The Journeymen: Männer gegen Macho-Dominanz

    Mit "Journeymen" gegen Machos:Der andere Umgang unter Männern

    von Rosa Schmitz, Washington D.C.
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    Die Washingtoner "Journeymen" wollen toxisches männliches Verhalten eindämmen - dort wo Macht- und Konkurrenzgehabe dominiert. Erste Selbsterkenntnis: Männer müssen sich ändern.

    Ein Treffen der Journeymen
    Ein Treffen der Journeymen
    Quelle: Joshua Cogan

    "Das hier ist wichtig für mich", sagt Yosh mit einem zaghaften Lächeln. "Ich fühle mich isoliert und möchte dieses Gefühl auf jede erdenkliche Weise angehen." Die Journeymen, eine amerikanische Gruppe Männer, die sich selbst erkunden - ihre Einstellung, ihr Verhalten -, ist für ihn ein Ort, wo das beginnen könnte. Vor allem aktuell.

    The Journeymen: Sich mit anderen verbunden fühlen

    Ein Ort, wo er, ein Israeli, gleichzeitig halten und gehalten werden kann, führt er aus:

    Hier kann ich mich öffnen und mich mit anderen Männern nah und verbunden fühlen.

    Yosh

    Und nickt in Richtung der versammelten Gruppe. "Sonst bin ich zu sehr auf mich allein gestellt."

    Bekenntnis von Versagen im Kerzenschein

    An diesem ungewöhnlich warmen Herbstabend sind im Malcom X Park nur eine Handvoll von den mittlerweile 50 Mitgliedern der Journeymen in Washington D.C. zusammengekommen.
    Sie sind eine bunte Truppe: junge Erwachsene, Männer mittleren Alters, Weiße, Schwarze, Hispanoamerikaner, Muslime, Juden. Sie kommen meist direkt von der Arbeit. Männer mit verschiedenen Berufen. "Wir alle versagen in Teilen unseres Lebens", sagt Joshua Cogan, Gründer der Gruppe. "Das gehört zum Menschsein dazu. Aber wir brauchen einen Ort, um diese Dinge auszudrücken. Deswegen sind wir hier."
    Mann mit Bart, der Autor Fikri Anıl Altıntaş
    Wie und warum Social Media das Klischee von Männlichkeit verfestigen. 07.10.2021 | 5:58 min
    Zwischen zwei Baumreihen bilden die Männern einen engen Kreis aus Kissen und Decken. Cogan leitet das Treffen zur Entspannung mit ein paar Atemübungen ein. "Wir beginnen heute mit einer längeren Meditation", sagt der 47-jährige Fotojournalist. Während er spricht, zünden die anderen Kerzen an, verbrennen Salbei. Die Luft füllt sich mit einem süßen, wärmenden Rauch, voller Vanille- und Sandelholznoten.

    Meditation als Einstieg in den Austausch

    Das Treffen verläuft sehr ruhig. In der ersten halben Stunde redet kaum einer. Die Männern konzentrieren sich auf ihren Herzschlag, auf das Senken und Heben ihrer Brust. Sie halten Hände. Streicheln sich gegenseitig über den Rücken. Drücken zärtlich die Schulter eines andern. Das Mondlicht beleuchtet ein paar vereinzelte Tränen, während die Anspannung der Woche ihre Körper verlässt.
    Die Journeymen leben Nähe
    Die Journeymen leben Nähe unter Männern.
    Quelle: Joshua Cogan

    Dann sprechen die Journeymen offen über Streitigkeiten, Gewalt - auch Krieg. Darüber, wie Konflikte gewaltlos zu lösen wären. Sie wollen bessere Menschen werden - in einem Land voller Macho-Attitüde.
    "Lädt man Männer ein, anders miteinander umzugehen, tun sie das auch", erklärt Cogan.

    Kein Thema ist hier tabu. Komplexe Themen zu besprechen, ist genau das, was starke Beziehungen aufbaut.

    Joshua Cogan

    Die seien nötig, um Gefühl von Isolation zu mildern.

    Gefühle verbergen - höhere Suizidrate bei Männern

    Es ist ein landesweites Problem. Die US-Gesundheitsbehörden analysieren eine "Epidemie der Einsamkeit", sagt Vivek H. Murthy, der oberste Arzt des Landes und wichtigster Gesundheitsberater der US-Regierung. Erkrankungen und Selbstmordraten sind in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen.
    Collage in grün-gelb gehalten: Gelbes Fragezeichen links, Andrew Tate mit Vollbart in grün.
    Andrew Tate gilt als der "König der toxischen Männlichkeit" und Alpha-Mann. Die Polizei ermittelt wegen Vergewaltigung und Menschenhandel.13.05.2023 | 15:17 min
    Die amerikanische Stiftung für Suizidprävention gibt an, dass 2021 Männer viermal häufiger durch Selbstmord starben als Frauen. Dies sei zu einem großen Teil auf die weitverbreitete Überzeug zurückzuführen, dass Männer ihre Gefühle verbergen sollten, insbesondere vor anderen Männern.

    Journeymen wollen "Wiederherstellung der Menschlichkeit"

    Die Behörden kommen zu dem Schluss: Der Preis dafür - die weiterwachsende Isolation - ist zu hoch. Er kann das Risiko eines vorzeitigen Todes in einem Ausmaß erhöhen, das mit dem Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag vergleichbar sei. Auch entstehe ein erhöhtes Risiko für Herzerkrankung, Schlaganfall und Demenz.

    Menschen sind nämlich auf soziale Kontakte ausgerichtet.

    Vivek H. Murthy, Gesundheitsberater US-Regierung

    Cogan hat Journeymen vor Beginn der Corona-Pandemie gegründet. Um Männern Raum zu geben, "ihre volle Menschlichkeit" wiederherzustellen.

    Oft fehlt es ihnen [Männern] an Räumen, um auszudrücken, wer sie sind.

    Joshua Cogan, Gründer "The Journeymen"

    Emotionale Starre bei Männern abbauen

    "Bei uns sagt dir niemand, was männlich ist", so Cogan. Hier können sie "toxischem Verhalten" entkommen. Es hilft schon, offen über Konflikte im Alltag und in der Welt sprechen zu können. Selbst wenn sie nicht all diese Probleme lösen können. "Ich verwende eigentlich ungern Worte wie 'toxische Maskulinität' oder 'Patriarchat'", sagt Cogan. "Diese können zwar hilfreich sein, um Strukturen zu verstehen, aber sie können auch entfremden."
    Scham sei ein verbreitetes und blockierendes Gefühl. Hebe man das noch mehr hervor, stärke man das emotionale "Erstarren" von Männer. Dann falle es ihnen noch schwerer, darüber zu reden, was in ihnen vorgeht und tiefer gehende Gespräche in Gang zu bringen.
    "Ich kann die Gruppe anderen Männern nur empfehlen", sagt Yosh. "Sie bietet Unterstützung, die jedem etwas bringt."

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