Exotische Tiere: "Gesetzeslage in Deutschland ist miserabel"

    Interview

    Haltung exotischer Tiere:"Gesetzeslage in Deutschland ist miserabel"

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    Die Polizei sucht im Süden Berlins nach einer freilaufenden Großkatze. Der Fall wirft Fragen zur Haltung exotischer Tiere in Deutschland auf. Wie ist die Gesetzeslage?

    Ein weißer Tiger, trinkt Wasser in der Krankenstation des Zoos in Athen am 17.03.2023.
    Er wurde ausgesetz und ist vermutlich Opfer des illegalen Wildtierhandels.
    Quelle: Reuters

    Noch ist vieles unklar in Kleinmachnow, wo die Polizei an diesem Donnerstag seit den frühen Morgenstunden mit vielen Kräften im Einsatz ist. Läuft hier wirklich eine Löwin frei herum? Eine kurze Videoaufnahme deutet darauf hin.
    Experten sind sich zumindest weitgehend einig, dass es sich um eine Großkatze handeln dürfte. Lesen Sie hier die aktuellen Entwicklungen zur Löwinnen-Suche.
    Einer, den die Situation weit weniger überrascht als wohl die meisten Bürger, ist Florian Eiserlo. Er arbeitet in einer Auffangstation für Wildtiere in Maßweiler (Rheinland-Pfalz). Bei ZDFheute live sagt er, dass ...

    ... solche Situationen für Tierschutzorganisationen Alltag sind

    "Man glaubt es nicht, aber für uns ist so etwas Alltag", sagt er bei ZDFheute live. "Wir haben oft Anrufe von Behörden und Privatleuten, bei denen es darum geht, solche Tiere aufzunehmen." Immer wieder werden er und sein Team zu solchen Notrettungsaktionen gerufen.
    Dann geht es beispielsweise um Tiere, die aus dem Zirkus ausgebüchst sind. Oft aber seien es Beschlagnahmungen von Tieren in Privathaltung.

    Wir haben solche Fälle, bei denen es speziell um Raubkatzen in Privathaltung in Deutschland geht, tatsächlich mehrmals im Jahr.

    Florian Eiserlo, Tierschutzorganisation "Vier Pfoten"

    ... die illegale Einfuhr exotischer Tiere "nicht schwer" ist

    "Die Gesetzeslage in Deutschland ist miserabel, da es teilweise möglich ist, sich solche Tiere als Privatmann zu halten", kritisiert der Tierschützer von der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten".
    Es gelte zwar grundsätzlich: Exotische und gefährliche Tiere sind meldepflichtig. "Das Veterinäramt und die Naturschutzbehörde müssen Bescheid wissen. Nichtsdestotrotz kann man einfach in ein Nachbarland fahren, sich bei einer Internetbörse das Tier kaufen und es im Kofferraum mitnehmen. Es ist also nicht schwer, ein solches Tier illegal nach Deutschland zu holen", sagt Eiserlo.

    In Brandenburg ist die Haltung von 23 Löwen angemeldet, wie das Landesumweltamt mitteilt. Dabei handle es sich um Zirkusse, Zoos und Privathaltung. Die private Haltung von Wirbeltieren besonders geschützter Arten - also auch Raubkatzen - muss demnach angezeigt werden. Eine Gefahrtierverordnung, die das Halten von Raubkatzen umfasst und ähnlich wie bei Hunden Ge- und Verbote ausspricht, gebe es in Brandenburg nicht.

    Die Veterinärämter erfahren laut Behörde von der Haltung in der Regel nur bei gewerblichen Tierhaltungen. Die private Haltung von Wildtieren ist nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Tierschutz- und im Naturschutzrecht geregelt. Die Haltung exotischer Tiere wird darüber hinaus teilweise durch Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geregelt - das ist Ländersache.

