken darauf geachtet, dass die Pfeiler nicht in der Fahrrinne stehen und auch manövrierunfähige Schiffe im Ernstfall eher auf Grund laufen würden.
In der US-Hafenstadt Baltimore ist eine Autobahnbrücke eingestürzt. Wie konnte es zu dem Unglück kommen? Einschätzungen von ZDF-Korrespondentin Claudia Bates.26.03.2024 | 1:11 min
Stromausfall an Bord des Schiffes
Auf dem Schiff, das in Baltimore mit der Brücke kollidierte, gab es nach Angaben der Besatzung ein Problem mit dem Strom. Das bestätigte der Gouverneur des US-Bundesstaates Maryland, Wes Moore, am Dienstagmorgen (Ortszeit) in einer Pressekonferenz. Weitere Informationen zur Ursache gab es zunächst nicht. Moore betonte jedoch, die vorläufige Untersuchung deute auf einen Unfall hin.
Prof. Friedrich Wirz, der Leiter der Arbeitsgruppe Schiffsmaschinenbau an der TU Hamburg, hält im Interview mit ZDFheute live einen Stromausfall an Bord "für relativ plausibel". Es kommen laut Wirz mehrere Möglichkeiten in Betracht. Einen Sabotageakt kann Wirz jedoch "erstmal hier nicht erkennen."
Nach dem Brückeneinsturz in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland sind zwei Leichen aus dem Wasser geborgen worden. Die Ermittlungen zum Unfallhergang laufen an.