Massenware Zimmerpflanzen:Grün, günstig, giftig
von Judith Paland und Hilmer Rolff
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Der Run auf exotische Zimmerpflanzen hat fatale Auswirkungen auf Menschen und Umwelt. Denn das schicke Grün wird im globalen Süden mit massivem Einsatz von Pestiziden produziert.
Es grünt in unseren Wohnzimmern. Zimmerpflanzen sind beliebt. Monstera und Co. haben sich zur Massenware entwickelt - mit Folgen für Mensch und Umwelt in den Produktionsländern.10.07.2022 | 28:40 min
Verbraucher und Verbraucherinnen fordern einwandfreie Ware: Zimmerpflanzen mit sattem Grün und intakten Blättern. Das erreichen die Züchter in den Ländern des globalen Südens durch den Einsatz von Pestiziden. Denn die empfindlichen Pflanzen müssen vor Krankheiten und Schädlingen geschützt werden.
Die giftigen Stoffe verteilen sich in der Umwelt, töten Insekten, kontaminieren Gewässer und sickern ins Grundwasser.
Perfide Pestizide
Der Gebrauch von Pestiziden wächst kontinuierlich. Heute werden weltweit rund vier Millionen Tonnen Pestizide jährlich auf landwirtschaftlichen Anbauflächen verteilt. Dabei erzielen die Hersteller ein Drittel ihrer Umsätze mit Wirkstoffen, die in der EU längst verboten sind, da sie von der WHO oder dem PAN (pesticide action network) als hochgradig schädigend für Menschen und Umwelt eingestuft wurden.
Trotz dieses Verbots in der EU, dürfen die Wirkstoffe jedoch weiter produziert und exportiert werden. Einer dieser gefährlichen Wirkstoffe ist die Chemikalie Propineb. Costa Rica ist ein wichtiger Exporteur von Zimmerpflanzen. Dort gehört der Wirkstoff zu den meistgenutzten Pestiziden im Zierpflanzenbau.
Wir kommen alle ständig in Berührung damit: Auf unseren Feldern, in unseren Vorgärten und inzwischen auch in unserem Essen: 15.000 Tonnen des Pestizids Glyphosat werden jedes Jahr in Deutschland eingesetzt. Der Wirkstoff ist ein Standard-Unkrautvernichter und wird in der Landwirtschaft, genauso wie von Hobby-Gärtnern und auf Kinderspielplätzen eingesetzt. Dabei steht Glyphosat seit Jahrzehnten im Verdacht giftig für den Menschen zu sein. Missbildungen bei Neugeborenen und Krebserkrankungen werden in immer neuen wissenschaftlichen Studien in Zusammenhang mit dem Wirkstoff gebracht.08.05.2013 | 28:33 min
Probineb gilt als krebserregend
Propineb ist in Fungiziden enthalten und soll die Pflanzen vor gefährlichen Pilzen schützen. Denn durch das Abschneiden von Stecklingen wird die Zimmerpflanze besonders anfällig für Krankheiten. Die Farmer versuchen ihre Pflanzen mit der Chemikalie zu schützen, um Ernteausfälle zu verhindern und die hohe Nachfrage nach perfekten Zimmerpflanzen in den Abnehmerländern zu befriedigen.
Bei ungeschützten Menschen verursacht Propineb Hautveränderung und Lungenkrankheiten und gilt als krebserregend. Im schlimmsten Fall enden diese Vergiftungen sogar tödlich.
Sehen Sie die Sendung "Vorsicht Zimmerpflanzen - Hype auf Kosten der Umwelt?" am Sonntag um 15:45 Uhr im ZDF oder jederzeit in der Mediathek.
Gift macht die Arbeiter krank
Etwa 13.000 Tonnen Pestizide wurden 2020 auf den landwirtschaftlichen Flächen allein in Costa Rica ausgebracht. Gemessen an der Menge pro Hektar Ackerfläche, belegt Costa Rica damit weltweit den vierten Platz beim Pestizideinsatz. Die Folgen sind verunreinigte Flüsse, auf lange Sicht unfruchtbare Böden, denn die Pestizide schädigen auch nützliche Bodenorganismen und vor allem kranke Arbeiter und Arbeiterinnen.
Den Beschäftigten vor Ort fehlt es oft an Schutzkleidung, Gebrauchsanweisungen sind in einer fremden Sprache verfasst und es fehlt an Aufklärung. Probleme, die in den meisten Ländern des globalen Südens vorherrschen. Weltweit sind 44 Prozent der Landarbeiter von Pestizidvergiftungen betroffen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 waren das rund 385 Millionen Menschen.
Exportverbot wäre möglich
Fernando Ramírez-Muñoz, Agronom und Pestizidexperte in Costa Rica, sieht die Hersteller in der Verantwortung:
Die wollen aber auch die Farmer machen und setzen reichlich Pestizide ein. Denn die Nachfrage nach dem perfekten Grün in Europa und den USA ist hoch und mehr verkaufte Pflanzen bringen auch mehr Gewinn.
Ein Exportverbot dieser Pestizide, zumindest aus Deutschland, wäre laut Bundespflanzenschutzgesetz möglich. Die Bundesregierung hat ein Verbot von solchen Exporten sogar in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt aktuell aber noch nicht vor. Solange andere Länder solche Pestizide produzieren, wäre das Problem damit aber auch nicht gelöst.