In den Separatistengebieten der Ost-Ukraine wurden Kinder und Jugendliche zu Kampfeinsätzen an die Front geschickt. Das belegen Recherchen von Frontal21. In Interviews räumen Jugendliche ein, dass sie bereits im Alter von 14 Jahren an "Säuberungsaktionen" der Separatisten teilgenommen und selbst Kriegswaffen eingesetzt haben. Der Einsatz von Kindersoldaten stellt laut Völkerstrafgesetzbuch ein Kriegsverbrechen dar.
In einem Internetvideo der Separatisten wird der 16-jährige Bogdan Krawtschenko als Kriegsheld präsentiert. Dieser Spur ist Frontal21 nachgegangen und hat vor Ort nach dem Jungen gesucht. Im Interview berichtet Krawtschenko dann, dass er bereits das zweite Jahr in einem Bataillon der Separatisten in Lugansk kämpfe – und dass er auch bereits getötet habe: "Umgebracht habe ich nur Faschisten, keine Menschen", erzählt der Junge. "Bei den Faschisten gibt es keine Menschen."
Traumatische Erlebnisse an der Front
In dem Propagandastreifen wird der Jugendliche von seinem Kommandeur als mutig und verantwortungsbewusst gelobt. Der Lokalpolitiker Alexander Kolesnik rechtfertigt darin den Einsatz von Kindersoldaten und schiebt die Schuld der Zentralregierung in Kiew zu. Sie sorge dafür, dass die Menschen im Donbass leiden würden und die Kinder ihre Heimat verteidigen müssten. Larissa Sajez, Aktivistin einer Kinderorganisation der Separatisten, bestätigt zudem, dass viele Kinder an Kontrollposten der Separatisten eingesetzt wurden.
In der Nähe von Lugansk konnte Frontal21 in einer Kadettenschule mehrere Kindersoldaten sprechen. Der 16-jährige Jewgenij Schakunow hat Schlimmes erlebt. Er schildert seine traumatischen Erlebnisse an der Front und berichtet von seinen Angstgefühlen und Albträumen, von Schlaflosigkeit und Wahnvorstellungen: "Oft rieche ich Blut, ich kann mir das gar nicht erklären“, sagt Schakunow. "Und ich rieche verglühtes Metall. Der Geruch von Metall verfolgt mich.“ Sein Kamerad Semjon Spektor, auch 16, trauert um seine Freundin Alexandra Kaplina. Die Kindersoldatin kämpfte für ein Freiwilligenbataillon der Separatisten und fiel im Alter von 15 Jahren.
Verstoß gegen Völkerstrafgesetzbuch und Kinderrechtskonvention
Nach dem Völkerstrafgesetzbuch dürfen Kinder unter 15 Jahren nicht "in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen eingegliedert" oder "zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten verwendet" werden. Militärs, die dagegen verstoßen, müssen mit Freiheitsstrafen von mindestens drei Jahren rechnen. Allein die Ausbildung von Kindern an Waffen ist laut Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen verboten. Barbara Küppers von der Kinderrechtsorganisation Terre des Hommes erklärte im Frontal21-Interview, dass es hier zum ersten Mal wirklich klare Belege gebe, in denen Kommandanturen, Namen, Orte, Schlachten genannt werden: "Das müsste den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag interessieren und auch die UN-Sonderberichterstatterin für Kinder in bewaffneten Konflikten.“
Zudem seien Untersuchungen nötig, ob Kinder auch in anderen Teilen der Ukraine an die Front geschickt wurden. Im Internet kursieren Bilder, wonach Nationalisten auf der Westseite der Ukraine Kinder und Jugendliche an der Waffe ausgebildet haben. Die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) beobachtete bei ihrer Mission noch Ende Mai, Monate nach dem Minsker Waffenstillstandsabkommen, an einem Kontrollpunkt ein 12- bis 14-jähriges Kind mit Uniform, das mit einer Kalaschnikow bewaffnet war.