Reichsbürger-Razzia: Gefährliche Nähe zu Sicherheitsbehörden

    Nähe zu Sicherheitsbehörden:Reichsbürger-Razzien: Was wir wissen

    von Julia Klaus, Christian Rohde, Nils Metzger, Isabel de la Vega
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    Sie planten den Umsturz und haben enge Kontakte zu Polizei, Bundeswehr und Justiz. Bei einer Razzia im Reichsbürger-Milieu wurden 25 Personen wegen Terrorverdachts festgenommen.

    • 25 Menschen aus der Reichsbürgerszene bei Razzia festgenommen
    • Ihr mutmaßliches Ziel: Ein Staatsstreich, der Umsturz des politischen Systems in Deutschland
    • Kopf soll der Frankfurter Reichsbürger Prinz Heinrich XIII. Reuss sein
    • 22 Festgenommenen sollen Mitglied einer terroristischen Vereinigung sein, drei gelten als Unterstützer
    • Razzia mit 130 Duchsuchungen war einer der größten Polizeieinsätze gegen Extremisten in der Geschichte der Bundesrepublik

    Sie wollten sich bewaffnen und den Bundestag stürmen, planten einen Staatsstreich. In einer der größten Anti-Terror-Razzien Deutschlands wurden bundesweit am Mittwochmorgen 25 Personen aus dem Reichsbürger-Milieu festgenommen - 13 von ihnen sitzen bereits in Untersuchungshaft. Es geht um den Verdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung.
    Kopf soll der in Frankfurt wohnhafte Reichsbürger Prinz Heinrich XIII. Reuss sein. Auch das mutmaßliche Privathaus der ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Birgit Malsack-Winkemann wurde durchsucht, wie das ZDF erfuhr.
    Laut einer Sprecherin des Generalbundesanwalts sind bundesweit 3.000 Polizisten in elf Bundesländern im Einsatz - weitere Details:
    • über 130 Durchsuchungen
    • 52 Beschuldigte
    • 25 Personen festgenommen - davon sollen 22 Mitglieder und drei Unterstützer gewesen sein - eine Festnahme jeweils auch in Italien und Österreich
    • eine Festgenommene - Vitalia B. - ist Russin
    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem "Abgrund terroristischer Bedrohung". Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf Twitter davon, dass "ein bewaffneter Überfall auf Verfassungsorgane geplant war":
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    Pläne waren konkret und strukturiert

    Laut dem Generalbundesanwalt soll sich die Gruppe seit November 2021 auf den Umsturz des politischen Systems in Deutschland vorbereitet und dafür auch Gewalt sowie Tötungsdelikte in Kauf genommen haben.
    Dafür hatten sie einen Rat gebildet, eine Art Regierung. Dessen Kopf solle Reuss gewesen sein, als eine Art Justizministerin wurde die ehemalige AfD-Abgeordnete gehandelt.
    Zudem solle es auch einen militärischen Arm gegeben haben, dessen Kopf ein Rüdiger von P. gewesen sein soll. Diese Einheit habe sich zu bewaffnen versucht und auch Schießtrainings durchgeführt. "Angedacht war ein deutschlandweites System von Heimatschutzkompanien", so die Sprecherin.
    Symbolbild - Reichsbürger Pass, Nummernschild und Waffe
    "Reichsbürger", Selbstverwalter und Systemverweigerer – sie alle eint die Ablehnung des Staates, seiner Institutionen und der Demokratie. Und die Szene radikalisiert sich.16.12.2022 | 44:49 min

