Als Sohn eines Handwerkers gelingt Johann Joachim Quantz eine steile Karriere. Indem der Flötist sich ganz dem musikalischen Talent seines Meisterschülers widmet, gewinnt er prägenden Einfluss auf das kulturelle Leben am Hof des Preußenkönigs.
Quantz komponiert, er baut und verbessert die von Friedrich dem Großen gespielten Instrumente, und er schreibt seinem König ein Lehrbuch für die Flöte. Quantz prägt in Friedenszeiten wie im Krieg die Gegenwelt der Musik, in der der König zugleich geistreiche Entspannung, vollendete Disziplin und Selbstverwirklichung sucht.
Neue Töne aus Frankreich und Italien
Das Instrument ist die Traversflöte. Ursprünglich von den Landsknechten gespielt, musste sich die "Schweitzer Pfeiffe" im kriegerischen Ton mit der Landsknechtstrommel messen. Doch an der Wende zum 18.Jahrhundert geben Instrumentenbauer und Virtuosen der Traversflöte in Frankreich und Italien neue, empfindsamere Töne, die sie zum beliebten Solo- und Orchesterinstrument in den höfischen Metropolen der Aufklärungszeit machen. Die Flötistendynastie der Familie Hotteterre in Frankreich sowie Musiker wie John Loeillet und Johann Joachim Quantz stehen Pate für diese Entwicklung.
Quantz wird am 30. Januar 1697 als Sohn eines einfachen Dorfschmieds in Oberscheden, Hannover, geboren. Mit zehn Jahren tritt er nach dem Tod des Vaters bei Verwandten in Merseburg eine Lehre als Stadtmusikus an. Er wird Stadtpfeifer in Radeberg und Pirna. Weitere Stationen seiner Ausbildung sind Dresden, ein Studium der Kompositionslehre in Wien sowie erneut Dresden und Warschau, wo er eine Stelle als Oboist und Flötist erhält. In der Hofkapelle August des Starken wird Pierre Gabriel Buffardin sein Lehrer. Er spielt die "Traversiere", die Querflöte, nach neuestem französischem Stil. Quantz erweist sich als gelehriger Schüler. König August der Starke schickt ihn zur Vervollständigung seines Talents auf eine Studienreise nach Italien, Frankreich und London von der er 1727 zurückkehrt.
Berührendes Erlebnis
Im folgenden Jahr besucht der 16-jährige Friedrich, Kronprinz von Preußen mit seinem Vater den Sächsischen Hof in Dresden. Seit dem siebten Lebensjahr erhält er Unterricht am Cembalo und in Komposition. Doch wie schon sein Großvater liebt und bevorzugt er die Traversflöte. Quantz spielt vor den königlichen Gästen aus Berlin. Das Erlebnis berührt Friedrich und belebt seinen musikalischen Ehrgeiz. Noch im gleichen Jahr gastiert Quantz in Berlin und wird als Flötenlehrer für den Kronprinzen angestellt - mit der Verpflichtung, zwei Mal im Jahr persönlich anzureisen und den Unterricht zu erteilen. In der Folge komponiert Johann Joachim Quantz für den Prinzen. Er unterrichtet ihn im modernen Flötenspiel und fertigt auch die Instrumente für seinen Schüler, an deren Verbesserung und Weiterentwicklung er ständig arbeitet.
Bereits 1741, im ersten Jahr seiner Regentschaft, holt Friedrich der II. Quantz ganz nach Potsdam. Der Flötist erhält einen Vertrag als "Hof-Compositeur" und "Cammer Musikus" mit Jahresgehalt von 2000 Thalern. Kompositionen und neue Flöten werden extra bezahlt. Im Laufe seiner Tätigkeit für den König wird Quantz ihm mehr als 300 Flötenkonzerte, 200 Sonaten und sieben Konzerte für zwei Flöten widmen. Quantz organisiert und leitet die allabendliche musikalische Unterhaltung des Königs. Und er schreibt ein Schulwerk für die Flöte, das zu den herausragenden musiktheoretischen Werken seiner Zeit gehört. Er nennt es:" Versuch einer Anweisung, die Flöte traversiere zu spielen: mit verschiedenen zur Beförderung des guten Geschmackes in der praktischen Musik dienlichen Anmerkungen begleitet."
Musizieren als Ritual des Regenten
Friedrich II. bewältigt als Regent ein außergewöhnliches Arbeitspensum. Doch das Komponieren und das abendliche Musizieren im Kreis ausgewählter Gäste gehören zum festen Bestandteil seines Tagesablaufes. Quantz bestimmt den musikalischen Geschmack Friedrichs mehr als alle anderen Musiker am Hof. Der Flötenlehrer darf der Einzige das Spiel des Königs kritisieren und korrigieren. Das dabei angestrebte Klangideal beschreibt er so: "Überhaupt ist auf der Flöte der Ton der allergefälligste, welcher mehr einem Contraalt als Sopran; oder welcher den Tönen, die man beim Menschen die Bruststimme nennet ähnlich ist. Man muss sich, soviel als möglich ist bemühen, den Ton derjenigen Flötenspieler zu erreichen, welche einen hellen, schneidenden, dicken, runden, männlichen, doch dabey angenehmen Ton, aus der Flöte zu ziehen wissen."
Auf Feldzügen und bei Inspektionsreisen begleitet Quantz den König mit einigen, ausgesuchten Musikern, damit Friedrich auch unterwegs musizieren kann. Immer neue, zermürbende Kriege bringen Preußen an den Rand des Ruins. Der Ruf des Monarchen als feinsinniger Musiker und Philosoph droht zu verblassen vor neuem Ruhm als genialen Stratege, Feldherr und Politiker. Am Ende des Siebenjährigen Krieges startet der König im Jahr 1763 ehrgeizige Aufbauprogramme um Preußen in seinen neuen Grenzen wirtschaftlich und politisch zu festigen. Auch in dieser Zeit ist Quantz an seiner Seite. Doch neue Impulse fehlen. Die eigene musikalische Entwicklung ist ebenso wie die Friedrichs zu Stillstand gekommen. Zwar sind auswärtige Besucher immer noch beeindruckt vom Flötenspiel des Monarchen. Doch sie merken an, dass der König und sein Lehrmeister einem altmodischen Stil verhaftet bleiben.
Beseelt und anmutig
Johann Joachim Quantz stirbt am 12.Juli 1776 in Potsdam. In seinen letzten Lebensjahren stellt er seine Kunst ganz in den Dienst der Fähigkeit Friedrichs. Die Freude an der Musik ist beiden geblieben. Doch ist auch überliefert, dass der König stets das entscheidende Wort für sich beansprucht und Quantz besonders beim gemeinsamen Zusammenspiel nicht immer mit der ihm gebührenden Hochachtung behandelt. 1775 tritt Johann Friedrich Reichardt seinen Dienst als neuer Hofkapellmeister an. Quantz erhält bis zu seinem Lebensende das zugesagte Gehalt in Höhe von 2000 Thalern jährlich. Der König übt sich weiterhin regelmäßig ein bis zwei Stunden im Improvisieren. Das letzte abendliche Konzert spielt er 1779 vor ausgewählten Gästen in einem eigens dafür hergerichteten Raum. Die langsamen Passagen eines Adagios von Quantz spielte er, wie immer, besonders beseelt und anmutig.