Wissenschaftler vermuten, dass die Verformungen des Kopfes auf die Rückenlagerung des Babys zurückzuführen sind, die zur Prävention des Plötzlichen Kindstodes empfohlen wird. Wie macht man es nun richtig?
Seit 1992 raten Kinderärzte, Babys im ersten Lebensjahr auf dem Rücken schlafen zu lassen. Diese und andere Maßnahmen haben dazu geführt, dass heutzutage weniger Säuglinge am plötzlichen Kindstod (SIDS) sterben. Die sinnvolle Maßnahme hat allerdings auch einen Nebeneffekt: Liegen Babys nicht nur nachts, sondern auch tagsüber fast ausschließlich auf dem Rücken, können sich deren Schädel verformen.
Typisch für solche lagerungsbedingten Schädeldeformitäten ist ein einseitig oder beidseitig abgeflachter Hinterkopf. Die Verformungen können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und in selteneren Fällen auch dazu führen, dass sich zusätzlich die Ohrachse verschiebt, die Stirn einseitig vorwölbt oder die Gesichtsasymmetrie verändert. Zwar werden auch eventuelle gesundheitliche Folgen (zum Beispiel Kieferfehlstellungen) mit den Verformungen in Verbindung gebracht, dies ist durch Studien allerdings nicht ausreichend belegt.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Schädeldecke eines Babys besteht aus Schädelplatten, die noch nicht fest zusammengewachsen sind. Die Weichheit und Beweglichkeit erleichtert die natürliche Geburt und das rasche Wachstum des Kopfs in den ersten Monaten. Allerdings kann sich der Schädel in diesem Zeitraum auch verformen. Mediziner unterscheiden Deformitäten bedingt durch die Geburt, die sich in aller Regel rasch zurückbilden, von Deformitäten, die in den ersten Lebenswochen lagerungsbedingt entstehen.
Seit empfohlen wird, Kinder zur Vermeidung des plötzlichen Kindstods zum Schlafen auf dem Rücken zu lagern, hat die Anzahl der lagebedingten Kopfdeformitäten stark zugenommen. Die genauen Ursachen, warum manche Kinder betroffen sind und andere nicht, sind unklar. Als Risikofaktoren gelten:
· Häufige einseitige Rückenlage
· eine Lieblingsseite des Kindes oder (muskuläre) Einschränkungen der Kopfbeweglichkeit
· Männliches Geschlecht (doppeltes Risiko gegenüber Mädchen) oder Mehrlingsgeburten
· Frühgeburten oder Entwicklungsverzögerungen
Diagnostik
Schädeldeformitäten treten in den ersten Lebenswochen und -monaten bei etwa zehn bis zwanzig Prozent aller Säuglinge auf. Studien, die schon leichte Abweichungen einbeziehen, kommen zu noch höheren Werten. Spontane Besserungen sind einigen Studien zufolge möglich. Insbesondere bei ausgeprägten Deformitäten raten Ärzte jedoch zu einer möglichst frühen Diagnostik und Therapie.
Für die Diagnose reicht oft eine klinische Untersuchung und ein Gespräch mit den Eltern. Der Arzt schaut sich die Kopfform an und tastet den Schädel ab. Manchmal wird auch ein Ultraschall gemacht, um andere Ursachen auszuschließen (insbesondere verfrühte Verknöcherungen der Schädelnähte, die meistens operiert werden müssten). Etwa 90 Prozent der Kopfasymmetrien, die bei Säuglingen mit sechs Wochen oder später festgestellt werden, sind allerdings lagerungsbedingt. Röntgenuntersuchungen oder Computertomografie sind normalerweise nicht nötig, und werden wegen der Strahlenbelastung für Säuglinge nicht empfohlen.
Therapie
Zunächst erfolgt in der Regel eine Lagerungstherapie. Sie ist besonders effektiv bei Neugeborenen bis vier Monaten. Säuglinge mit einseitig abgeflachtem Hinterkopf werden bewusst auf der nichtbetroffenen Seite gelagert. Von dem Einsatz von Lagerungskissen raten die Leitlinien zur Prävention des plötzlichen Kindstodes ab, weil diese das Erstickungsrisiko erhöhen können. Außerdem gilt es, die möglicherweise ungeliebte Seite des Kindes zu fördern. Eltern können Anreize schaffen, damit sich die Babys auf die nicht betroffene Seite drehen (zum Beispiel über Lichter, Spielzeug, Ansprechen und Füttern von der Seite.)
Physio- oder Osteopathie sollten die Therapie ergänzen, wenn Bewegungseinschränkungen des Kopfes bestehen. Die Therapie kann auch parallel zur Therapie mit Kopforthese erfolgen. Eine modellierende Kopforthese (Helmtherapie) kann sinnvoll sein, wenn die anderen Therapiemaßnahmen nicht zum Erfolg geführt haben, die Diagnose erst spät erfolgt (nach etwa sieben Monaten), oder die Kopfasymmetrien besonders ausgeprägt sind. Der ideale Zeitpunkt für den Therapiebeginn ist vier bis sechs Monate. Trägt das Kind den Helm konsequent 23 Stunden pro Tag über mehrere Monate, können durch Kopforthesen gute Ergebnisse erzielt werden. Der Helm fungiert als eine Art „formgebende Schale“, die ohne Druck auf dem Kopf getragen wird und das weitere Wachstum in die richtige Richtung lenkt. Die Kosten müssen Eltern allerdings meistens selbst tragen.
Prävention
Hebammen und Eltern sollten genau hinschauen und prüfen, ob das Baby die Liegeposition variiert oder in einer bevorzugten Stellung auf einer Lieblingsseite schläft. Es wird empfohlen, die Kinder wechselseitig zu lagern. Gesunde Babys können natürlich auch getragen werden und tagsüber, wenn sie wach sind, unter Beobachtung auch mal auf dem Bauch liegen. Schon zweimal täglich eine Viertelstunde wirkt präventiv. Wenn sie den Kopf besser heben können, ist auch eine häufigere oder längere Bäuchleinzeit („Tummy Time“) möglich.
Auch beim Füttern und Spielen sollte das Baby nicht immer auf der gleichen Seite liegen. Es wird empfohlen, Babys von beiden Seiten zu füttern und anzusprechen. Ungeliebte Seiten können gezielt gefördert werden, zum Beispiel durch Lichtreize, Drehen des Babybettchens um 180 Grad oder asymmetrisches Aufhängen von Mobilés.