Erkältungskrankheiten haben jetzt Hochsaison – viele werden mit Antibiotika bekämpft. Antibiotika sind in der Lage, Bakterien zu töten oder deren Vermehrung zu verhindern – wohlgemerkt Bakterien, nicht Viren oder andere Gattungen von Krankheitserregern. Die meisten Erkältungen werden jedoch durch Viren verursacht. Doch gerade bei Infektionen durch Viren, die beispielsweise eine klassische Erkältung hervorrufen, herrscht ein weitverbreiteter Missbrauch der Substanzen. Patienten fordern die Mittel bei den geringsten Beschwerden ein, viele Ärzte geben dem Druck nach oder sind selbst unsicher, ob nicht doch Bakterien hinter dem Infekt stecken. Das Problem: Je mehr Antibiotika falsch verordnet und eingenommen werden, desto eher entstehen gefährliche Resistenzen.
Individuellere Verordnung
Bisher galt die Regel, dass bei der Einnahme eines Antibiotikums auf jeden Fall die Packung bis zum Ende genommen werden sollte, damit keine Resistenzen entstehen. Dazu gibt es heute differenziertere Meinungen: „Studien zeigen, dass bei bestimmten einfachen Infektionen eine kürzere Einnahmezeit genauso wirksam ist wie eine längere. Eine einfache Faustregel lässt sich daraus aber nicht ableiten. Wie lange ein Antibiotikum eingenommen werden muss, hängt von vielen Faktoren ab – der Art der Erkrankung, der Schwere, dem individuellen Verlauf und dem jeweiligen Bakterientyp“, erklärt Medizinjournalist Dr. Christoph Specht.
Experten fordern ein Umdenken in der Antibiotikatherapie. Das Ziel: Es sollte nur so viel Antibiotika genommen werden wie tatsächlich nötig. „Einen Königsweg im Umgang mit Antibiotika gibt es nicht. Es muss immer individuell entschieden werden. In welchen Fällen ein Mittel abgesetzt werden kann, wenn Symptome abgeklungen sind, und in welchen nicht, kann nur der Arzt entscheiden. Idealerweise gibt er die Einnahmedauer vor, die auf die Infektion und den zu erwartenden Verlauf angepasst ist. Sind die Beschwerden abgeklungen oder schlägt das Medikament vielleicht nicht an, sollte der Patient keine eigenmächtige Entscheidung treffen, sondern den Arzt kontaktieren, um das weitere Vorgehen zu besprechen“, warnt Dr. Specht.
Fragen an den Arzt
Folgende Fragen rät Dr. Specht dem behandelnden Arzt zu stellen: Warum brauche ich das Antibiotikum? Was sind mögliche Nebenwirkungen? Wie lange und wie oft am Tag muss ich das Antibiotikum einnehmen? Kann ich das Antibiotikum zusammen mit einer Mahlzeit einnehmen oder ist ein Abstand nötig? Beeinflusst das Antibiotikum andere Medikamente, die ich einnehme?
Wichtig: Antibiotika wie vom Arzt verordnet, in regelmäßigen Abstanden, in ausreichender Dosis und so lange wie nötig einnehmen. Kein Antibiotikum nehmen, das übrig ist oder anderen Personen verschrieben wurde – auch dann nicht, wenn die Krankheitszeichen sehr ähnlich erscheinen. Alte Medikamente oder Medikamentenreste nicht über die Toilette oder das Waschbecken entsorgen. Das belastet die Umwelt und kann zur Bildung von Resistenzen beitragen. Die Medikamente können mit dem Hausmüll entsorgt werden.
Multiresistente Keime
Der übermäßige oder falsche Einsatz führt dazu, dass immer mehr Bakterien nicht mehr auf Antibiotika ansprechen, sie sind resistent geworden. Und das trifft zunehmend nicht nur auf einen einzigen Wirkstoff zu, sondern auf viele - es kommt zur Multiresistenz. In die Schlagzeilen geriet in den letzten Jahren vor allem MRSA, ein multiresistentes Bakterium der sogenannten grampositiven Gattung Staphylococcus aureus, das sich in vielen Krankenhäusern ausbreitete und schwere Infektionen hervorrief.
Die größten Probleme verursachen multiresistente Keime auf Intensivstationen, wenn sich die ohnehin schon schwerkranken Patienten damit anstecken. Inzwischen testen die meisten Kliniken bei der Aufnahme von Patienten auf diesen Keim. Unter anderem mit dieser Maßnahme gelang es, die Ausbreitung des MRSA zurückzudrängen. Dafür tauchen nun neue multiresistente Keime auf, zum Beispiel sogenannter gramnegativer Arten. Diese Bakterien weisen noch mehr Resistenzen auf als MRSA, was die Behandlung weiter behindert.
Kein Allheilmittel
Damit kommt dem verantwortungsbewussten und zielgerichteten Einsatz der Medikamente nach wie vor die größte Bedeutung zu. Die Mahnungen und Aufklärungskampagnen von Experten tragen aber bereits Früchte. So sind die Verordnungszahlen an Antibiotika im marktführenden ambulanten Sektor in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.
Manche pflanzliche Substanzen haben ebenfalls eine gewisse antibakterielle Wirkung, allerdings niemals in dem Ausmaß wie ein Antibiotikum. Und man muss wissen, dass einige Produkte wie zum Beispiel Honig selbst Sporen von Bakterien enthalten, die unter anderem bei Säuglingen eigene Infektionen auslösen können.