NS-Propaganda: Wie der Muttertag Opfer der Nazis wurde

    NS-Propaganda:Wie der Muttertag Opfer der Nazis wurde

    von Luca Karp und Peter Hartl
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    Hartnäckig heißt es, Hitler habe den Muttertag erfunden. Doch es gibt ihn schon seit 100 Jahren. Die NS-Propaganda hat diesen Tag allerdings umfunktioniert - mit bleibenden Folgen.

    Karte zum Muttertag von 1933
    Karte zum Muttertag von 1933 - die Nazis machten in diesem Jahr den Muttertag zum Feiertag.
    Quelle: imago

    Am Sonntag ist Muttertag - und während viele Kinder ihren Müttern zu diesem Anlass Karten und Blumen schenken, ist der Tag historisch nicht unbelastet: Die Nationalsozialisten erhoben den Muttertag gleich 1933 zum gesetzlichen Feiertag.

    Muttertag in Deutschland erstmals 1923 gefeiert

    Entgegen geläufiger Annahmen ist der Tag zu Ehren der Mütter aber keine Schöpfung der Nationalsozialisten. Die amerikanische Publizistin Anna Marie Jarvis ließ schon 1907 einen Gedenkgottesdienst für ihre verstorbene Mutter ausrichten. Ihr Vorstoß zog Kreise: 1914 etablierte der US-Kongress den Muttertag als nationalen Feiertag, mit Vorbildwirkung auch für Europa
    In Deutschland wurde er erstmals vor 100 Jahren, im Mai 1923, gefeiert - vor allem auf Betreiben der Floristenverbände.

    Auszeichnungen für Gebärmaschinen

    Die Nationalsozialisten wollten mit dem Muttertag als Feiertag ihrerseits die Frauen als Gesellschaftsgruppe umwerben - ähnlich wie mit dem "Tag der nationalen Arbeit" am 1. Mai die Arbeiter. Nach dem vorgegebenen Leitbild sollte Mutterschaft primär der "Reproduktion des deutschen Volkskörpers" dienen.
    Hitler selbst hatte das Kindergebären als "eine Schlacht" bezeichnet, die eine Frau "besteht für Sein oder Nichtsein ihres Volkes". In diesem Sinne wurde das von ihm 1938 gestiftete "Ehrenkreuz der deutschen Mutter" zum regelrechten (Höchst-)Leistungsabzeichen: für vier oder fünf Kinder gab es Bronze, für sechs oder sieben Silber, ab acht oder mehr Kindern die Goldmedaille.
    Die damit belohnte Herabstufung des weiblichen Teils der "Volksgemeinschaft" zu Gebärmaschinen fügte sich in das patriarchalische Familienbild: Die Mutter hatte Kinder zu bekommen und diese zu erziehen.
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    Frauen ersetzten Männerposten

    Im Ergebnis wurden Frauen aus Berufen gedrängt, die nicht als "typisch weiblich" galten. Paradoxerweise war es ausgerechnet der Krieg, der diese Entwicklung umkehrte. Frauen mussten Arbeiter, die an der Front verheizt wurden, in der Rüstung und im öffentlichen Dienst ersetzen.
    Inmitten des Bombenkriegs mussten Mütter zudem meist allein den Nachwuchs versorgen. Als der Zweite Weltkrieg in einer Katastrophe endete, waren es vielerorts Frauen, die den Neubeginn in den Trümmerstädten ermöglichten.

    DDR schaffte Muttertag ab

    Die damit einhergehende Eigenständigkeit wurde den Frauen in der restaurativen Bundesrepublik der Nachkriegszeit jedoch rasch wieder genommen. Für Führerschein, Berufswahl und Kontoführung bedurften Ehefrauen des Einverständnisses ihrer Gatten. In der DDR indes wurde der Muttertag abgeschafft, zugunsten des Internationalen Frauentags am 8. März.
    Dort waren auch Mütter von Beginn an stärker ins Berufsleben eingebunden und durch staatliche Kinderbetreuung entlastet, wenngleich dies vorwiegend der staatlichen Plansollerfüllung diente.

    Von Blumen zu gleichberechtigter Mitsprache

    In kleinen und größeren Schritten, manche davon auch wieder rückwärts, gelang es der Frauenbewegung, den obligatorischen Blumenstrauß zum Muttertag als Zeichen der Wertschätzung durch höhere Löhne, berufliche Aufstiegsmöglichkeiten und gleichberechtigte Mitsprache zu ersetzen.
    Die Folgen des einseitigen Mutterkultes geistern jedoch bis heute durch rechtsextreme Netzwerke. "Die Arbeit ehrt die Frau wie den Mann, das Kind aber adelt die Mutter" ist heute noch in einer rechtskonservativen Frauenzeitschrift zu lesen.

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