Die letzte Episode von „Ein perfekter Planet“ ist ganz anders gestaltet als die vorherigen. Was ist ihr spezieller Ansatz?
Der zentrale Erzählstrang der fünften Folge macht deutlich, wie die Menschheit - heute eine dominante Kraft in der Natur - die Balance des Lebens auf der Erde aus dem Gleichgewicht bringt. Vielleicht gibt es in der Bevölkerung mittlerweile ein grundsätzliches Bewusstsein dafür, dass die Erwärmung unseres Planeten ein ernsthaftes Problem ist, aber die meisten verstehen nicht, was genau passiert. Warum ist die Erwärmung eine so drängende Gefahr? Und was wir tun können, um sie zu stoppen?
Der Film verweist als Ausgangspunkt der Überlegungen auf Ereignisse in der Erdgeschichte, als Kohlendioxid in vergleichbarer Menge von Vulkanen ausgestoßen wurde und zu mehreren Massenaussterben führte. Die Menschheit setzt heute dasselbe Gas in riesigen Mengen frei. Damals sorgte CO2 für einen kompletten Zusammenbruch der Lebenserhaltungssysteme auf der Erde.
Der Film zeigt aber auch zwei mächtige Lösungsansätze auf. Als erstes müssen wir für den Schutz der natürlichen Welt sorgen, sowohl an Land als auch im Meer. Die natürlichen Systeme absorbieren und speichern große Mengen von Kohlendioxid und bieten so gute Voraussetzungen, die Erwärmung der Erde zu verlangsamen. Der zweite Lösungsansatz bezieht sich auf die Kräfte der Natur selbst: Sonne, Wind, Vulkane und Ozeane. Da der Energiebedarf der Menschheit weiter wächst, ist die Nutzung dieser erneuerbaren Energieressourcen die einzige realistische Option, wenn wir unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aufgeben wollen, wie wir ein planetares Desaster verhindern können.
Um den Zuschauer in diese übergreifende Geschichte hineinzuziehen, arbeiten wir mit emotionalen Tiergeschichten. Dazu gehören zum Beispiel die Elefantenwaisen in Kenia, die Schildkröten im Kälteschock an der Ostküste der USA oder auch die Rettung eines Faultiers am Rande von Manaus. Außerdem erzählen wir von jungen Menschen, von der nächsten Generation, deren Erbe dieser Planet ist. Zum Beispiel kommt die 10-jährige Korka aus dem Senegal zu Wort, die am Aufbau der Großen Grünen Mauer mitarbeitet. Dieser breite Streifen aus dürreresistenten Bäumen soll die weitere Ausbreitung der Sahara stoppen.
Warum glauben Sie, dass es wichtig ist, Menschen in diese Reihe über Naturkräfte einzubeziehen?
In den vorangegangenen Folgen haben wir gezeigt, wie die verschiedenen Kräfte der Natur dafür sorgen, dass sich das Leben entfalten konnte. Deshalb schien es für den Abschluss der Serie wichtig zu erklären, wie die Menschen so mächtig geworden sind, dass sie diese Kräfte aushebeln können - und damit das gesamte Lebenserhaltungssystem des Planeten.
In der Gegenwart leben 55 Prozent von uns in Städten, und diese Zahl wird bis 2050 auf 70 Prozent ansteigen. Als Spezies lösen wir uns also zunehmend von der natürlichen Welt und vergessen immer mehr, dass wir ohne sie nicht leben können.
Stabile Wettersysteme unterstützen das Leben an Land, und die Ozeanströmungen verteilen Nährstoffe in den Meeren. Die verschiedenen Systeme erschaffen Leben in den Wäldern, im Grasland, in den Mangroven und den marinen Ökosystemen – die uns wiederum mit Sauerstoff, Wasser und Nahrung versorgen. Das gesamte globale Lebenserhaltungssystem und die Tierwelt befinden sich in einer feinen Balance, die in Millionen von Jahren entstanden ist. Weil nun die Population der Menschheit explodiert, Unmengen von CO2 freisetzt und in die natürlichen Lebensräume eingreift, haben wir unwissentlich das gesamte System in Gefahr gebracht. Ich denke, es ist unglaublich wichtig, die Menschen daran zu erinnern, dass wir, auch wenn wir unseren Kontakt zur Natur verloren haben, immer noch Lebewesen der Erde sind, die den Planeten mit Millionen von anderen Spezies teilen, von denen jede einzelne eine Rolle dabei spielt, die Erde als Lebensraum zu erhalten.
