Christian K., der mutmaßliche Organisator der rechtsextremen Chatgruppe "Revolution Chemnitz", war schon 2006 als gewaltbereiter Neonazi im Umfeld der Kameradschaft "Sturm 34" aktiv. Das geht aus Ermittlungsunterlagen der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge aus dem Jahr 2006 hervor, die Frontal 21 einsehen konnte.
"Revolution Chemnitz" als Nachfolgeorganisation von "Sturm 34"?
Bisher war nur von Tom W. bekannt, dass er Mitglied von "Revolution Chemnitz" und zuvor auch Anführer der Neonazigruppe "Sturm 34" war. Beide Männer werden in den Chemnitzer Polizeiunterlagen zu "Sturm 34", neben rund 50 weiteren Neonazis, als Tatverdächtige aufgelistet. "Sturm 34" wurde im März 2007 vom sächsischen Innenministerium als gewaltorientierte, verfassungsfeindliche Organisation verboten.
Der Generalbundesanwalt wirft Christian K., Tom W. und sechs weiteren Mitgliedern von "Revolution Chemnitz" vor, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet und geplant zu haben, Terroranschläge mit automatischen Waffen durchzuführen. Kerstin Köditz, Abgeordnete der Linken im sächsischen Landtag, sieht "Revolution Chemnitz" als Nachfolgeorganisation von "Sturm 34". "Wer 'Sturm 34' vergisst, bekommt 'Revolution Chemnitz'", sagte Köditz Frontal 21 mit Blick auf die sächsische Justiz und Polizei. "Die sächsischen Sicherheitsbehörden haben es nach dem Verbot von 'Sturm 34' versäumt, die kontinuierlich weitergehenden Aktivitäten einzelner Akteure im Blick zu behalten", kritisiert Köditz.
Generalbundesanwalt zog Verfahren nicht an sich
Anfang 2006 hatte Tom W. in Mittweida die rechtsextreme Kameradschaft "Sturm 34" gegründet, deren Mitglieder zahlreiche Straftaten wie Körperverletzung und Propagandadelikte begingen. Die Polizei Chemnitz-Erzgebirge stufte "Sturm 34" im Dezember 2006 als kriminelle Vereinigung ein, deren Ziel es sei, Mittweida und dessen Umgebung von politisch Andersdenkenden, sogenannten "Zecken" und "Hip-Hoppern", aber auch Ausländern zu befreien, heißt es in Polizeiunterlagen, die Frontal 21 ebenfalls einsehen konnte.
Doch weil das Landgericht Dresden in einem ersten Verfahren die Gruppe um Tom W. vom Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung freisprach, lehnte es der Generalbundesanwalt 2008 ab, das Verfahren gegen die "Sturm 34"-Mitglieder an sich zu ziehen. Zwar wurde die Nazi-Kameradschaft in späteren Verfahren als kriminelle Vereinigung eingestuft, doch es blieb bei Bewährungsstrafen für Tom W. und die Mitangeklagten. Der damalige Bürgermeister von Mittweida, Matthias Damm, CDU, kritisierte die sich über mehrere Jahre hinziehende Verfahrensdauer: Die Unabhängigkeit der Justiz dürfe nicht "in Untätigkeit ausarten", sagte Damm 2012.
Ministerium hatte keine Erkenntnisse über illegale Weiterführung
Im März 2014 verbot das sächsische Innenministerium (SMI) die Neonazi-Gruppe "Nationale Sozialisten Chemnitz/Raus in die Zukunft". Auf deren Facebook-Profil fand sich damals ein Link zur Gruppe "Revolution-Chemnitz-ANW". Die früheren Aktivisten von "Sturm 34", die sich jetzt "Revolution Chemnitz-ANW" nannten, waren den Behörden offenbar nicht bekannt. "Die derzeit noch nicht identifizierten Betreiber werben dort nicht nur für Aktionen der Nationalen Sozialisten Chemnitz, sondern auch mit besonders aggressiver Wortwahl für die Volkstodkampagne", heißt es in der Verbotsverfügung des SMI.
Die Linke im sächsischen Landtag fragte im Februar 2018 nach Erkenntnissen des SMI über eine illegale Weiterführung des seit 2007 verbotenen "Sturm 34". Die Antwort des Ministeriums: "Im Jahr 2017 wurden keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung bekannt."