Welt-Down-Syndrom-Tag: "Besondere Fähigkeit zu lieben"
Welt-Down-Syndrom-Tag:"Eine besondere Fähigkeit zu lieben"
von Carolin Hilker, Tel Aviv
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Chaya Ben Baruch ist Mutter von neun Kindern - vier von ihnen haben Trisomie 21. Mit ihrer Organisation "Birkat Haderech" will sie Familien mit Down-Syndrom-Kindern unterstützen.
Hochzeitsbild von Avichai und Kirin
Quelle: Dave Bender
Bei etwa einem von 700 Kindern wird das Down-Syndrom diagnostiziert. Wie facettenreich diese Anomalie sein kann, hat die in Israel lebende Amerikanerin Chaya Ben Baruch in ihrer eigenen Familie erlebt.
Nachdem sie fünf gesunde Babys zur Welt brachte, erlitt sie zwei aufeinanderfolgende Fehlgeburten. Als ihr sechstes Kind, Sohn Avichai auf die Welt kam, erhielt Chaya wenige Tage nach der Geburt die Diagnose: Down-Syndrom. "Rückblickend konnte ich mein Kind mit Down-Syndrom wegen der vorherigen Fehlgeburten leichter akzeptieren als vielleicht andere Eltern, die ein gesundes Kind erwarten", erinnert sich die heute 66-Jährige.
Weiteres Kind mit Down-Syndrom adoptiert
Als Avichai ein Jahr alt war, entschloss sich Chaya gemeinsam mit ihrem Mann Yisroel dazu, ein weiteres Baby mit Trisomie 21 zu adoptieren: Die damals sechs Tage alte Kirin. Chaya wollte auf diese Weise vermeiden, dass Avichai alleine mit seiner Diagnose aufwachsen musste. Die beiden Kinder verstanden sich auf Anhieb und bauten ein sehr inniges Verhältnis zueinander auf.
Chaya Ben Baruch und ihre Adoptiv-Tochter Kirin
Quelle: Chaya Ben Baruch
Im Alter von 14 Jahren entwickelte sich aus dem intensiven Verhältnis der beiden Adoptiv-Geschwister eine Liebesbeziehung. Der heute 30-jährige Avichai und die ein Jahr jüngere Kirin heirateten im Juli 2012. Das Paar lebt heute in einer gemeinsamen Wohnung, beide arbeiten regelmäßig.
"Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass mein Sohn mit Down-Syndrom (...) arbeitet, heiratet, anderthalb Stunden von mir entfernt gemeinsam mit seiner Frau in einer eignen Wohnung lebt - das stand in keinem Buch über Down-Syndrom, aber es ist passiert."
Bei Menschen mit Trisomie 21 kommt das 21. Chromosom drei statt zwei Mal vor. Sowohl die körperliche als auch die geistige Entwicklung dieser Kinder ist langsamer als bei Kindern ohne Down-Syndrom und daher schwierig vorherzusagen. Manche schaffen einen Schulabschluss und können ihren Alltag selbstständig bestreiten, andere sind ihr Leben lang auf Unterstützung angewiesen. Trisomie 21 geht außerdem häufig mit Herzfehlern und erhöhtem Risiko für Autoimmunkrankheiten einher.
Chaya hilft Eltern mit Down-Syndrom-Kindern
Chaya Ben Baruch hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein und Verständnis für Menschen mit Trisomie 21 zu schaffen. Sie möchte anhand ihrer eigenen Familiengeschichte aufzeigen, dass diese Kinder durchaus ein lebenswertes, glückliches und nahezu eigenständiges Leben führen können. Im Jahr 2006 gründete sie deshalb die Organisation "Birkat Haderech". Aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzt bedeutet das "Segen des Weges".
Sie sind Zwillinge und doch grundverschieden: Ein Kind hat das Downsyndrom, das andere nicht. Mehr als hundert dieser besonderen Zwillingspaare gibt es in Deutschland.18.05.2021 | 28:42 min
Im Rahmen ihrer Organisation unterstützt, berät und begleitet sie Eltern von Kindern mit Down-Syndrom. Für Kinder, deren Familien nicht in der Lage dazu sind, ein beeinträchtigtes Kind großzuziehen, sucht sie passende Pflegefamilien. So müssen die Kinder nicht in Behinderteneinrichtungen untergebracht werden. Chaya ist Teil eines großen Netzwerks von Familien mit behinderten Kindern, die sich regelmäßig austauschen.
Außerdem verfasst sie auf ihrem Blog Artikel zu Trisomie 21 und über neuste Erkenntnisse aus Medizin und Forschung. Auf diese Weise erhofft sie sich, bestmöglich über das Leben mit Down-Syndrom-Kindern aufklären zu können, denn sie ist überzeugt: "Das zusätzliche Chromosom verleiht ihnen eine besondere Fähigkeit zu lieben".
Carolin Hilker ist Hospitantin im ZDF-Auslandsstudio Tel Aviv.