Folgen für den Pazifik:Wieso Fukushima-Wasser ins Meer geleitet wird
von Michael Wiedemann
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Zwölf Jahre nach dem Unfall von Fukushima wird Kühlwasser aus der Atomruine entsorgt. Was das für den Pazifik bedeutet und welches radioaktive Isotop nicht gefiltert werden kann.
Japan erlaubt, das Kühlwasser aus den zerstörten Reaktoren in Fukushima ins Meer zu leiten. (Archivfoto)
Quelle: dpa
Seit März 2011 haben sich mehr als 1,3 Millionen Tonnen Kühlwasser, das zur Kühlung der zerstörten Reaktoren von Fukushima benötigt wurde, angesammelt. Bislang wurde dieses Wasser in rund 1.000 Tanks, die direkt neben den Ruinen der Meiler stehen, gespeichert. Doch der Platz dort ist begrenzt und die Frage dringlich, was mit dem Wasser geschehen soll.
Am Donnerstag hat Japan mit der umstrittenen Einleitung des Kühlwassers aus der ins Meer begonnen. Das gab der Betreiberkonzern Tepco bekannt.
Kühlwasser ins Meer entspricht globalen Sicherheitsstandards
Nach jahrelanger, kontroverser Debatte, ob es im Pazifik entsorgt werden kann, hatte die Internationale Atombehörde IAEA der japanischen Regierung dazu ein unabhängiges, positives Prüfergebnis überreicht. Die Entsorgung des Kühlwassers im Meer entspricht globalen Sicherheitsstandards.
"Das hört sich zunächst wie eine schreckliche Idee an, ist aber tatsächlich vernünftig und sicher", stellt Nigel Marks, Professor für Physik und Astronomie an der Universität in Perth/Australien, fest:
Ähnliche Einleitungen gibt es seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt und es ist noch nie etwas Schlimmes passiert.
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Prof. Nigel Marks, Curtin Universität, Perth
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Verklappung von AKW-Kühlwasser ist Routine
La Hague am Ärmelkanal, Sellafield an der Irischen See, aber auch Yangjiang am Südchinesischen Meer oder das koreanische Kori am Japanischen Meer. Weltweit leiten Atomkraftwerke seit Jahrzehnten regelmäßig Kühlwasser von Kernkraftwerken ins Meer. Auch in Mengen, die deutlich höher sind als die geplanten von Fukushima.
Dessen rund 1,3 Milliarden Liter entsprechen in etwa der Wassermenge von 520 Olympia-Schwimmbecken. Gereinigt und von Radionukliden weitgehend befreit, wird es nun durch einen ein Kilometer langen Tunnel ins Meer gepumpt.
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Reinigungssystem filtert nicht alles aus dem Kühlwasser
Doch das eingesetzte Reinigungssystem Advanced Liquid Processing System (ALPS), das dem Kühlwasser immerhin 62 Radionuklide zu entziehen vermag, kann Tritium - ein radioaktives Wasserstoff-Isotop - nicht herausfiltern.
Für Marks ist das aber kein Problem, weil das eingeleitete Quantum an Tritium, verglichen mit der natürlichen Menge dieses Isotops im Meer, verschwindend gering ist: "Der Pazifische Ozean enthält 8.400 Gramm reines Tritium, während Japan jedes Jahr 0,06 Gramm Tritium freisetzt."
Die winzige Menge an zusätzlicher Strahlung wird nicht den geringsten Unterschied machen.
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Prof. Nigel Marks, Curtin Universität, Perth/Australien
Fischer befürchten finanzielle Einbußen
Tony Irwin, Professor für Nuklearphysik an der Australian National University in Canberra, ist da anderer Meinung. Besonders die Tatsache, dass die Meere ohnehin einer Vielzahl von Stressfaktoren ausgesetzt seien, ließe befürchten, dass es durch die Einleitung des Wassers zu negativen Auswirkungen im Ökosystem Meer kommen könnte:
Die von TEPCO [Betreiber des Atomkraftwerks Fukushima] erstellte (…) radiologische Umweltverträglichkeitsprüfung ist mangelhaft und unzureichend, ebenso wie die Überwachungspläne und -ansätze, die sich nicht mit dem Ökosystemschutz (…) befassen.
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Prof. Tony Irwin, Australian National University in Canberra
Die Fischerei der Region Fukushima befürchtet große Umsatzeinbußen bei ihren Produkten. Aber nicht nur bezüglich des heimischen Markts.
Hongkong kündigte an, Meeresprodukte aus der betroffenen Region zu verbieten; China selbst will die Einfuhr japanischer Lebensmittel grundsätzlich strenger regulieren.
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Külwasserverklappung soll Jahrzehnte dauern
Die Einleitung des Kühlwassers von Fukushima in den Pazifik wird mutmaßlich noch mehrere Jahrzehnte andauern. Nach Meinung von Tony Hooker, Direktor des Zentrums für Strahlungsforschung, Bildung und Innovation an der Universität Adelaide in Australien, entspräche dieser Entsorgungsplan zwar den wissenschaftlichen Anforderungen und hätte wahrscheinlich keine Auswirkungen auf die Umwelt oder die menschliche Gesundheit. Aber die hier praktizierte Verdünnung des Kühlwassers könne nicht länger die Lösung für Umweltverschmutzung sein.
Während die Japaner ihre Abwässer in der Zwischenzeit entsorgen (…), wäre dies eine gute Gelegenheit, in Zukunft andere Entsorgungsmethoden in Betracht zu ziehen.
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Prof. Tony Hooker, Universität Adelaide
Das wissenschaftliche Gremium des Pacific Island Forum - eine regionale Kooperation der unabhängigen Staaten Ozeaniens - habe vorgeschlagen, das Abwasser zur Herstellung von Beton zu verwenden und so das restliche radioaktive Tritium einzuschließen.
Michael Wiedemann ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
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