Es ist eine sehr persönliche Entscheidung: Würde ich nach meinem Tod Organe für andere Menschen spenden, die vielleicht dringend darauf warten? Ganz allgemein halten das inzwischen viele für sinnvoll, doch die meisten schieben die klare Zustimmung dazu aber immer wieder auf. Dies hat zur Folge, dass es in Deutschland viel zu wenig Spender gibt. Der Bundestag will deshalb die Regeln ändern, um mehr lebensrettende Organe für Schwerkranke zu sichern.
Eine Gruppe Abgeordneter um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat einen ersten Entwurf ausgearbeitet, ein gegensätzlicher zweiter soll bald folgen. Die Parlamentarier von Union, SPD, Linken und Grünen machen sich für die sogenannte doppelte Widerspruchslösung stark: Anstelle – wie bislang – einer Organspende ausdrücklich zuzustimmen, soll man künftig ausdrücklich widersprechen, wenn man kein Spender sein möchte. Dafür soll ein zentrales Register eingeführt werden, in dem man einen Widerspruch speichern lassen kann – vorerst in der Arztpraxis, längerfristig auch online. Ärzte sollen das Register rund um die Uhr abrufen können, wenn eine Transplantation infrage kommt. Wenn es dort keinen Eintrag gibt, soll der nächste Verwandte befragt werden, ob dieser einen entgegenstehenden Willen des Verstorbenen kennt.
Kritik an Spahns Plänen
„Aus meiner Sicht ist die Widerspruchslösung nicht die Lösung“, sagt Medizinjournalist Dr. Christoph Specht. „Das Argument dafür ist häufig, dass andere Länder wie zum Beispiel Spanien 47 Spender pro eine Million Einwohner im Jahr haben und wir nur neun. Das ist aber nur die Hälfte der Wahrheit“, ergänzt er. In Spanien und einigen anderen Ländern (etwa den Niederlanden, Großbritannien, Belgien, Österreich, der Schweiz, den USA) gelte das sogenannte „Non heart beating donor“-Verfahren. „Das bedeutet, dass Organe nicht erst nach Feststellung des Hirntodes entnommen werden, sondern bereits dann, wenn ein länger als zehn Minuten andauernder Herz- und Kreislaufstillstand festgestellt wird“, erklärt Specht. Dies sei in Deutschland nicht möglich, da hierzulande nur Menschen als Spender infrage kommen, deren Hirn nach dem Herzen aussetze.
Außerdem gibt Dr. Christoph Specht zu bedenken, dass nicht jeder Sterbende als Organspender geeignet sei: „Die meisten Menschen denken, die Wahrscheinlichkeit liege bei 70 bis 80 Prozent. Fakt ist aber, dass nur etwa ein Prozent der im Krankenhaus Sterbenden überhaupt für eine Transplantation infrage kommt, etwa nach einem Motorradunfall oder bei einer Hirnblutung.“ Menschen, die an den häufigsten Todesursachen sterben, etwa an einer Krebserkrankung, kämen für eine Transplantation nicht infrage. Immerhin: „Jens Spahn versucht, eine neue Realität zu schaffen, sodass die Organspende zum Normalfall wird. Vielleicht hilft die Widerspruchlösung ja dem ein oder anderen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und eine Entscheidung zu treffen“, so die Einschätzung des Medizinjournalisten.
Bei Patientenschützern stößt wiederum das Befragen der Angehörigen auf deutliche Kritik. Es sei falsch, die Angehörigen zu reinen Vermittlern abzuwerten, sagte beispielsweise der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Dies entlaste sie nicht und verstärke eher ein Misstrauen in der Bevölkerung.
Wie geht es nun weiter?
Mit der Präsentation der Pläne geht die Diskussion in die nächste Phase, bis der Bundestag letztlich in offener Abstimmung entscheidet. Bei einer ersten Debatte waren im Herbst breite Vorbehalte gegen eine Widerspruchslösung deutlich geworden.
Die Initiatoren sehen für die Bürger eine große Aufklärungskampagne vor. Neben Info-Blättern und Plakaten sollen alle Meldepflichtigen ab 16 Jahre im Abstand von einigen Monaten dreimal per Post angeschrieben werden. Damit es Zeit für Informationen gibt und das Register entstehen kann, sollen die neue Regeln erst ein Jahr nach der Gesetzesverkündung greifen.
Parallel arbeitet auch eine Gruppe Abgeordneter um Grünen-Chefin Annalena Baerbock an einem entgegengesetzten Konzept mit verbindlichen regelmäßigen Befragungen. Bürger sollen Erklärungen zur Organspende dann beim Abholen des Ausweises, also spätestens alle zehn Jahre, in ein Register eintragen. Dafür sollen Ämter Info-Material ausgeben, aber nicht selbst beraten. Auch für diesen Entwurf, eine Entscheidung in puncto Organspende über die Bürgerämter abzuwickeln, gab es Kritik.
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Mit Material von ZDF, dpa