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Kanzlerin und Autobosse: Gemeinsam gegen die Wand

Kommentar

Der Klimawandel gefährdet die Lebensgrundlagen der Menschheit. Das ist bekannt. Und ja, die Technologien zur CO2-Vermeidung existieren. Jedes Jahr des Zögerns macht die Sache schwieriger, weil die notwendige CO2-Reduzierung schneller und drastischer ausfallen muss. Bis es eines Tages zu spät sein wird.

Hans Koberstein, Redakteur Frontal 21
Hans Koberstein, Frontal 21-Redakteur

Im Fall der Autoindustrie zögert die Politik seit über zwei Jahrzehnten. Seit 1990 sind die CO2-Emissionen des Straßenverkehrs unverändert hoch. Zwar wurden die Motoren immer sparsamer, doch  die Autos wurden schwerer, die Motoren kräftiger. Die Autohersteller erfanden immer neue Tricks für die Labortests, so dass die CO2-Werte unserer Autos auf dem Papier deutlich sanken, nicht aber in der wirklichen Welt.

Vorgaben für 2030 sind viel zu lasch

Und nun versäumt die EU-Kommission aufs Neue, der Autoindustrie die eigentlich notwendigen CO2-Ziele zu setzen. Die Vorgaben für 2030 sind viel zu lasch, gelten nur für das Papier und nicht für die reale Welt. Schlupflöcher erlauben den Herstellern auch in Zukunft zu tricksen und zu täuschen. Das ist in Fachkreisen längst bekannt. Und dennoch lässt sich die EU-Kommission aufs Neue von der Autoindustrie einwickeln. Die Industrie wehrt sich gegen die CO2-Reduzierung in der realen Welt und möchte weiter machen wie bisher - mit alten Tricks und alter Technik. Das bringt hohe Margen, das soll so bleiben.

Zu allem Überfluss hat die Bundesregierung jetzt dafür gesorgt, dass die ohnehin laschen CO2-Ziele von Kommission und Europaparlament noch einmal abgeschwächt werden. Angela Merkel stellt sich erneut auf die Seite der Autoindustrie. Gemeinsam mit Bulgarien und Ungarn sorgt die Kanzlerin für großzügige CO2-Vorgaben bis 2030. Mit dem bekannten Argument, man dürfe die Autoindustrie nicht überfordern, es gehe ja um Arbeitsplätze.

CO2-arme Antriebe sind längst fertig entwickelt

VW, BMW und Daimler wissen längst, wie man CO2-arme Antriebe baut. Ich rede nicht vom Dieselmotor. Diesel enthält viel mehr Kohlenstoff als Benzin. Deshalb verbrennt ein Liter Diesel mehr CO2 als ein Liter Benzin, so dass der CO2-Effekt sparsamer Dieselmotoren im Straßenbetrieb sehr bescheiden ausfällt. Der Dieselmotor ist kein Beitrag zum Klimaschutz.

CO2-arme Antriebe sind seit über einem Jahrzehnt fertig entwickelt. Ob Wasserstoff-getrieben oder Batterie-elektrisch, der Systemwechsel ist längst möglich. Er würde in den ersten Jahren die Margen der Autobauer deutlich mindern, das stimmt. Sie müssten in neue Fabriken investieren, die neue Technik ständig verbessern und günstiger machen. Eine finanzielle Herausforderung für VW, BMW und Daimler.

Autobauer erzielten Rekordgewinne

Aber wären die drei Konzerne überfordert? In den vergangenen beiden Jahren haben sie Rekordgewinne erzielt: über 50 Milliarden Euro, nach Steuern. Das Geld ist da. Die nötige deutsche Ingenieurskunst sowieso. Der Technologiewandel ist also zu stemmen. Allein der politische Wille fehlt.

„Habt Ihr damals nicht gewusst, wie gefährlich der Klimawandel wird? Und wusstet Ihr nicht, mit welchen Technologien der CO2-Ausstoß reduziert werden kann?“, das werden die hochnotpeinlichen Fragen unserer Kinder sein, wenn der Klimawandel Millionen Menschenleben fordert und man mit Wehmut in Europa an Frieden und Wohlstand unserer heutigen Zeit zurückdenkt.

Ob Kanzlerin oder Konzernchefs: Wer heute nicht entschieden handelt, der fährt den Wagen gegen die Wand.

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