Auf dem Laufsteg, in Castingshows, in der Werbung und den sozialen Netzwerken - das Model-Leben wurde gerade in den letzten zehn Jahren zum Ideal stilisiert. Die Konsequenz: Die Zahl der Mädchen und Frauen mit essgestörtem Verhalten wächst. Davor warnt auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: "Das Problem verschärft sich, die sozialen Medien befördern das noch. Die erfolgreichen Leute sind untergewichtig. Die Magersuchtgefahr nimmt daher in der Tendenz zu."
Jessica Bergs arbeitete bis 2016 als Haute-Couture-Model, sie lief unter anderem für Dior, Valentino und Calvin Klein auf Fashion Shows weltweit. Die Bedingung für die Arbeit als Topmodel ist ein Hüftmaß von etwa 87 Zentimetern, das entspricht der Kleidergröße 32/34. Doch Jessica kann das nicht halten, bekommt Druck von ihrer Modelagentur und wird aufgefordert, abzunehmen. Denn sie sei zu dick und solle den Umfang ihrer Oberschenkel reduzieren.
Anders als in anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland keine Richtlinien, die Models schützen, etwa durch ein gesetzliches Mindestgewicht. Das Problem sei zwar erkannt, so Lauterbach, aber tatsächlich hätte man sich nicht auf ein Gesetz einigen können. Der Politiker hält nicht nur Gewichtsvorgaben für sinnvoll, sondern auch eine Kennzeichnung von Fotoretuschen. Zwar entwickle nicht jeder, der solche Bilder anschaue, ein Störungsbild wie etwa Magersucht, erklärt die Ernährungsmedizinerin Wally Wünsch-Leiteritz. Doch essgestörtes Verhalten bei Mädchen und jungen Frauen steige, weil "extrem dünn" das Schönheitsideal sei, stellt die Oberärztin in einem Kompetenzzentrum für Essstörungen fest. Schätzungen zufolge fühlt sich heute mindestens jede zweite Frau zu dick.