Für mich ist die Folge „Menschen“ eine grundlegende Zusammenfassung der Reihe, nicht einfach um herauszuarbeiten, dass eine einzelne, sehr einflussreiche Spezies unseren perfekten Planeten völlig zum Kippen bringen kann, sondern auch um zu verstehen, dass wir als dominante Art eine große Verantwortung dafür tragen, dass unser Planet auch für künftige Generationen und die Tierwelt gleichermaßen erhalten bleibt.
Welche Geschichte darüber, wie die Menschheit das Leben auf der Erde beeinflusst, hat Sie am meisten berührt?
Das war nicht eine Geschichte, das waren zwei. Die erste spielt in Kenia, wo wir Dutzende von verwaisten Babyelefanten drehten, viele von ihnen wurden elternlos aufgefunden wegen der zunehmenden Dürre und anderen schwerwiegenden Wetterveränderungen. Während der Filmarbeiten durften wir Zeit mit Angela Sheldrick verbringen, deren Eltern das Elefanten-Waisenhaus gegründet haben. Angela gab uns wunderbare Einblicke darin, was erforderlich ist, um Babyelefanten zu retten. Oder auch was sie an Fürsorge benötigen auf ihrem langen Weg bis zur Auswilderung.
Was mich wirklich betroffen gemacht hat, war, wie aufmerksam und intelligent diese jungen Wesen sind und wie ähnlich sie menschlichen Babys zu sein scheinen bezüglich der emotionalen Unterstützung, die sie Tag für Tag brauchen. Gerade wurde mein zweiter Sohn geboren, Walter. Vielleicht war es seinetwegen so berührend für mich, Zeit mit diesen zerbrechlichen kleinen Waisen zu verbringen. Nach vielen Jahren der Pflege durch Angelas Team werden die Waisen im Tsavo National Park langsam wieder an die Wildnis gewöhnt. Hier können Ranger sie vor Wilderern schützen und regelmäßig mit Wasser versorgen, wenn die Dürre zur neuen Normalität wird.
Afrika ist durch den Klimawandel gefährdeter als andere Regionen der Erde. Ich glaube, nur wenn wir die direkten Opfer unserer Aktionen treffen, wie zum Beispiel die Babyelefanten, begreifen wir wirklich, wie schnell wir die Erde verändern und wie dringend es für uns ist, drastische globale Maßnahmen zu ergreifen, bevor es zu spät ist.
Die zweite Geschichte fand ich sehr überraschend, emotional schockierend und inspirierend zur selben Zeit. Und zwar geht es um die Schildkröten im Kälteschock, die wir in der Nähe von Boston im Nordosten der USA gedreht haben. Der Golf von Maine erwärmt sich stärker als die meisten Meeresgebiete. Vor allem Grüne Meeresschildkröten, Atlantik Bastard Schildkröten und Unechte Karettschildkröten aus der Karibik und dem Golf von Mexiko folgen auf der Suche nach Nahrung den warmen Ozeanströmungen an der amerikanischen Küste entlang nach Norden. Immer mehr Schildkröten kommen so nach Norden. Wenn dann plötzlich der kalte Herbst einsetzt, sind die Schildkröten in der Gegend von Cape Cod gefangen und fallen in einen Schockzustand.
In den vergangenen Jahren wurde das Problem so ernst, dass die Organisation Mass Audobon und eine Armee von freiwilligen Helfern nach jeder Flut die Strände durchkämmen, um Hunderte von Schildkröten zu retten. Einige der Tiere sind dem Tode schon sehr nahe und häufig schwer verletzt, nachdem sie stundenlang bewegungsunfähig von den Wellen hin und her geworfen wurden. Sie haben zerkratzte Augen, zertrümmerte Organe, gebrochene Knochen, Wasser in den Lungen, schwere Dehydrierung und Unterkühlung.
