Krönung von König Charles III.: Mittelalterliche Riten

    Mittelalterliche Riten:Ist Charles' Krönung noch zeitgemäß?

    Hilke Petersen, ZDF-Korrespondentin in London
    von Hilke Petersen
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    König Charles III. regiert, und das bereits monatelang ganz ohne Krönung. Europäische Königshäuser haben das Ritual längst abgeschafft. Die Briten hingegen halten daran fest.

    London im Krönungsfieber
    Die feierliche Krönung König Charles III. rückt immer näher. Mit dabei sein werden auch Stargäste, wie Lionel Richie und Katy Perry. Vorfreude und Anspannung steigen in London zusehends.05.05.2023 | 2:10 min
    Häppchenweise lässt der Palast seit Monaten Details raus: Wie wird die Krönung von Charles und Camilla in der Westminster Abbey ablaufen? Welche Juwelen, welche Insignien kommen zu Einsatz? Wer darf unterschiedliche Schwerter anreichen im Gottesdienst, die die Rollen des Monarchen symbolisieren: Etwa als Verteidiger des Glaubens, Zeichen seiner Gnade, seiner Position als Oberhaupt der Armee.
    Im Zentrum der alten Zeremonie: Die heilige Ölung - als Zeichen, dass der Monarch gottgewählt sei. Jede Menge Spekulationen hatte es gegeben, ob der Moment von den Kameras in die Welt übertragen werde. Oder ob göttliche Intimität das verbietet, zudem muss in Charles Brustbereich Kleidung zur Seite gerückt werden.











    Nun wird es so sein, dass der König abgeschirmt hinter einem Paravent gesalbt wird. Der Löffel, auf den das Öl ausgegossen wird, ist 1349 zum ersten Mal erwähnt worden - und wird schon damals als "antik" beschrieben. Mehr muss man kaum wissen über die uralte Zeremonie und ihre Rituale.
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    Nach dem Tod von Queen Elizabeth II. erbt ihr Sohn Charles, der scheinbar ewige Thronfolger, ein schwieriges Amt.20.09.2022 | 43:40 min

    Die PR-Strategie des Palasts

    Wer braucht das alles noch - fragen die Kritiker der immerhin etwa 100-Millionen-Pfund-teuren Veranstaltung. Vor allem junge Briten interessieren sich laut Umfragen nicht besonders dafür. Dennoch wird die Krönung weltweit Millionen von Fernsehzuschauern haben. 2.200 Gäste werden in der Westminister Abbey sitzen. Der Palast betont: Das sei ein Zeichen für Reform und Verschlankung der herkömmlichen Krönungsfeier.

    König Charles III. und die Königsgemahlin Camilla, aufgenommen von Hugo Burnand, im "Blue Drawing Room" des Buckingham Palace
    Quelle: dpa

    Charles III. wird am 14. November 1948 als ältester Sohn der späteren Königin Elisabeth II. und ihrem Mann Prinz Philip geboren. Er studierte in Cambridge Archäologie, Anthropologie sowie Geschichte, außerdem hat er drei militärische Fünfsterneränge der Flotte, Armee und Air Force.

    Aus seiner ersten Ehe mit Lady Diana Spencer (1981 – 1996) stammen die Söhne William und Harry. Nach vielen Skandalen und Affären ließ sich das Paar 1996 scheiden. Ein Jahr später verunglückte Lady Diana bei einem Verkehrsunfall tödlich. 1999 trat Charles erstmals gemeinsam mit seiner langjährigen Geliebten Camilla Parker Bowles auf, 2005 heirateten die beiden.

    Mit dem Tod seiner Mutter am 8. September 2022 wurde der damals 73-jährige Charles III. König des Vereinigten Königsreichs von Großbritannien und Nordirland.

    Quelle: ZDF

    1953, bei der Krönung der Queen, waren es immerhin 8.000 gewesen. Stück für Stück lässt das königliche Protokoll raussickern, was neu, modern und anders sein wird an der Krönung 2023. Wohl in der Hoffnung, dass hängenbleibe, dass Prinz Charles dem Ritual neuen Schwung gibt – und damit vielleicht auch der Monarchie. Auch wenn er mit 74 Jahren der älteste je in Großbritannien gekrönte König ist.

    Feier folgt den alten Regeln

    Gebrauchte Gewänder kommen zum Einsatz, so eine weitere frohe Botschaft vom Protokoll an die Presse. Ganz so, als hinge der König dem Londoner Fashiontrend an, "pre-loved"-Kleidung zu tragen - also Vintage und Second Hand-Klamotten. Dass Charles den Ruf hat, sich im Laufe seines Lebens stets für Nachhaltigkeit eingesetzt zu haben, lässt die Vision fast schon stimmig erscheinen. Am Ende aber ist es schlicht so: Er wird das goldschimmernde imperiale Gewand von König George IV. von 1821 tragen.
    Und weil die Regeln vorsehen, dass der Monarch im Laufe der Zwei-Stunden-Zeremonie mehrfach umgezogen wird, trägt er zur Ölung dann ein simples Leinen-Hemd - als Zeichen weltlicher Wahrhaftigkeit vor Gott. Sein Großvater König George VI. machte das 1937 genauso. Die Feier folgt in ihrem heiligsten Kern den alten Regeln.

