Hohes Fieber? Kein Grund zur Besorgnis, meint der Arzt, denn ein harmloser Infekt kann ohne die Einnahme von Antibiotika behandelt werden. Doch davon müssen viele Patienten oft erst überzeugt werden, denn Antibiotika sind auch Beruhigungspillen. Wenn man etwas Hochwirksames nimmt, fühlt man sich auch besser, so denken viele. Doch nicht immer helfen Antibiotika, denn sie bekämpfen nur Bakterien, aber keine Viren – was viele nicht wissen.
Keine Wunderwaffe gegen alles!
Antibiotika gelten als Allheilmittel – aber sie sind es nicht immer. Auch im Kampf gegen Bakterien muss das richtige Antibiotikum gefunden werden. Doch viele Ärzte verschreiben offenbar blind – entgegen bestehende Verordnungen. Der Pharmakologe Gerd Glaeske von der Universität Bremen erklärt dazu: „Wir haben häufig Antibiotikaverordnungen mit so genannten Reserveantibiotika – also im Prinzip mit Mitteln, die eigentlich dazu da wären, bei starken Infektionen, bei Sepsis oder dergleichen, auf Intensivstationen verordnet zu werden und wir haben eben sehr viele Antibiotikaverordnungen, in denen man eben überhaupt keine verordnen sollte.“ Doch je mehr Antibiotika verordnet werden, desto mehr gefährliche Resistenzen gibt es – Bakterien, gegen die kaum noch etwas hilft.
Das bestätigt auch Medzin-Journalist Dr. Christoph Specht: „Wenn alte Antibiotika nicht helfen, müssen neue entwickelt werden, auf die sich die Bakterien noch nicht eingestellt haben. 2015 nahm die Resistenz gegen Antibiotika bei den meisten beobachteten Bakterien und Antibiotika weiter zu. Bis zu 25.000 Todesfälle jährlich werden in Europa mit Resistenzen in Verbindung gebracht.“
Neue Wege
Die BKK Nordwest versucht seit Anfang Januar etwas Neues: Sie bietet Ärzten Geld für einen Schnelltest vor dem Verschreiben von Antibiotika. Dieses „Antibiogramm“ zeigt, ob das Antibiotikum überhaupt wirkt. Denn es soll zielgenauer verschrieben werden - und vor allem: weniger. „Wir wollen (…) zeigen, dass sich der Antibiotika-Einsatz deutlich senken lässt. Wir haben ja festgestellt, dass 45 Prozent der Antibiotika-Verordnungen vermeidbar und überflüssig sind", so Dirk Janssen von der BKK Nordwest.
Das Pilotprojekt in den Städten Essen und Duisburg könnte ein Modell für ganz Deutschland sein. Allerdings setzt es voraus: Ärzte müssen sich aufs Warten einlassen, denn: „Ein Problem ist eben, dass ein Antibiogramm auch ein, zwei Tage braucht, bis Sie das Ergebnis haben und Sie müssen eben schon vorher eine Entscheidung treffen“, erklärt Jörg Bätzing-Feigenbaum vom, Zentralinstitut der Kassenärztlichen Vereinigung. Doch in vielen Fällen hilft der schnelle Antibiotikaeinsatz eben gar nicht. Abwarten und testen hingegen könnte helfen – im Kampf gegen die Bakterien.
Keine großen Kaliber gegen Kleinigkeiten
Christoph Specht rät Patienten, zu akzeptieren, wenn der Arzt von einem Antibiotikum abrät. „Manche Patienten wollen auch gerne gegen Schnupfen Antibiotika verschrieben bekommen, überspitzt gesagt. Das ist fatal. Denn es ist möglich, die Ausbreitung resistenter Keime zu bremsen. Daran müssen wir immer wieder erinnern.“