Bei Wind und Wetter macht sich Annemarie Ruddies auf den Weg. Die Rentnerin aus Burg muss arbeiten gehen, um über die Runden zu kommen. 689€ Rente reichen nicht.
Heute holt sie Gertrud Butz ab, die sie mehrmals pro Woche betreut. Für die Pflegebedürftigen ist Annemarie Ruddies Ortskenntnis ein Geschenk.
In der DDR hatte die Schneidermeisterin einen eigenen Laden in Burg. Nach der Wende musste sie den Laden schließen. Sie übernahm dann verschiedene Aushilfsjobs und arbeitete später in einer Konfiserie als Verkäuferin. 39 Jahre lang war Annemarie Ruddies insgesamt berufstätig. Dass sie trotzdem als Rentnerin noch arbeiten muss, findet sie nicht fair.
Dass sie nicht alles einfach machen kann, wird ihr immer wieder bewusst. Das fängt bei den kleinen Dingen an: Ein Besuch im Eiscafé ist etwas ganz Besonderes für Annemarie Ruddies – und eine große Freude für Gertrud Butz. Manchmal gönnt sich Annemarie Ruddies einfach so zwischendurch ein Eis – allerdings muss sie dafür an anderer Stelle verzichten. Ihr Zusatzjob bringt 175 Euro pro Monat.
Ihre geringe Rente hat unter anderem damit zu tun, dass sie noch zu DDR-Zeiten geschieden wurde. Ihr steht somit kein Versorgungsausgleich für gemeinsame Ehejahre zu - ein Aspekt, der bei der Wiedervereinigung schlicht vergessen wurde. Seit Jahren kämpft sie für Gerechtigkeit, für kleine Zugeständnisse. Vertrauen in die Politik hat sie kaum noch.
Zum Glück macht sie ihren Job gerne, freut sich, dass sie helfen kann. Und ein bisschen Zeit für ihre Hobbys nimmt sie sich auch: Annemarie Ruddies bastelt gerne Sträuße aus Pralinen. Am liebsten für andere.
Aus wenig viel machen - das hat sie auch ihrem Sohn mit auf den Weg gegeben. Er wohnt mit seiner Familie im Schwarzwald, sieht seine Mutter nur selten. Bei allen Problemen, möchte die Rentnerin niemandem zur Last fallen.
Um das zu schaffen wird die 68-Jährige weiterhin ihre Rente aufbessern müssen – so lange wie irgendwie möglich.
Ein Film von Isabelle Schäfers