Warum Oscar Pistorius vorzeitig freikommt

    Nach Tod von Reeva Steenkamp:Warum Oscar Pistorius vorzeitig freikommt

    Verena Garret, Leiterin ZDF-Studio Johannesburg
    von Verena Garrett, Johannesburg
    |

    Als Sprinter mit Karbonprothesen wurde Oscar Pistorius weltberühmt, 2013 erschoss er seine Freundin. Jetzt ist er wieder frei - auf Bewährung.

    Oscar Pistorius kommt am 21. Oktober 2014 im North Gauteng High Court in Pretoria, Südafrika, an.
    Der frühere südafrikanische Paralympics-Star Oscar Pistorius kommt heute vorzeitig auf Bewährung frei. Er war wegen Mordes an seiner Freundin zu 13 Jahren Haft verurteilt worden.05.01.2024 | 0:17 min
    Monatelang beherrschte der Prozess um Oscar Pistorius die Medien, er ging durch mehrere Instanzen. Dreimal stand er vor Gericht. Jedes Mal wurde das Strafmaß erhöht. Ursprünglich hieß es: 5 Jahre wegen fahrlässiger Tötung, später wurde er zu 13 Jahren und 5 Monaten Haft verurteilt. Nun wurde Pistorius freigelassen - auf Bewährung.

    Pistorius schießt vier Mal auf Reeva Steenkamp

    In der Nacht des 14. Februar 2013 erschoss er seine Freundin Reeva Steenkamp in seinem Haus in Pretoria. Vier Mal feuerte er seine Waffe ab, durch die geschlossene Badezimmertür. Reeva Steenkamp verblutete. Pistorius wird verhaftet und abgeführt, es sei ein furchtbarer Unfall gewesen, sagte er. Er habe sie für einen Einbrecher gehalten.

    Oscar Pistorius – Ausnahmeathlet, Nationalheld, Sportidol. Man nannte ihn "Blade Runner", weil er der schnellste Läufer ohne Beine war. Als Sprinter mit Karbonprothesen wurde er weltberühmt. Bis heute ist er der berühmteste Sportler mit Handicap. Sechs Mal hatte Pistorius Gold bei den Paralympics gewonnen, 2012 trat er als erster Sportler mit Prothesen bei den olympischen Spielen an. Der Südafrikaner wurde zum Symbol dafür, dass das Unmögliche möglich ist. Dafür wurde er weltweit bewundert.

    Im März 2014 wird der damals 27-jährige wegen Mordes an Reeva Steenkamp angeklagt. Er plädiert auf nicht schuldig. Die Welt kann den Fall des Helden live im Fernsehen verfolgen.

    Die Tat und der Prozess warfen ein Licht auf das Problem der häuslichen Gewalt im Land: "Alle wussten alles: in welcher Position Reeva Steenkamps Körper aufgefunden wurde, wo sie getroffen wurde, welche Art von Munition in der Waffe war.
    Es gab so viele Analysen, die diesem Verbrechen in allen Teilen des Justizsystems gewidmet wurden", sagt Dr. Nachema Brodie, Professorin für Journalismus an der Universität von Johannesburg. Ihr Schwerpunkt: geschlechtsspezifische Gewalt und das südafrikanische Justizsystem.

    Professorin: Pistorius mit Privilegien in Südafrika

    Laut Statistik wird in Südafrika alle drei Stunden eine Frau getötet. Meist von Männern, meist kennen sich Opfer und Täter. Zum Prozess oder gar zur Verurteilung kommt es selten.
    Es gebe viele Gesetze, die das Recht der Frauen schützen - dass sie in ihren Häusern, in ihrer Gemeinschaft sicher sind. Aber in der Realität sei das nicht der Fall, erklärt Brodie.

    Frauen in Südafrika sind nicht sicher. Zu Hause nicht, auf der Straße nicht, nicht wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen und nicht am Arbeitsplatz.

    Dr. Nachema Brodie, Professorin für Journalismus an der Universität von Johannesburg

    Daran hätte auch der Prozess nichts geändert. Denn der große Hype in den Medien habe weniger dem Opfer Reeva Steenkamp gegolten, kritisiert Brodie, als dem ehemaligen Superstar Pistorius. Er habe als reicher, berühmter und weißer Mann auf Privilegien zurückgreifen können, die die Allermeisten im Land nicht haben.

    Wir sehen, dass man, wenn man Geld und Macht hat, viel schneller Zugang zu dem Gesetzeswerk und der Verfassung hat, die in Südafrika gelten. Und natürlich sind die Leute, die Geld und Macht haben, die Minderheit derer, die durch das Justizsystem gehen.

    Dr. Nachema Brodie, Professorin für Journalismus an der Universität von Johannesburg

    Bewährung: Gemeinnützige Arbeit und Wut-Therapie

    Seit Ende 2014 war Oscar Pistorius im Gefängnis. Schwerkriminelle müssen in Südafrika mindestens die Hälfte ihrer Strafe absitzen, um für eine Bewährung in Frage zu kommen. Pistorius hat das getan. Seine Entlassung - nichts Außergewöhnliches, so Rechtsanwalt Jean-Pierre Venter in Johannesburg. Pistorius sei ein Vorzeige-Häftling gewesen, sagt er im ZDF-Interview.
    13 Jahre Haft für Pistorius
    Oscar Pistorius 2016 bei einem Gerichtstermin in Pretoria, Südafrika.
    Quelle: ap

    Und er hätte ein stabiles familiäres Umfeld, was ihn unterstütze: "Die Entlassung auf Bewährung ist für Pistorius eine Möglichkeit, seine Strafe zu beenden. Aber Bewährung bedeutet nicht, dass er ein freier Mann ist. Es bedeutet, dass er seine Strafe unter Auflagen außerhalb der Justizvollzugsanstalt beenden wird."
    Das neue Leben von Oscar Pistorius ist 5 Jahre lang an Bedingungen geknüpft: er muss eine Wut-Therapie absolvieren und gemeinnützige Arbeit leisten. Interviews darf er keine geben. Und Pretoria, wo er leben wird, darf Oscar Pistorius nicht ohne Genehmigung verlassen.
    Verena Garrett ist Leiterin des ZDF-Auslandsstudios in Johannesburg.

    Mehr zum Thema Kriminalität