Einmal gerettet, werden die Schildkröten zum New England Aquarium transportiert, einer supermodernen Notfallklinik für Schildkröten. Betritt man dieses Gebäude, fühlt man sich in die Notaufnahme eines Krankenhauses für Menschen versetzt. Dann nimmt man mit Schrecken die riesige Anzahl von Notoperationen wahr – die Szenerie erinnert an ein Massenunfallereignis. Hunderte von Schildkröten werden in unterschiedlichen Stadien der Heilung betreut.
Die vollständige Regeneration kann Monate dauern. Aber sobald die Schildkröten gesund genug sind, ruft das Krankenhaus „Turtles Fly To“ an, einen Service, den ehrenamtliche Helfer zur Verfügung stellen. Diese Vereinigung stellt ihre Zeit und ein Flugzeug zur Verfügung, um die Schildkröten in den Süden von Florida zu fliegen, wo sie dann endgültig in wärmere Gewässer entlassen werden. In den vergangenen Jahren wurden 1000 Schildkröten in Cape Cod allein gerettet.
Die schiere Zahl der Not-Operationen und die Tatsache, dass man freilebende Tiere per Flugzeug in einen verträglichen Lebensraum befördern muss, zeigt auf schockierende Weise, wie schnell sich die Systeme der Ozeane verändern und wie wenig das marine Leben mit dem Ausmaß dieses Wandels mithalten kann.
Erzählen Sie bitte vom „Frozen Zoo“. Glauben Sie, dass uns diese neue Technologie eine Hoffnung für die Zukunft bringt?
Der „Frozen Zoo“ in San Diego und ähnliche Projekte überall auf der Erde leisten großartige Arbeit, indem sie die DNA von bedrohten Tierarten sammeln.
Die „Gefrorenen Zoos“ sind aber eher eine Versicherung für den schlimmen Fall, dass eine dieser Arten tatsächlich ausstirbt. Und ich möchte nochmal hervorheben, dass der kryogenische Zoo von San Diego genetisches Material und unersetzliche Lebendzellen von über 10.000 Arten besitzt (einige sind bereits ausgestorben). Die Technologie ist momentan noch nicht ausreichend entwickelt, ein einmal ausgestorbenes Tier wieder ins Leben zurückzubringen. Es gibt aber die Hoffnung, dass das in einer nicht all zu fernen Zukunft möglich sein wird. Zum Beispiel existieren mehrere DNA-Proben des mittlerweile ausgestorbenen Nördlichen Breitmaulnashorns. Mithilfe der Stammzellen-Technologie könnte man aus Hautproben Ei- und Samenzellen gewinnen und so die Art auf die Erde zurückbringen.
Der „Frozen Zoo“ kann aber viel mehr als nur ausgestorbene Arten zurückzubringen. DNA-Proben aus San Diego konnten auch dazu benutzt werden, um Gorillafleisch zu identifizieren. Die Tiere waren illegal in Afrika gejagt worden. Bei einigen Arten sinken die Zahlen so sehr, dass Wissenschaftler um die lebenswichtige genetische Vielfalt fürchten. DNA aus dem „Frozen Zoo“ kann dazu beitragen, ausreichend große Vielfalt wiederherzustellen und so von vornherein das Aussterben zu verhindern.
Betroffen machen die internationalen Anstrengungen und die Dringlichkeit, mit der die verschiedenen „Gefrorenen Zoos“ weltweit so viele Proben wie möglich sammeln. Mit Aussterberaten hundert Mal so hoch wie in einer funktionierenden Welt, werden die Sammlungen von genetischem Material immer wichtiger. Gleichzeitig müssen die Anstrengungen verstärkt werden, die Verluste von Tierarten und Lebensräumen zu senken. Denn was würde es nützen, eine Art aus dem Grab zurückzuholen, wenn es nicht ausreichend viele Wälder, Mangroven oder andere natürliche Orte gäbe, wo sie dann leben könnte?
