Verurteilte Linksextreme Lina E. vorläufig auf freiem Fuß

    Urteil gegen Linksextremistin:Lina E. vorläufig auf freiem Fuß

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    Nach dem Urteil gegen Lina E. zu fünf Jahren Haft wurde es jetzt vorläufig außer Vollzug gesetzt. Damit ist die Linksextremistin auf freiem Fuß, bis das Urteil rechtskräftig ist.

    Die als linke Gewalttäterin zu fünf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilte Lina E. kommt nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft vorerst frei. Der Haftbefehl gegen sie werde gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, sagte Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender Richter der Staatsschutzkammer am Oberlandesgericht Dresden, am Mittwochabend zum Abschluss der Urteilsbegründung. Die Reststrafe muss sie erst verbüßen, wenn das Urteil rechtskräftig wird.

    Linksextreme musste Ausweise abgegeben

    Lina E. muss sich nun zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, darf den in der Akte vermerkten Wohnsitz nur mit Zustimmung des Gerichts wechseln und muss nach ihrem Reisepass auch den Personalausweis abgeben. Das Oberlandesgericht hatte die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme verurteilt. Es ließ Revision zu.
    Die Entscheidung zum Haftbefehl löste vor allem bei der Mutter der 28-Jährigen freudige Überraschung aus, die in frenetischem Beifall und Gejohle der Unterstützer um sie herum gipfelte. Schlüter-Staats hatte einleitend zu der aus Kassel stammenden Studentin gesagt:

    Fünf Jahre drei Monate ist für jemanden in ihrem Alter und auch sonst heftig und gravierend.

    Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender Richter

    Die "größte Hypothek des Verfahrens ist der Status, den sie hier erlangt haben", bemerkte er noch persönlich.

    Mitangeklagte ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt

    Lina E. hatte das Gericht innerhalb der Gruppe "eine herausgehobene Stellung" zugesprochen. Den von der Bundesanwaltschaft eingebrachten Vorwurf der Rädelsführerschaft bestätigte das Gericht nicht. Nicht zuletzt habe die Gruppe "gemeinsame linksextremistische Überzeugungen" geteilt mit dem Ziel, Rechtsextremisten durch gewaltsame Überfälle erheblich zu verletzen und eine "Signalwirkung" für die rechte Szene zu schaffen.
    Die mitangeklagten Männer erhielten Haftstrafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten wegen Mitgliedschaft beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Ob ihre haftbefehle ebenfalls vorläufig außer Vollzug gesetzt wurden, ist bislang unklar.
    Zu sehen ist die Verurteilte Lina. E, die sich hinter einem Aktenordner versteckt; im Hintergrund ihre Verteidiger.
    Fünf Jahre und drei Monate Haft gegen Linksextremistin Lina E. - wie hart ist dieses Urteil?31.05.2023 | 31:51 min
    Das Urteil gegen Lina E. wird kontrovers diskutiert. ZDFheute live hat darüber mit einem Strafrechtler gesprochen:
    Bis auf Angaben zur Person schwiegen die Beschuldigten zu den Vorwürfen. Nur Lina E. ergriff beim "letzten Wort" die Chance und bedankte sich bei ihren Eltern, Angehörigen, allen Unterstützern und Verteidigern. Zu diesem Zeitpunkt war ihr das mögliche Strafmaß schon bekannt.

    Gericht bleibt unter Forderung der Bundesanwaltschaft

    Mit dem Urteil blieb das Gericht unter der Forderung der Bundesanwaltschaft, die für E. acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert hatte. Für die drei mitangeklagten Männer hatte die Bundesanwaltschaft in dem seit September 2021 laufenden Prozess zwischen zwei Jahren und neun Monaten sowie drei Jahren und neun Monaten Haft beantragt.
    Strafrechtler Prof. Gerhold erklärt, wie das Strafmaß zustande gekommen ist:
    Die Bundesanwaltschaft hatte den Angeklagten vorgeworfen, zwischen 2018 und 2020 Leute aus der rechten Szene in Leipzig, Wurzen und Eisenach brutal zusammengeschlagen zu haben.
    Richter Schlüter-Staats betonte in seiner mehrstündigen Urteilsbegründung, dass solche Angriffe "schwere Straftaten" blieben, auch wenn das Motiv achtenswert sei.

    Rechtsextremisten entgegenzutreten ist ein achtenswertes Motiv.

    Hans Schlüter-Staats, Vorsitzender Richter

    Er betonte, von rechter Gewalt gehe die größte Gefahr aus. Bei aller nachvollziehbaren Kritik an Defiziten bei der Verfolgung rechter Taten liege das Gewaltmonopol jedoch beim Staat.

    Unterstützer protestieren nach Urteilsverkündung

    Für die Verteidigung kamen nach dem Prozessverlauf nur Freisprüche infrage, sie hält den Prozess für politisch motiviert und am falschen Ort geführt. Allein der Umstand, dass die GBA die Ermittlungen an sich zog, habe zu höheren Strafanträgen geführt, argumentierten sie in ihren Plädoyers. Sie sahen ihre Mandanten einer Vorverurteilung ausgesetzt und warfen den Bundesanwälten vor, bei der Verurteilung rechter und linker Straftäter unterschiedliche Maßstäbe anzusetzen.
    Unterstützer und Sympathisanten hatten im Saal lautstark gegen das Urteil protestiert. Nach Verkündung des Strafmaßes unterbrach der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats die Verhandlung, weil Zuschauer "Faschofreunde" und "Scheiß Klassenjustiz" zur Richterbank skandierten.
    Lina E. wurde von Anhängern "wie ein Star" gefeiert, berichtet ZDF-Reporterin Steffi Moritz-Möller:

    Innenministerin droht mit Konsequenzen im Fall von Krawallen

    Bundesjustizminister Marco Buschmann begrüßte das Dresdner Urteil: "Extremismus bekämpft man nicht mit Extremismus. Wir müssen unsere liberale Demokratie schützen vor ihren Feinden, doch nicht mit Selbstjustiz", schrieb der Politiker der FDP auf Twitter. Recht und Gesetz gelten für alle, hieß es weiter.

    Wo die Grenzen der Rechtsordnung überschritten werden, sind Staatsanwaltschaft & Polizei gefordert.

    Marco Buschmann, Bundesjustizminister

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser hob nach dem Urteil die Gefahr des Linksextremismus hervor. Faeser erklärte in Berlin:

    In linksextremistischen Gruppen sind Hemmschwellen gesunken, politische Gegner auch mit äußerster Brutalität anzugreifen.

    Nancy Faeser, Bundesinnenministerin

    "Diese Radikalisierungs- und Gewalt-Spirale darf sich nicht weiterdrehen", so die Innenministerin. Zugleich drohte die Politikerin der SPD der linken Szene mit Konsequenzen, sollte es zu Krawallen infolge des Urteils des Oberlandesgerichts Dresden kommen.

    Lina E. bereits seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft

    In der linken Szene wurde bereits vor Prozessende zu Demonstrationen für Lina E. und ihre Mitstreiter aufgerufen. In Leipzig demonstrierten am Mittwochabend rund 500 Personen gegen die Verurteilung. Für den kommenden Samstag mobilisiert die linksradikale Szene überregional zu einem großen "Tag X" nach Leipzig. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen und bereitet einen Großeinsatz vor.
    Laut Verfassungsschutzbericht steigt die Anzahl von Menschen mit extremistischen Ansichten:
    Quelle: ZDF, dpa, AFP, Reuters

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