Sie haben für „Ein perfekter Planet“ im hohen Norden Polarfüchse gedreht. Was ist das Besondere an dieser Tierart?
Besonders faszinierend an den Polarfüchsen finde ich, dass sie keinen Winterschlaf halten. Sie streifen bei -50°/-60° Grad umher und schaffen es, unter diesen harten Bedingungen zu überleben. Im Film zeigen wir ja ihr Leben im Frühjahr und Sommer, da kommt dieser Aspekt nicht zum Tragen. Ich habe Polarfüchse aber auch im tiefsten Winter gedreht, und das ist unglaublich. Diese kleinen Tiere trotzen Stürmen und Eiseskälte. Und im Frühjahr, wenn die Jungen da sind, entwickeln sie erst recht eine ungeheure Power. Wir hatten es bei unserem Dreh mit einer alleinerziehenden Mutter zu tun. Sie war praktisch ununterbrochen nur am Laufen und Rennen. Den ganzen Tag, fast ohne Pause. Sie hatte so unglaublich viel Energie. Wenn sie nicht ihre Kinder mit Nahrung versorgte, grub sie Eier für den Winter ein. Das sah richtig niedlich aus: Loch graben, Ei einbuddeln und dann ein bisschen Moos mit der Nase festdrücken. Ein bisschen erinnerte sie an unsere Eichhörnchen, wenn sie Nüsse eingraben. Manchmal war unsere Füchsin dann aber doch geschafft. Meistens legte sie sich dann gerade eben außer Sichtweite vom Bau irgendwo hin und schlief. Auf diese Weise konnte sie zwar hören, wenn ihren Jungen Gefahr drohte, und nahm gewissermaßen ihre Aufsichtspflicht wahr, konnte sich aber wenigsten ein bisschen ausruhen. Am Bau wäre das nicht möglich gewesen. Welpen sind wie Menschenkinder und wollen unbedingt die ganze Zeit auf Mama rumspringen und tollen.
Mit welchen Schwierigkeiten oder gar Gefahren mussten Sie bei den Dreharbeiten an einem abgelegenen Orten fertigwerden?
Das Hauptproblem an so abgelegenen Orten ist die Logistik. Was macht man, wenn eine Kamera kaputt geht? Ersatzteile sind im weiten Umkreis nicht zu bekommen. Um zu der Gänsekolonie und den Füchsen zu gelangen, mussten wir die letzten 400 Kilometer mit einem kleinen Privatflugzeug und das letzte Stück mit einem Hubschrauber zurücklegen. Die Beschaffung von Ersatzteilen mit Hin- und Rückflug dauert mindestens eine Woche. Und das gilt nur für gutes Wetter. Fliegen bei Temperaturen um 0° Celsius ist gefährlich. Die Rotorblätter können vereisen. Das Fliegen in Wolken ist auch sehr gefährlich, weil man die Orientierung für oben und untern verliert. Wir sind auch schon mal nach der Hälfte der Strecke umgekehrt und wieder zurückgeflogen, weil sich auf dem Weg die Bedingungen geändert haben. Wir haben auf der Hin- und Rückreise eine Woche auf gutes Wetter gewartet. Fliegen ist dort wirklich Geduldssache.
Eine weitere Herausforderung bei dem Polarfuchsdreh war auch, dass sich durch die Klimaerwärmung die gesamte Gänsekolonie weiter in den Norden verschoben hat. Von unserer Unterkunft, einem einfachen Blockhaus, mussten wir per Boot einen See überqueren, dessen Eisdecke teilweise getaut war. Der Hinweg zu den Gänsen war eigentlich immer ganz gut zu schaffen. Es gab freie Wasserflächen zwischen den verbliebenen Eisschollen und man konnte im Zickzack, aber doch einigermaßen sicher, über den See fahren. Der Rückweg war allerdings oft viel schwerer zu bewältigen. Wenn die Windrichtung im Verlauf des Tages drehte, wurden die Eisschollen verschoben und verkeilten sich teilweise. Wo man acht Stunden vorher noch eine freie Fahrbahn hatte, war abends alles blockiert.
