München: Ältestes Foto Deutschlands entdeckt

    München:Ältestes Foto Deutschlands entdeckt

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    Es ist eine kleine Sensation: Eine Münchner Wissenschaftlerin hat ein Lichtbild aus dem Jahr 1837 entdeckt. Zwei Jahre, bevor Louis Daguerre seine Erfindung öffentlich machte.

    Münchner Frauenkirche, historisches Foto
    Neue Entdeckungen in der Fotografie-Geschichte: Das erste deutsche Foto stammt nicht wie bisher angenommen aus dem Jahr 1839. Das Deutsche Museum in München ist nun auf einen älteren Fund von 1837 gestoßen und präsentiert diesen heute.28.05.2024 | 1:05 min
    Vier mal vier Zentimeter groß und ziemlich blass sieht die Aufnahme von der Münchner Frauenkirche mit ihren Zwiebeltürmen aus - und dennoch belegt sie, dass das Zeitalter der Fotografie in Deutschland zwei Jahre früher als bisher angenommen begonnen hat.
    Das Deutsche Museum präsentierte am heutigen Dienstag in München das Lichtbild aus dem März 1837, angefertigt von Franz von Kobell (1803-1882). Seine Aufnahme datierte er handschriftlich auf der Rückseite. Das Bild war schon bekannt, nicht aber, wie alt es tatsächlich ist.
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    Lichtbildaufnahme auf Salzpapier

    Cornelia Kemp, langjährige frühere Kuratorin für Foto und Film im Deutschen Museum, entdeckte die Notiz erst kürzlich bei Recherchen für ein neues Buch. Demnach gelangte die Fotografie mit anderen 1906 in den Besitz des Museums, befestigt auf Karton und gerahmt.
    1939 seien die Bilder zur Feier von 100 Jahren Fotografie in neue Passepartouts gepackt worden. "Allerdings ohne auf die Rückseiten zu sehen", sagt die Kunsthistorikerin. Die Aufnahmen stammten aus einer Mappe, lichtgeschützt gelagert in einem speziellen Kühl-Archiv. Es gebe noch 13 weitere Fotos aus der Zeit. Kobell, Professor für Mineralogie an der Münchner Universität, benutzte dafür Salzpapier. Kemp erzählt:

    Er hat herausgefunden, wie man belichtete Bilder fixiert - indem man das unbelichtete Silber herauslöst.

    Cornelia Kemp, Ex-Kuratorin für Foto und Film im Deutschen Museum

    Detailreiche Aufnahme der Frauenkirche

    Über seine frühen Aufnahmen habe er kein Wort verloren. Nachdem er das Verfahren verstanden hatte, habe er die Sache nicht weiterverfolgt. Die Forscherin vermutet, dass das Bildergebnis Kobell künstlerisch bedeutungslos erschienen sei. Als zu eintönig verglichen mit hochwertigen Zeichnungen eines Maler-Onkels.
    Und noch einen Nachteil gab es: Das von Kobell verwendete Papier war zu dick, um Abzüge davon herzustellen. Positive sind davon erst heute dank digitaler Technik möglich. Sie ergeben indes ein erstaunlich detailreiches Bild. Auf ihm lassen sich sogar die Zifferblätter der beiden Turmuhren erkennen.
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    War Kobell früher dran als Daguerre?

    Gemeinhin gilt der Franzose Louis Jacques Mandé Daguerre (1787-1851) als Erfinder der Fotografie. Er brachte das Bildgebungsverfahren mittels einer Kamera zur Serienreife. So ließ es sich auch kommerziell nutzen. Der Pionier machte die sogenannte Daguerreotypie 1839 in Paris bekannt. Seine Erfindung wurde in Paris in einer Art Staatsakt öffentlich gemacht.
    Bisher galten die Bilder von Carl August von Steinheil und Franz von Kobell aus dem Jahr 1839 als die ersten Fotos in Deutschland. Anders als Daguerre sei es für die beiden um "eine rein experimentelle Beschäftigung" gegangen.

    Deutsche Geschichte der Fotografie muss umgeschrieben werden

    Kemp sagt, Daguerres älteste erhaltene Aufnahmen stammten ebenfalls von 1837. Allerdings sei der Tag nicht überliefert. Außerdem gebe es weitere Vorläufer, die mit verschiedenen Techniken experimentiert hätten. Die erste Fotografie der Welt wird Joseph Nicephore Niepce zugeschrieben, einem Landsmann und späteren Geschäftspartner Daguerres. Sie stammt von 1826 und zeigt einen Blick aus dem Fenster seines Arbeitszimmers. Die Belichtungszeit betrug acht Stunden.
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    Nach Kemps Einschätzung muss nun aber wenigstens die Geschichte der Fotografie in Deutschland umgeschrieben werden. Dass Franz von Kobell hierzulande das erste Foto geschossen habe, "das steht felsenfest". Und auch, dass sein Beitrag zur Entwicklung der Technik bisher "völlig unter den Tisch gefallen" sei.

    Kobell schrieb bekanntes Stück

    So kam es, dass sein Name bisher für etwas ganz anderes steht. Von Kobell veröffentlichte 1871 in oberbayerischer Mundart "Die Gschicht vom Brandner Kasper". Durch mehrere Bühnenfassungen und Verfilmungen wurde das Stück zum Klassiker.
    Zumindest eine zeitliche Verbindung gibt es zwischen Kobells literarischer und lichtbildnerischer Tätigkeit. "Er hat genau in dem Jahr angefangen zu dichten, als er mit der Fotografie aufgehört hat", sagt Kemp.
    Quelle: KNA

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