Grenfell-Tower: Brandursache Inkompetenz und Profitgier
Bericht zur Grenfell-Katastrophe:Inkompetenz und Profitgier als Brandursache
|
2017 starben bei einem Brand im Grenfell Tower in London 72 Menschen. Ein Untersuchungsbericht erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die verantwortlichen Behörden und Unternehmen.
Mehr als sieben Jahre nach der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower wird der Untersuchungsbericht veröffentlicht. 04.09.2024 | 2:20 min
Wie in ein Leichentuch gehüllt ragt der eingerüstete und hinter einer weißen Plane verborgene Grenfell Tower im Westen Londons in den Himmel. In dem damaligen Wohnturm im Stadtteil North Kensington starben in den frühen Morgenstunden des 14. Juni 2017 bei einem verheerenden Brand 72 Menschen.
Mehr als sieben Jahre nach dem Feuer hat ein Untersuchungsbericht Behörden und Unternehmen ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt.
Sechs Monate nach der Brandkatastrophe im Grenfell Tower ist in London der Opfer gedacht worden. Auch Angehörige der königlichen Familie nahmen daran teil.14.12.2017 | 0:19 min
"Die simple Wahrheit ist, dass die Todesfälle allesamt vermeidbar waren", sagte der Vorsitzende der Untersuchung, Martin Moore-Bick. Die Katastrophe sei "das Ergebnis jahrzehntelangen Versagens" der Zentralregierung und anderer verantwortlicher Stellen hinsichtlich der Verwendung brennbaren Materials an den Außenmauern von Hochhäusern. Ursache sei in erster Linie Inkompetenz gewesen, in manchen Fällen aber auch Profitgier.
Schier endlose Kette von Fehlverhalten und Versagen
Der im 4. Stockwerk ausgebrochene Brand hatte sich rasend schnell über die Fassade des 24-stöckigen Sozialbaus ausgebreitet. Dabei hatte vor allem die Fassadenverkleidung eine fatale Rolle gespielt, wie sich bei der seit Jahren laufenden Untersuchung herausstellte.
Die Fassade war erst kurz vor dem Unglück mit einer Isolierung und Verkleidung versehen worden, um den 1974 fertig gestellten Wohnturm ansehnlicher und energetisch effizienter zu machen. Doch die Fassadenteile aus Aluminium mit Kunststoffkern waren völlig ungeeignet und wirkten wie Brandbeschleuniger.
Dass sie dennoch installiert wurden, lag an einer schier endlosen Kette von Fehlverhalten und Versagen bei Behörden und Unternehmen, wie aus dem aktuellen Bericht hervorgeht. So wurden Brandschutzbestimmungen lax ausgelegt, Testergebnisse manipuliert oder falsch dargestellt und Warnungen in den Wind geschlagen.
Manche konnten sich nur noch per Handy verabschieden
So nahm das Unglück am 14. Juni 2017 ungehindert seinen Lauf. Ein defekter Kühlschrank im 4. Stock löste einen Brand aus, der schon bald auf die Fassade übergriff.
Nur knapp eine halbe Stunde nach dem ersten Notruf hatten die Flammen bereits die obersten Etagen des Hochhauses erfasst. Von der Fassade heruntertropfender, brennender Kunststoff verbreitete das Feuer auf das ganze Gebäude.
Auch der Feuerwehr werden schwere Fehler angelastet. So hatte sie den Menschen viel zu lange dazu geraten, in dem brennenden Gebäude zu bleiben und auf Hilfe zu warten. Dabei zeichnete sich schnell ab, dass die Flammen rasch das ganze Hochhaus erfassen werden. Für viele wurden ihre Wohnungen zur Todesfalle. Manche konnten sich nur noch per Handy von ihren Lieben verabschieden.
Premier Starmer bittet um Entschuldigung
Der britische Premierminister Keir Starmer hat nach der Veröffentlichung des abschließenden Berichts im Parlament um Entschuldigung gebeten:
In Trauer mischen sich Wut und Frustration
Das Gelände um den ausgebrannten Turm ist inzwischen weiträumig mit einem Holzzaun abgesperrt. Daran sind unzählige Botschaften, Bilder und Andenken angebracht in verschiedenen Sprachen. Englisch, Arabisch, Spanisch, Amharisch - der Grenfell Tower war ein Zuhause für Menschen aus der ganzen Welt.
In Trauer der Überlebenden und Hinterbliebenen mischen sich Wut und Frustration. "Leute, die Entscheidungen getroffen haben und dabei Profit über die Sicherheit von Menschen stellten, müssen hinter Gitter", sagte Sandra Ruiz, deren zwölfjährige Nichte in dem Feuer starb, der Zeitung "Guardian".
Doch strafrechtliche Folgen hat die jahrelange Untersuchung nicht. Es sei nun an den Ermittlungsbehörden, Anklagen gegen die Verantwortlichen zu erheben, sagte eine Vertreterin von Überlebenden und Angehörigen. Ob und wann es dazu kommen wird, ist ungewiss. Ein Polizeisprecher kündigte an, der Bericht werde nun geprüft, das könne jedoch bis zu 18 Monate in Anspruch nehmen.
Quelle: ZDF
Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.