    Modernisierungs-Versuche des Königshauses

    Dass sein Königreich multinational ist und deshalb auch religiös vielfältig, möchte Charles auch in seinem Gottesdienst ausdrücken. Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen sind eingeladen und wirken mit. Premierminister Rishi Sunak, der Hindu ist, wird aus der Bibel lesen. Der König ist "Defender of the faith", Verteidiger der anglikanischen Kirche. Schon Henry VIII. erhielt den Titel vom Papst.

    • Die Gäste kommen aus 203 Ländern, etwa 100 Staatsoberhäupter sind darunter.
    • Für Deutschland Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
    • Europa vertritt EU- Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
    • Gäste von Wohltätigkeits-Vereinigungen sind geladen, etwa aus dem von Charles gegründeten Princes Trust für benachteiligte junge Menschen. Es sindauch solche dabei, die mit Hilfe von Stipendien gute Karrieren machen konnten.
    • Aus europäischen Königsfamilien und dem Hochadel reisen viele an -  aus Schweden, Spanien, Dänemark, Niederlande oder Monaco.
    • Auffallend wenige Abgeordnete aus dem benachbarten Westminster-Parlament sind geladen, stattdessen werden sie sich wohl mit Public Viewing begnügen müssen.
    • Die sogenannten First Minister aus den Landesteilen Schottland, Wales und Nordirland werden erwartet.
    • Auch der abtrünnige Sohn, Prinz Harry, wird erwartet. Er lässt seine Herzogin zuhause im kalifornischen Exil. Über Meghans Erscheinen hatte es wohl die meisten Spekulationen gegeben. Harry plane, so heißt es, einen "flying visit": 24 Stunden, einmal Krönung und zurück.

    Charles aber machte bereits vor Jahren klar, wie er den Auftrag versteht: Es gehe ihm um Inklusion anderer Glaubensrichtungen und den Schutz von deren Gottesdiensten in Großbritannien. Am Ende sollen Juden, Sikhs, Muslime, Buddhisten und Hindus dem gekrönten König einen Gruß übermitteln. Eine zeitgemäße Geste soll auch das sein.
    ZDF-Korrespondent Andreas Stamm in London
    "Es kommen 100 Staatsoberhäupter aus aller Welt" und "die Stimmung ist richtig gut", so ZDF-Korrespondent Andreas Stamm aus London über die anstehende Krönung von Charles III.05.05.2023 | 3:18 min

    In diesem Jahr dürfen alle ihre Treue schwören

    Die diesjährige Krönung können sie im Buckingham-Palast schon üben. Dort steht ein Modell der Westminster Abbey, um verteilte Rollen während der Zeremonie einzustudieren. Auch, um die Kirche für die Öffentlichkeit nicht zu lange schließen zu müssen. Für Proben vor der Krönung von Queen Elizabeth II. blieb das Gebäude vor 70 Jahren monatelang geschlossen. Undenkbar heute, auch angesichts der finanziellen Lage der Kirche.

    Am 6. Mai 2023 findet in der Westminster Abbey die Krönung von Charles III. und Camilla statt und beginnt um 11 Uhr (Ortszeit, 12 Uhr MEZ) mit einem Gottesdienst, geleitet vom Erzbischof von Canterbury. Rund 2.000 geladene Gäste werden erwartet.

    Charles III. wird, wie auch seine Mutter die Edwards-Krone tragen, sie wurde für ihn angepasst und erhielt ein eigenes Emoji. Das Königspaar wird in einer 260 Jahre alten goldenen Staatskutsche von der Westminster Abbey zurück in den Buckingham Palast fahren.

    Zur Krönung werden neben Thronfolger Prinz William, seiner Ehefrau Kate auch Charles jüngerer Sohn Harry anwesend sein. Über die Teilnahme Harrys war wegen Familienstreitigkeiten lange spekuliert worden.

    Quelle: ZDF

    Und mit einem Ruck, der durch die Krönungsgemeinde und am besten das ganze Land gehen soll, versucht der Palast sich noch einmal an Modernisierung. Traditionell schwören nur Mitglieder der Aristokratie dem König die Treue:

    I swear that I will pay true allegiance to your majesty, and to your heirs and successors according to law. So help me God.

    Der Treueschwur an den König

    Diesmal sind alle eingeladen, den Eid zu sprechen: Die Gäste im Gottesdienst, diejenigen vor den großen Screens in Londoner Parks, Zuschauer vor dem Fernseher in den Commonwealth-Staaten. Ein Vorschlag auf heiklem Grat: Übergriffig, finden viele.
    Köne des Königreichs Bayern
    Edelsteine und andere Schätze der Natur11.05.2023 | 29:45 min
    Es ist nicht einfach, modern erscheinen zu wollen, wenn man bereits seit dem Jahr 1066 Könige und Königinnen krönt. Verglichen mit den Versuchen jetzt, fiel es Queen Elizabeth 1953 bei ihrer Krönung fast leicht: Denn sie war erstens eine Frau und zweitens erst 27 Jahre alt. Für die damalige Zeit war eine junge Frau in einer Machtposition alles andere als selbstverständlich. Es war zudem das erste Mal, dass ein royales Großereignis live und weltweit im TV übertragen wurde.
    Hilke Petersen ist Leiterin des ZDF-Studios London.