Interview
37 Stunden Großfahndung:Chronologie: Ganz Berlin sucht eine Löwin
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Ein Video-Schnipsel, Hundertschaften der Polizei, weltweite Berichterstattung: 37 Stunden sucht Berlin nach einer Löwin - die wohl doch nur ein Wildschwein war. Das ist passiert.
Donnerstag, 20. Juli:
- Mitternacht
Bei der Polizei geht ein Notruf aus Kleinmachnow ein. Ein Zeuge will ein freilaufendes Wildtier gesichtet haben. Von der Begegnung gibt es auch ein Handyvideo, das die Polizei sichtet.
Twitter-Video der vermeintlichen Löwen-Sichtung
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"Nach Prüfung des Videomaterials handelt es sich nach einer ersten Einschätzung bei dem Wildtier um eine Löwin", teilt die Polizei später mit. "Die geschilderte Situation wird als glaubwürdig angesehen." Beamte rücken aus und sehen ebenfalls das Wildtier, wie eine Sprecherin später berichtet.
- Früher Morgen
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt eine Warnmeldung heraus, in der sie die Bevölkerung vor einem "freilaufenden gefährlichen Wildtier" im Bereich der südlichen Landesgrenze Berlins warnt. "Bei dem Wildtier soll es sich vermutlich um eine Löwin handeln", schreibt das Amt. Haus- und Nutztiere sollen in der Wohnung bleiben, die Menschen sollen sich über Medien über die Situation informieren.
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- Morgen
In der Gemeinde Kleinmachnow sind die Verantwortlichen froh, dass Ferien sind und sich keine Schulkinder auf dem Weg zum Unterricht befinden. Sie entscheiden, dass Kitas geöffnet bleiben, die Kinder die Einrichtungen aber nicht verlassen sollen. Auch das Rathaus bleibt offen sowie ein Wochenmarkt. "Das gibt es nicht alle Tage", sagt die Sprecherin der Gemeinde über die Situation.
- Vormittag
Mittlerweile suchen an die 100 Einsatzkräfte nach der vermeintlichen Löwin. Sie setzen Hubschrauber, Drohnen und Wärmebildkameras ein. Spuren von dem Tier sind am Ursprungsort nicht gefunden worden. Inzwischen ist klar: Das gesuchte Wildtier stammt nicht aus den Zirkussen, Tierparks oder Zoos in der Region. Dort vermisst niemand eine Löwin. Spekulationen um illegale private Wildtierhaltung machen die Runde.
Die Polizei warnt vor einer entlaufenen Löwin:
- Mittag/Früher Nachmittag
Die Zahl der suchenden Einsatzkräfte ist laut Polizeiangaben auf weit über 100 angestiegen. Auch Tierärzte und Jäger beteiligen sich an der Suche. Der Bürgermeister der Gemeinde Kleinmachnow, Michael Grubert (SPD), und eine Polizeisprecherin treten vor die Presse. "Es ist nicht unser neues System der Wildschweinbejagung in Kleinmachnow, Löwinnen einzusetzen", scherzt der Rathauschef, betont aber: "Es ist schon eine ernste Lage."
Pressekonferenz der Polizei: Wildkatze angeblich gesichtet:
Grubert und die Polizei betonen erneut, dass sie von der Echtheit des Videos und der Existenz des Raubtiers ausgehen. Im Internet fiebern Nutzerinnen und Nutzer mit. Tausende Memes und Sprüche machen die Runde.
- Nachmittag/Abend
Immer wieder werden vermeintliche Sichtungen der Löwin gemeldet. Inzwischen soll das Tier auf das Berliner Stadtgebiet gewandert sein. Ein größerer Sucheinsatz in Zehlendorf verläuft indes erfolglos. Brandenburgs Tierschutzbeauftragter und auch der Deutsche Tierschutzbund kritisieren derweil illegale private Haltungen von Wildtieren.
In Brandenburg ist die Haltung von 23 Löwen angemeldet, wie das Landesumweltamt mitteilt. Dabei handle es sich um Zirkusse, Zoos und Privathaltung. Die private Haltung von Wirbeltieren besonders geschützter Arten - also auch Raubkatzen - muss demnach angezeigt werden. Eine Gefahrtierverordnung, die das Halten von Raubkatzen umfasst und ähnlich wie bei Hunden Ge- und Verbote ausspricht, gebe es in Brandenburg nicht.
Die Veterinärämter erfahren laut Behörde von der Haltung in der Regel nur bei gewerblichen Tierhaltungen. Die private Haltung von Wildtieren ist nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Tierschutz- und im Naturschutzrecht geregelt. Die Haltung exotischer Tiere wird darüber hinaus teilweise durch Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geregelt - das ist Ländersache.