Was können wir alle aus diesem Programm lernen?
Menschen sind jetzt eine der dominantesten Kräfte der Natur, aber große Macht bedeutet auch große Verantwortung. Wir müssen bessere Verwalter der natürlichen Welt werden und uns mehr um unsere Mitgeschöpfe kümmern, denn ohne die lebendigen Systeme ist auch unser eigenes Überleben in Gefahr.
Eine andere Lektion ergibt sich hoffentlich aus der Tatsache, wie vernetzt unser Planet ist. Die Biosphäre der Erde ist eine verschlossene Blase im All, die alles Leben enthält. Wenn wir eine weiterwachsende Menge von Kohlendioxid in das System entlassen, wird dieses Gas die Balance an Land, in der Atmosphäre und in den Ozeanen zum Kippen bringen. Das betrifft alle Leben, uns eingeschlossen. Ich hoffe also, dass der Film den Menschen ein tieferes Verständnis dieser Dinge vermittelt. Wenn wir wollen, dass die Erde ihre bemerkenswerte Fähigkeit behält, das Leben zu formen und zu unterstützen, dann brauchen wir eine radikale Veränderung unseres derzeitigen, destruktiven Kurses. Die Biosphäre ist komplex und sehr fein ausbalanciert. Ich hoffe, dass die Zuschauer das nach dem Film besser zu schätzen wissen.
Indem unsere Welt sich weiter erwärmt und wir regelmäßig den Rekord für das „heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen“ brechen, höre ich Menschen in Großbritannien sagen: „Ach es ist doch schön, wenn es hier etwas wärmer wird. Was kann daran so falsch sein?“. Unsere Hoffnung ist, dass das Publikum durch diese Episode ein neues Verständnis von den verborgenen Mechanismen dieser Erwärmung bekommt. CO2 mag ja unsichtbar sein, aber wenn Menschen endlich begreifen, warum zu viel davon schädlich ist, wird es viel einfacher sein, sie zu einem Wandel zu bewegen.
Das bringt uns zu der letzten Erkenntnis, die die Menschen aus diesem Programm gewinnen können. Wir müssen alle helfen, die natürliche Welt zu schützen mit ihrer gigantischen Kapazität, Kohlendioxid zu absorbieren und zu speichern. Aber das muss Hand in Hand mit einer Befreiung von unserer Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen stattfinden. Erstaunlicherweise stammen noch immer 80 Prozent unserer Energie aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen. Wir können alle unseren Teil dazu beitragen, den globalen Kohlendioxid–Fußabdruck zu verkleinern, indem wir den Konsum reduzieren und die vorhandenen Ressourcen wiederverwenden oder recyclen. Wir können weniger fliegen und insgesamt umweltfreundlichere Transportmittel verwenden. Aber der größte Wandel muss tatsächlich in der Energiegewinnung selbst geschehen.
Die Erde hat all die natürliche Energie, die die Menschheit benötigt, in Form von Sonnenlicht, Wind, Wellen und Erdwärme. Trotzdem dauert der Wechsel von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien einfach zu lang.
Es ist ein ernüchternder Gedanke, dass bis zu 20 Prozent des Kohlendioxids, das bisher ausgestoßen wurde, noch mehr als 1000 Jahre in der Atmosphäre bleiben wird. Das bedeutet, dass viel von der Zerstörung, die wir gerade verursachen, noch lange auf uns wirken wird. Zum Beispiel wird die Erwärmung der Ozeane für 100 Jahre weitergehen, selbst wenn wir allen CO2–Ausstoß heute noch stoppen würden. Wenn wir wollen, dass unser perfekter Planet das Leben weiterhin unterstützt, dann ist eine sofortige und radikale Veränderung unseres Lebens notwendig. Wir haben das Wissen und die Technologie, um das möglich zu machen. Daher hoffe ich, dass durch den Film klarer wird, wie dringend nötig ein umfassender Wandel ist.