Wir mussten uns komplett neue Wege suchen, und wo keine waren mussten wir mit voller Kraft auf die nächste Eisscholle rauffahren, dann haben wir das Boot soweit auf dem Eis geschoben, wie es möglich war, und sind dann mit Schwung wieder ins Wasser geglitten. So haben wir uns von einer freien Eisfläche zur nächsten bewegt. Das war langsam und anstrengend. Wir mussten sehr aufpassen, das man dabei nicht ins Wasser fiel.
Was unterscheidet Drehs in kalten Regionen von solchen in gemäßigten Zonen oder den Tropen? Und wo drehen Sie lieber?
Unterschiede gibt es viele. Die Logistik ist in den gemäßigten Zonen oder auch in den Tropen einfacher, weil die Gegenden dichter besiedelt sind als die Wildnis im Norden. In den Tropen hat man das Risiko von giftigen Tieren gebissen oder gestochen zu werden. Auch Krankheiten sind viel häufiger. Hilfe ist dort häufig zu weit weg, das macht es extrem gefährlich. Für die Kamera ist die hohe Luftfeuchtigkeit ein großes Problem. Nirgendwo sonst fallen Kameras so leicht aus wie in den Tropen. Im Norden kann man problemlos arbeiten, gerade wie bei dem Polarfuchsdreh im Frühjahr. Die Schwierigkeiten fangen da erst so bei -20° Celsius an. Dann kann eine Kamera schon mal ausfallen, man muss auf seine Finger-, Fuss- und Nasenspitze aufpassen und wenn es noch kälter wird, lösen sich auch schon mal Kabel in ihre Bestandteile auf.
Trotzdem drehe ich am liebsten in der Tundra oder in den Bergen. An kühleren Orten fühle ich mich einfach wohler. Irgendwie fühlt es sich dort mehr nach Wildnis an. Vielleicht liegt das an meiner norddeutschen Heimat.
Welches Tier hat Sie in Ihrer bisherigen Arbeit am meisten beeindruckt?
Tatsächlich bin ich vor allem von Polarwölfen beeindruckt. Diese Tiere sind so faszinierend wegen ihres Soziallebens. und ihrer Nähe zum Hund. Ich habe insgesamt fünf Monate bei Polarwölfen verbracht. Sie sind neugierig, schauen einem genau in die Augen. Sie untersuchen alles: Jacken, Kabel und so weiter. Dabei gehen sie meistens sogar ziemlich behutsam vor. Für den „perfekten Planeten“ war aber Rolf Steinmann mit den Wölfen unterwegs, deshalb möchte ich gern noch ein anderes Tier ansprechen. Ich war wirklich begeistert von der Lederschildkröte. Diese Tiere sind ungefähr 1,50 Meter lang. Wenn man neben so einem riesigem Tier steht, seine urtümlichen Laute hört, wie sie stöhnt und sich mühsam über den Strand zieht, fühlt man sich irgendwie an einen Saurier erinnert. Das ist sehr cool!
Welches Tier ist am schwierigsten zu drehen?
Das Sumatra-Nashorn ist wahrscheinlich am schwierigsten zu drehen oder sogar undrehbar. Die Umstände sind einfach sehr, sehr schwierig. Das Sumatra-Nashorn lebt solitär in den tiefsten Regenwäldern. Man kann ja als Kameramann nicht kreuz und quer durch den Regenwald laufen und hoffen, dass man zufällig eines der letzten 80 Individuen trifft. Ich kenne überhaupt keine Bewegtbilder von diesen scheuen Tieren, sondern nur Fotos. Im Grunde kann man Sumatra-Nashörner höchstens mal in einer Fotofalle erwischen.
Was war der emotionalste Moment, den Sie je bei einem Dreh erlebt haben?
Den emotionalsten Moment habe ich bei meinem Wolfsdreh erlebt. Ich filmte ein Rudel mit einer Alphawölfin und einem weiteren Weibchen. Die beiden kümmerten sich gemeinsam um einen Wurf Junge. Aber während die Leitwölfin von den anderen Rudelmitgliedern gefüttert worden ist, wurde das andere Weibchen völlig ignoriert. Sie verhungerte schließlich, weil sie trotz Hunger nicht von der Seite der Jungen wich. Dieses Verhalten hat mich wirklich tief bewegt. Das ist totale Hingabe.
Wie sind Sie Tierfilmer geworden? Wer oder was hat Sie inspiriert?