    Gefährliche Nähe zu Justiz, Bundeswehr und Polizei

    ZDFheute hat versucht, einige Mitglieder und ihre Hintergründe zu identifizieren. Mehrere der Personen sollen in den vergangenen Jahren bereits öffentlich mit verschwörungsideologischen Aussagen oder Gruppierungen in Erscheinung getreten sein. Unter den Beschuldigten sollen sich befinden:
    • ein pensionierter Bundeswehr-Oberst aus dem KSK
    • ein Ex-Fallschirmjäger, der in seiner aktiven Zeit Waffen aus ehemaligen NVA-Beständen entwendet haben soll
    • ein ehemaliger Polizist, der in einem Querdenken-nahen Verein Ämter innehatte
    • Die Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann ist weiterhin als Richterin aktiv
    • Alex Q. soll Betreiber eines der reichweitenstärksten deutschen QAnon-Kanäle auf Telegram sein. QAnon ist eine Verschwörungsideologie, der zufolge ein geheimer Staat regiere, ein "Deep State".
    Die Gruppe zeichnet sich insgesamt durch eine gefährliche Nähe zu Sicherheitsbehörden aus. Viele von ihnen sind auch bereits öffentlich in Erscheinung getreten. Es handelt sich also nicht um eine absolut klandestine Vereinigung. Wie genau sie sich vernetzt haben, ist indes noch nicht klar.
    Laut Generalbundesanwaltschaft haben einige der Mitglieder auch Dienst in der Bundeswehr geleistet. Zudem sei gezielt versucht worden, Soldaten und Polizisten anzuwerben. Im Sommer 2022 habe es dafür in Baden-Württemberg vier Treffen gegeben, im November versuchte unter anderem Rüdiger v.P., in Norddeutschland Polizisten anzuwerben. Im Oktober seien auch Bundeswehrkasernen ausgekundschaftet worden.
    Der Extremismus-Experte Miro Dittrich vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie sagt zu ZDFheute:

    Während der Pandemie hat sich im Reichsbürger-Milieu eine gefährliche Melange entwickelt. Schon wieder gibt es eine Gruppe, die glaubt, es brauche nur einen Funken, um den Tag X auszulösen.

    Miro Dittrich, Cemas

    Wer ist der Prinz?

    Prinz Reuss war in der Vergangenheit mit antisemitischen Reichsbürger-Inhalten aufgefallen. In Reden hatte er behauptet, Deutschland sei kein souveräner Staat und dass jüdische Eliten Kriege anheizen würden, weil sie ihnen nützten.
    Im Sommer war Reuss bei einem Vorfall in Bad Lobenstein anwesend, als der dortige Bürgermeister einen Journalisten angriff. Ein Sprecher des Hauses Reuss distanzierte sich daraufhin vom Prinzen, nannte ihn einen "verwirrten alten Mann", der Verschwörungstheorien aufsitze.
     Eine Demonstration auf einer Straße. Junge Männer schwenken Fahnen und halten Banner mit Aufschrift "Stoppt den großen Austausch" in die Kamera.
    Sie geben sich konservativ, bürgerlich und intellektuell. Und sie wollen keine Nazis und Faschisten sein: die "Neuen Rechten". Aber was wollen sie? Und was sind ihre Strategien?09.06.2021 | 44:26 min
    Eine der Verdächtigen - Vitalia B. - ist russische Staatsangehörige. Sie soll Reuss geholfen haben, Vertreter Russlands anzufragen - denn mit der Föderation wollte der Prinz verhandeln.

    Malsack-Winkemann aus Zivilkammer ausgeschieden

    Malsack-Winkemann war 2021 nicht erneut in den Bundestag eingezogen, durfte danach wieder als Richterin in Berlin arbeiten. Nach ihrer Festnahme ist sie zunächst nicht mehr an aktuellen Entscheidungen des Landgerichts Berlin beteiligt. Die Juristin ist am Mittwoch aus der Zivilkammer 19a ausgeschieden, die für Bausachen zuständig ist, wie eine Sprecherin des Gerichts auf Anfrage mitteilte.
    Die Berliner Justizsenatorin hatte an ihrer Verfassungstreue gezweifelt und beantragt, sie in den einstweiligen Ruhestand zu schicken. Dies war im Oktober abgelehnt worden - könnte jetzt aber erneut angestoßen werden. Berlins Justizsenatorin Lena Keck (Linke) sagte nach Malsack-Winkemanns Festnahme: "Wir werden alle Instrumente ausschöpfen, um die Beschuldigte vollständig aus dem Richterdienst zu entfernen."
    mit Material von dpa

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