In Berlin ist die private Haltung zum Beispiel verboten, in Brandenburg nicht. Wer gewerbsmäßig mit Wildtieren handelt oder sie züchtet, braucht dafür eine Erlaubnis der entsprechenden Behörden. Das Tierschutzgesetz sieht vor, die Tiere grundsätzlich ihrer Art entsprechend zu halten, zu pflegen und unterzubringen. Das werde in einem Gutachten des Bundesagrarministeriums konkreter gemacht, teilte die Ministeriumssprecherin mit. Darin heißt es zum Beispiel: "Tiere sind so zu halten, dass den biologischen und den Erhaltungsbedürfnissen der jeweiligen Art Rechnung getragen wird."
Quelle: dpa
Die Veterinärämter erfahren laut Behörde von der Haltung in der Regel nur bei gewerblichen Tierhaltungen. Die private Haltung von Wildtieren ist nach Angaben des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Tierschutz- und im Naturschutzrecht geregelt. Die Haltung exotischer Tiere wird darüber hinaus teilweise durch Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geregelt - das ist Ländersache.
In Berlin ist die private Haltung zum Beispiel verboten, in Brandenburg nicht. Wer gewerbsmäßig mit Wildtieren handelt oder sie züchtet, braucht dafür eine Erlaubnis der entsprechenden Behörden. Das Tierschutzgesetz sieht vor, die Tiere grundsätzlich ihrer Art entsprechend zu halten, zu pflegen und unterzubringen. Das werde in einem Gutachten des Bundesagrarministeriums konkreter gemacht, teilte die Ministeriumssprecherin mit. Darin heißt es zum Beispiel: "Tiere sind so zu halten, dass den biologischen und den Erhaltungsbedürfnissen der jeweiligen Art Rechnung getragen wird."
Quelle: dpa
- Nacht
Es bleiben Zweifel an der Existenz der Löwin. "Ich halte es für möglich, dass das eine Löwin ist, bin aber nicht davon überzeugt", sagt der Veterinärmediziner Achim Gruber von der Freien Universität Berlin im RBB-Spezial. Als Wissenschaftler sei er vorsichtig. Es gebe viele Argumente dafür, dass es eine Löwin sei. "Aber der letzte Beweis steht für mich noch aus", so Gruber.
Die Polizei mahnt die Bevölkerung dazu, südliche Waldgebiete Berlins auch über die Stadtgrenze hinaus zu meiden. Die Suche wird für die Nacht ausgesetzt. "Unsere Kollegen bleiben in der Nacht weiter vor Ort im Einsatz und setzen morgen früh die Suche fort", teilt die Polizei mit.
Suche nach Großkatze geht weiter:
Freitag, 21. Juli:
- Morgen
Die Suche wird wieder aufgenommen. Bei Kleinmachnow machten sich der Gemeindejäger und Polizisten am Morgen auf den Weg in den Wald, wie ein dpa-Reporter berichtet. Die Gemeinde Kleinmachnow will dabei auf die Hilfe professioneller Tierspurensucher setzen. Das Problem: "Wir müssen erstmal einen finden", sagt die Sprecherin der Gemeinde.
Bei einem Haar an einem Baum, das der Gemeindejäger am Donnerstag im RBB-Fernsehen zeigte, war unklar, woher es stammt. "Wir wissen noch nicht, was es ist", sagt die Sprecherin. Auch Wildschweine scheuerten sich gerne an Bäumen.
- Mittag/Nachmittag:
Die Zweifel, dass in dem Video eine Löwin zu sehen ist, werden lauter. Der Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin, Rainer Altenkamp, ist überzeugt, dass es sich vielmehr um ein Wildschwein handelt. "Schon der kurze, herabhängende Schwanz mit etwa zehn Zentimeter langer, locker behaarter Quaste schließt eine Löwin aus", sagt der Wildtier-Experte am Freitag mit Blick auf die gesichteten Videoaufnahmen.
Die Löwen-Fahndung ist abgeblasen:
Schließlich gibt die Polizei Entwarnung. Die gesuchte Löwin ist wohl ein Wildschwein. Es gebe keine Gefährdungslage mehr, sagt Bürgermeister Grubert am Freitag bei einer Pressekonferenz. Die Polizei bestätigt diese Einschätzung. Sämtliche Suchmaßnahmen hätten keine Hinweise ergeben.
Den Großeinsatz verteidigt Gruber: "Die Gefährdungslage war so, dass der Einsatz der Polizei gerechtfertigt war", betont er. Schließlich zeigt auch die Warnapp Nina an, die Warnung vor einem freilaufenden gefährlichen Wildtier sei aufgehoben.
Die Suche nach einer freilaufenden Löwin sorgt rund um die brandenburgische Stadt Kleinmachnow für Aufregung. Alles zur Suchaktion der Polizei bei ZDFheute live.20.07.2023 | 54:20 min
Quelle: dpa