Geldflüsse von Abgeordneten:Wie die AfD rechte Aktivisten finanziert
von Julia Klaus
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Die AfD findet kreative Wege, um ihr rechtes Umfeld zu fördern. So überweist ein Abgeordneter 6.000 Euro an einen Spieleentwickler, der in der Identitären Bewegung aktiv war.
11.500 Euro brutto verdiene er im Monat dank seines Mandats, sagt Roger Beckamp, AfD-Abgeordneter im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Da sei man "weich und trocken gebettet". In einem rechten Podcast schilderte der Politiker, der im September in den Bundestag einziehen möchte, wie er seine Diät nutzt.
Beckamp schreibt Stipendien aus. 500 Euro monatlich über ein Jahr hinweg zahlt er ausgewählten rechten Aktivisten. Direkt für die AfD tätig werden müssen die Geförderten nicht. Es gehe darum, eine "patriotische Gegenöffentlichkeit" zu unterstützen. Empfänger des aktuellen Stipendiums ist die neurechte Spieleschmiede "Kvltgames" aus der Nähe von Linz in Österreich. Insgesamt 6.000 Euro sollen an sie fließen.
Sie geben sich konservativ, bürgerlich und intellektuell. Und sie wollen keine Nazis und Faschisten sein: die "Neuen Rechten". Aber was wollen sie? Und was sind ihre Strategien?09.06.2021 | 44:26 min
PC-Spiel "Heimat Defender" wurde als jugendgefährdend indiziert
Kvltgames ist aus mehreren Gründen problematisch: Ihr erstes PC-Spiel "Heimat Defender" wurde in Deutschland 2020 als jugendgefährdend indiziert. Es diskriminiere Menschengruppen und könne bei Kindern und Jugendlichen zu einer Verrohung führen, bediene Fremdenfeindlichkeit und Homophobie, führte die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz im Gutachten aus.
Der Spieler kämpft mit Wurfäxten gegen Figuren, die Regenbogenflaggen tragen, im Hintergrund sind Antifa-Logos. Als Gegner tauchen auch Karikaturen von Angela Merkel, Heiko Maas, dem jüdischen Investor George Soros sowie ZDF-Moderator Jan Böhmermann auf.
Aktuell arbeitet Kvltgames an einem Nachfolge-Spiel, will sich vergrößern - und sammelt dafür Geld ein. Roger Beckamp ist nun Teil der Unterstützer.
Programmierer war führender Kader der Identitären Bewegung
Hinter dem Spiel stecken zentrale Köpfe der rechtsextremen Szene aus Österreich und Deutschland. Der Programmierer Roland Moritz von Kvltgames war führender Aktivist der Identitären Bewegung (IB) in Österreich. "Ich bin nicht mehr bei der Identitären Bewegung aktiv", schreibt er ZDFheute. Mit anderen Kadern stand er 2018* wegen Verhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung vor Gericht, wurde aber freigesprochen.
In Deutschland stuft der Verfassungsschutz die IB als "gesichert rechtsextremistisch" ein und darf sie beobachten. Das Spiel "Heimat Defender" wurde zusammen mit dem rechtsextremen Verein "Ein Prozent" herausgebracht. Der Verfassungsschutz führt ihn als Verdachtsfall.
CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist der Wahlsieger der Bundestagswahl 2025. ZDFheute informiert über aktuelle Nachrichten, Daten, Reaktionen und Analysen.
AfD verbietet die Zusammenarbeit mit den Identitären
Beckamp tut nichts Illegales, er darf mit seinem Abgeordnetengehalt grundsätzlich unterstützen, wen er möchte. Er verstößt damit jedoch gegen die sogenannte Unvereinbarkeitsliste, die die AfD für eine Reihe von Organisationen führt - auch die IB ist darunter. Selbst wenn Moritz nicht mehr für die IB aktiv wäre - er pflegt noch immer enge Kontakte in die Szene.
Beckamp schreibt, er habe die IB nicht finanziell unterstützt: "Selbstverständlich habe ich mich stets und werde mich auch zukünftig an den Unvereinbarkeitsbeschluss beziehungsweise auch sonstige Regelungen innerhalb meiner Partei halten."
Politische Botschaften in PC-Spielen zielen auf Jüngere ab
Die Geldflüsse der AfD führen oft zum Vorfeld, also jenem gesellschaftlichen Teil, der vor der politischen Arena kommt. Dazu zählen Verlage, Mode- und Musik-Label, Denkfabriken, Burschenschaften - und eben auch Computerspiele. Sie sind besonders geeignet, um Botschaften bei Jüngeren zu verbreiten, sagt die Extremismus-Expertin Linda Schlegel:
Die Spiele sind Teil einer viel größeren Strategie, die durch popkulturelle Angebote, "Coolness", Humor und ansprechende Formate versucht, eine langsame, aber stetige Diskursverschiebung zu erreichen bzw. die Grenzen des Sagbaren und öffentlich Vertretbaren zu verschieben.
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Linda Schlegel, Extremismus-Expertin von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Beliebtes Mittel, um rechte Aktivisten zu fördern, ist die Anstellung in einem Abgeordnetenbüro. AfD-Aussteiger Nicolai Boudaghi berichtet ZDFheute: "Es ist üblich, dass AfD-Abgeordnete junge Menschen aus dem politischen Vorfeld anstellen, um sie an sich zu binden und finanziell zu unterstützen." Beispiele dafür sind:
Der Geschäftsführer der neurechten Denkfabrik "Institut für Staatspolitik" (IfS), Erik Lehnert, arbeitet als Referent bei der Brandenburger Landtagsfraktion.
Bei Oliver Kirchner, Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt, arbeiten laut "MDR" noch immer zwei ehemalige Kader der Heimattreuen Deutschen Jugend, einer Neonazi-Organisation, die auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht. Kirchner wollte sich gegenüber ZDFheute nicht äußern.
Marvin Neumann musste wegen rassistischer Tweets als frisch gewählter Vorsitzender der AfD-Jugend zurücktreten, war dann Sprecher der Landtagsfraktion Brandenburg …
… und wurde nun durch Jörg Dittus ersetzt, der laut "Märkischer Allgemeinen" bei der IB in Halle aktiv gewesen sein soll. Er schreibt auch für "Die Kehre", ein rechtes Öko-Magazin.
Parteinahe Stiftung dürfte nach der Wahl Millionen erhalten
Bald könnten noch wesentlich größere Summen fließen als die 6.000 Euro wie im Fall Beckamp. Nach der Bundestagswahl wird die AfD vermutlich zum zweiten Mal dem Parlament angehören - ihrer parteinahen "Desiderius-Erasmus-Stiftung" stünden dann mehrere Millionen Euro Steuergeld aus dem Bundeshaushalt zu.
Die Stiftungsvorsitzende rechnete gegenüber dem Deutschlandfunk mit sieben Millionen allein im ersten Jahr. Das könnte die Finanzierung des rechten Umfelds auf eine neue Stufe heben.
Nachtrag vom 20.8.: Nach Erscheinen des Artikels wurde die Autorin auf Fotos hingewiesen, die Moritz noch Ende Juli mit einer Ordner-Armbinde bei einer Identitären-Demonstration in Wien zeigen sollen. Damit konfrontiert, schrieb Beckamp: "Die Teilnahme an einer Demo, auch als Ordner, macht niemanden zu einem Aktivist einer Organisation. Dies gilt unabhängig vom Anlass der Demonstration."
*In einer ersten Version hatte es geheißen, dass der Identitären-Prozess 2019 war. Tatsächlich fand er 2018 statt. 2019 war lediglich die Berufungsverhandlung.
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