Meine Eltern waren sehr naturverbunden, und mit 14 war ich in einer Naturschutzgruppe. Das hat bei mir das Bewusstsein geweckt, dass man etwas für den Artenschutz tun muss. Außerdem habe ich damals schon viel fotografiert. Ich begann mit ungefähr zehn und benutze noch eine Pocketkamera. Das allererste Motiv war eine Gruppe Flamingos im Sylter Watt. Die Flamingos waren Zooflüchtlinge und gehörten natürlich nicht in diese Landschaft. Schon wenige Jahre später beschäftigte ich mir ernsthafter mit der Fotografie. Eine Spiegelreflexkamera und ein Teleobjektiv waren dann dauerhaft meine Begleiter.
Welche Umweltverschmutzung konnten Sie während Ihrer Drehreisen schon beobachten?
Auf Umweltverschmutzung trifft man natürlich überall, aber an einigen Orten ist es wirklich schwerer zu ertragen als an anderen. Zwei Beispiele für wirklich unfassbare Umweltverschmutzung: Als ich in Äquatorial Guinea die Lederschildkröten drehte, hat mich der Zustand der Strände schockiert. Diese Strände gehören zu den einsamsten der Welt. Hier gibt es kaum Tourismus und auch kaum Nutzung durch die Einheimischen. Trotzdem lag überall Plastik, vor allem PET Flaschen, Flip-Flops, aber auch große Dinge wie Kühlschränke und sogar eine Spritze mit Nadel und Blut drin. Warum sind diese einsamen Strände aber so verschmutzt?
Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Weil sie so einsam sind, räumt niemand auf. Die Anwohner werfen Dinge irgendwo in den Dörfern weg, und diese gelangen früher oder später in die Flüsse. Die Flüsse schwemmen den Müll ins Meer, und die Brandung wirft alles auf die Strände zurück. Da niemand die Strände nutzt, kümmert sich auch niemand darum. Im Gegensatz dazu werden touristisch genutzte Strände überall auf der Welt viel stärker verschmutzt, aber dann kommt eben abends ein Reinigungsteam und macht sie wieder sauber, damit die Touristen am folgenden Tag wieder neuen Müll hinterlassen können. Diesen sinnlosen Kreislauf sollte man unbedingt unterbrechen. Es waren wirklich Berge von Müll.
Ein anderes Beispiel war ebenso unfassbar: Auf Ellesmere Island, in völliger Wildnis, hunderte von Kilometern nichts als unberührte Natur - keine Leitungen, keine Straßen, keine Geräusche. Und dann: ein verrostetes 200 Liter Benzinfass in mitten der unberührten Tundra. Man fragt sich natürlich gleich, was hier ein Benzinfass zu suchen hat. Wissenschaftler erzählten mir dann, dass vor Jahren ein Ölsuch-Team hier unterwegs gewesen ist. Offenbar fand man hier keine ausreichende Menge Öl und fuhr ohne eine einzige Probebohrung wieder fort, aber das leere Benzinfass blieb zurück. Mir ist völlig unverständlich, dass Menschen so gar keinen Respekt vor unberührter Natur zeigen.
Tierfilmer dokumentieren vielfach bedrohte Arten. Können Tierdokumentationen im Fernsehen dazu beitragen, diese besser zu schützen?
Ja, ich glaube, dass können sie. Allerdings halte ich es für einen großen Fehler, immer die kritische Umweltdoku und den „schönen Tierfilm“ zu trennen. Wir brauchen dringend etwas dazwischen. Reine Tierfilme dienen oft nur zur Entspannung des Zuschauers und das ist ja auch gut bis zu einem gewissen Grad, aber eben nicht nur. Ich befürchte, dass die Menschen die schönen Bilder sehen und den Eindruck bekommen: Ach, es kann ja gar nicht so schlimm sein. Es gibt ja noch so viel schöne Natur.“ Das kann leicht passieren, wenn wir die Bedrohung der Wildnis immer ausblenden.
Kritische Reportagen dagegen schauen sich viel weniger Zuschauer an, und man muss davon ausgehen, dass diejenigen, die sich solche Programme sehen, sowieso schon gut informiert sind. Mein Plädoyer ist also, Tierfilme mit wunderbaren Bildern und anrührenden Geschichten mit einem kritischen Blick zu kombinieren. Mit „Ein perfekter Planet“ könnte das tatsächlich gelingen.