    In Berlin ist die private Haltung zum Beispiel verboten, in Brandenburg nicht. Wer gewerbsmäßig mit Wildtieren handelt oder sie züchtet, braucht dafür eine Erlaubnis der entsprechenden Behörden. Das Tierschutzgesetz sieht vor, die Tiere grundsätzlich ihrer Art entsprechend zu halten, zu pflegen und unterzubringen. Das werde in einem Gutachten des Bundesagrarministeriums konkreter gemacht, teilte die Ministeriumssprecherin mit. Darin heißt es zum Beispiel: "Tiere sind so zu halten, dass den biologischen und den Erhaltungsbedürfnissen der jeweiligen Art Rechnung getragen wird."

    Quelle: dpa

    Erst kürzlich habe er einen solchen Fall erlebt: "Zurzeit haben wir einen Puma. Der wurde sehr wahrscheinlich legal in Tschechien gekauft und nach Deutschland transportiert".
    Der Puma habe in einem Wohnzimmer mitten in der Stadt aufwachsen sollen.

    Der Halter ist mit der Katze an der Leine spazieren gegangen und hat sich keine Gedanken gemacht, dass sie auch mal 100 Kilogramm schwer sein könnte und vielleicht auch gefährlich sein wird.

    Florian Eiserlo, Tierschutzorganisation "Vier Pfoten"

    ... sich Halter oft keine Gedanken über die Gefahren machen

    "Das ist natürlich ein Statussymbol, ein gefährliches Tier zu haben und darüber sozusagen Macht auszuüben. Es zu bändigen, ist für manche ein Reiz", berichtet Eiserlo aus seiner Erfahrung. Das Problem: Solche Käufe seien häufig sehr naiv.

    Oft machen sich diese Leute keine Gedanken, dass es zu tödlichen Unfällen kommen kann oder eine Gefahr für die Bevölkerung besteht, wenn ein Tier ausbricht.

    Florian Eiserlo, Tierschutzorganisation "Vier Pfoten"

    Die Ansprüche solcher Tiere an ihre Unterbringung und Ernährung seien hoch. "Das sind schnell mehrere Hunderttausend Euro, die man in die Hand nehmen muss", so Eiserlo. "Das ist vielen einfach nicht bewusst – vor allem, weil man leicht rankommt und die Tiere billig sind. Für 3.000 bis 4.000 Euro bekommen Sie schon einen Löwen."

    ... es einen lukrativen Absatzmarkt in Europa und Asien gibt

    Doch der Markt ist nicht nur für Menschen interessant, die ein Statussymbol suchen - er ist auch äußerst lukrativ. In Osteruropa werde gezüchtet, Europa und Asien seien große Absatzmärkte, so Eiserlo. Zucht, Transport und Handel seien in Europa legal.
    Das habe auch globale Auswirkungen. Gerade der asiatische Markt, die traditionelle chinesische Heilmedizin, frage die aus den Tieren gewonnenen Produkte wie Tigerwein oder Pillen und Potenzmittel aus Tigerknochen sehr stark nach.

    Das ist ein Milliardengeschäft, bei dem man von mafiösen Strukturen reden kann. Wenn man sich vorstellt, dass man für einen zerlegten Tiger 30.000 bis 40.000 Euro einnehmen kann, kann man verstehen, was dahinter für kriminelle Machenschaften stecken.

    Florian Eiserlo, Tierschützer

    Ein Tiger steht hinter einem Gitter.
    Der pensionierte Polizist Tim Harrison hat einen Verdacht: Sind prominente Tierschützer, die mit exotischen Tieren im US-Fernsehen auftreten, in den Handel mit diesen Tieren verwickelt?04.04.2022 | 84:26 min

    ... die Bundesregierung gegen den Schwarzhandel tätig werden müsse

    Bei dem gesuchten Tier nahe Berlin ist bisher nicht bekannt, woher es stammt. Für Tierschützer wie Florian Eiserlo ist der Fall dennoch eine gute Gelegenheit, um auf den Schwarzhandel mit exotischen Tieren aufmerksam zu machen.
    "Da muss unsere Bundesregierung die Augen öffnen und sich gewahr werden, dass Deutschland hier rückständig ist. Es geht nicht nur um Tierschutz, sondern auch um die Sicherheit der Bevölkerung", sagt er bei ZDFheute live.
    Quelle: ZDF

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