Wenn Neele Buchholz tanzt, wächst sie über sich hinaus. Vergessen sind ihre Behinderung, ihre Hemmungen im Alltag. Doch Tanzen ist für die junge Frau mit Down Syndrom keine Therapie. Tanzen ist ihr Job: Festanstellung, Sozialversicherung, 28-Stunden-Woche.
Wieder und wieder probt die Bremerin an diesem Vormittag die Abläufe für ihr aktuelles Stück bis die Bewegungen fließen. Sie kann die Aufführung in ein paar Tagen kaum erwarten. „Wenn ich auf der Bühne stehe und das Publikum klatscht, ist das ein gutes Gefühl“, sagt sie in ihrer sehr einfachen, aber direkten Art. Neele Buchholz fällt das Rechnen schwer und auch das Lesen, ein Leichtes aber ist es für sie, halbstündige Choreografien zu lernen. Die 25jährige hat ihr Talent zum Beruf gemacht und zeigt, wie Inklusion im Erwachsenenalter funktionieren kann.
Als Tänzerin und Assistentin hat sie das Bremer Projekt „KompeTanz“ angestellt. Hier wird jungen Menschen mit Beeinträchtigung eine alternative Berufsorientierung geboten. Sie sollen für den Arbeitsmarkt gestärkt werden. Denn beim Übergang von der Schul- in die Arbeitswelt würde noch zu wenig für Inklusion getan, so die Projektleiterin Corinna Mindt. Nach der Schule ist für viele der Weg in die betreute Werkstatt geradezu vorgezeichnet.
Ihre Wünsche
Neele Buchholz weigert sich, diesen Weg einzuschlagen. Schon als Kind war sie mittendrin in der Gesellschaft: Krabbelgruppe, Kindergarten, Schule. Jetzt will sie mit behinderten und nicht-behinderten Freunden eine WG gründen. Zentral soll sie liegen, bezahlbar sein, sozialpädagogisch begleitet werden. Die Umsetzung der Pläne dauert nach Neeles Geschmack viel zu lange. Doch wenn alles gut geht, werden sie nun in gut einem Jahr in ein Neubauprojekt ziehen. Neele Buchholz merkt immer wieder, wie mühsam es für Menschen mit Behinderung ist, einen Platz am regulären Wohnungs- und Arbeitsmarkt zu finden. Die Bremerin schaut daher genau hin, welche Parteien das Thema Inklusion aufgreifen. Mit ihrer Mutter spricht sie über die Programme. Dass sie wählen darf, ist nicht selbstverständlich. Viele Menschen mit Behinderung haben einen Betreuer und verlieren damit das Wahlrecht. Bei Neele Buchholz ist das nicht so. Sie macht Briefwahl. Und sie hofft, dass sich Politiker auch für ihre Wünsche einsetzen. Für mehr Teilhabe an der Gesellschaft mit all ihren Facetten.
Film von Anne Arend