Erst diese Woche durften die Bewohner des Wuppertaler Hochhauses, das Ende Juni aus Sicherheitsgründen geräumt wurde, in ihre Wohnungen zurückkehren; die brennbare Kunststoff-Fassade an den Treppenhäusern und den Laubengängen wurde entfernt.
Dass Gebäudeverkleidungen ein veritables Sicherheitsrisiko darstellen können, wurde im Fall des Londoner Grenfell Towers offensichtlich: Die leicht entflammbare Fassade des Wohnhauses wirkte wie ein Brandbeschleuniger. So weitete sich ein zunächst räumlich beschränkter Brand, der durch einen defekten Kühlschrank ausgelöst wurde, zu einem Flammenmeer aus, das sich bis in die letzten Etagen des Hochhauses ausbreitete.
Unterschiedliche Anforderungen
„Das, was in London passiert ist, wird ein Jahrhundertereignis bleiben“, sagt Brandschutzingenieur Reinhard Eberl-Pacan. Es gebe hierzulande zwar ältere Hochhäuser, die aufgrund anderer Baubestimmungen oder fehlerhafter Ausführung gefährdet seien. Seit den 80er-Jahren seien jedoch brennbare Baustoffe bei Hochhäusern verboten – diese Gebäude seien sicher.
Bei den Baustoffen muss zwischen den Kategorien „schwer entflammbar“ und „nicht brennbar“ unterschieden werden. Erstere Anforderung müssen Gebäude bis zu einer Höhe von 22 Metern erfüllen, während bei Hochhäusern Letzteres gilt. „Um diese Anforderung zu erfüllen, sind Brandriegel vorgeschrieben, die in Versuchen getestet wurden“, erklärt der Brandschutzingenieur. Man könne sich zwar darüber streiten, inwiefern Versuche die Wirklichkeit abbilden, aber im Grunde sei für ausreichende Sicherheit gesorgt.
Räumlich beschränkt aber nicht verhindert
Polystyrol ist eines der am häufigsten verwendeten Dämmmaterialien. Es wird als Wärmeverbundsystem verbaut und ist zum Beispiel durch eine Schicht Putz geschützt. Wirkt allerdings starke Hitze auf den Putz ein, etwa durch Flammen, die aus dem Fenster schlagen oder einer brennenden Mülltonne direkt vor dem Haus, beginnt das Polystyrol zu schmelzen und es entsteht eine Mischung aus Flüssigkeiten und Gasen. Wenn der Putz dann aufreißt, führt dies zu einem Flammeninferno. „Brandriegel sollen den Schmelzeffekt auf eine bestimmte Fläche beschränken“, erklärt Reinhard Eberl-Pacan. Das Schmelzen und ein daraus möglicherweise resultierender Brand werden aber nicht gänzlich verhindert.
Die Vorschriften seien in den letzten Jahren nachgebessert und die Prüfverfahren verschärft worden, führt der Brandschutzingenieur aus. Dass beispielsweise Polystyrol nach wie vor zur Dämmung verwendet wird, liege daran, dass sich die Bauordnung nicht auf einzelne Baustoffe, sondern auf ihre Eigenschaften bezieht. „Dies bedeutet, dass einzelne Baustoffe schwer auszuschließen sind. Außerdem müssten dann auch andere Wärmedämmverbundsysteme aus nachwachsen Stoffen verboten werden. Diese sind auch brennbar, aber nicht so gefährlich. Aus Gründen der Nachhaltigkeit sollten wir aber nicht auf nachwachsende und abbaubare Stoffe verzichten“, sagt Eberl-Pacan. Wichtig sei daher der sorgfältige und kontrollierte Umgang damit. In Zukunft müsse man auf erdölhaltige Produkte verzichten.
Brandschutzverordnung einfordern
Wer selbst in einem Hochhaus wohnt, sollte sich die Brandschutzverordnung genau anschauen. Sie ist eine Anlage des Mietvertrags. Dort ist unter anderem festgelegt, wo die Rettungswege sind und wie man sich bei einem Brand zu verhalten hat. „Sollte diese Anlage nicht vorhanden sein, sollte sie vom Vermieter eingefordert werden“, rät der Brandschutzingenieur. Außerdem müssen im Hochhaus durch Schilder die Fluchtwege gekennzeichnet sein und die Bewohner sollten sich über die Lage der Treppenhäuser informieren, da im Brandfall die Aufzüge nicht benutzt werden können.
Auch auf die Fassade sollte man einen prüfenden Blick werfen: „Wenn Schäden an der Fassade vorhanden sind, etwa durch Vögel oder Risse, sollte das dem Eigentümer gemeldet werden.“ Wichtig sei auch, dass Mülltonnen nicht direkt am Haus stehen oder durch nicht brennbare Materialien wie ein Blechdach geschützt sind.
Bei einem Einfamilienhaus seien die Gefahren im Allgemeinen sehr gering. „Besitzer sollten zum Beispiel beim Anbringen von Elektrokabeln an der Fassade immer einen Fachmann zu Rate ziehen, damit die Fassade nicht beschädigt wird“, rät Reinhard Eberl-Pacan.
Mit Material von ZDF und dpa