Wusste der Verfassungsschutz Jahre vor den Polizeiermittlern von der Existenz der rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)? Das sollte der Sonderermittler und ehemalige Grünen-Politiker Jerzy Montag untersuchen. Seinen geheim gehaltenen Bericht konnte Frontal21 einsehen.
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Am 4. November 2011 wurde die unfassbare Mordserie der NSU-Terrorgruppe der Allgemeinheit bekannt, weil die mutmaßlichen Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Wohnmobil tot aufgefunden wurden und eine Bekenner-DVD auftauchte. Beate Zschäpe und weitere Unterstützer des NSU stehen seit zweieinhalb Jahren vor Gericht.
Botschaft im Neonazi-Magazin
Doch schon neun Jahre zuvor, im Herbst 2002, übergab der Rechtsextremist Thomas R., unter dem Decknamen "Corelli" V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der Behörde das Magazin "Der weiße Wolf", in der der Herausgeber dem NSU für eine Geldspende dankte.
Damals kursierte in der rechten Szene ein Flugblatt, in dem der NSU erklärte, "die Bekämpfung der Feinde des deutschen Volkes“ sei seine Aufgabe. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Terrorgruppe NSU bereits einen Bombenanschlag und vier Morde an Migranten verübt. "Ich halte es für ausgeschlossen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz nichts vom NSU wusste", sagt Yavuz Narin, Nebenklägeranwalt im NSU-Prozess, gegenüber Frontal21.
CD mit Hinweis auf den NSU
Zschäpe bestätigte vergangenen Mittwoch in ihrer Erklärung vor Gericht, Uwe Mundlos sei auf die Idee gekommen, "dem Magazin 'Der Weiße Wolf‘ den Betrag von 1.000 D-Mark zu spenden“. Doch der Verfassungsschutz, der das Magazin "Der Weiße Wolf" auswertete und von der Spende des NSU wusste, behauptet gegenüber Sonderermittler Montag, man habe bis 2011 nichts von der Existenz des NSU gewusst.
2005 hatte V-Mann "Corelli“ dem Verfassungsschutz eine CD des "Nationalsozialistischen Untergrundes der NSDAP“ übergeben. Die Staatsschützer behaupten, die CD mit dem Hinweis auf den NSU sei neun Jahre lang nicht ausgewertet worden. V-Mann "Corelli" hatte 2012 aber gegenüber dem Bundeskriminalamt behauptet, er habe keinen Kontakt zum NSU-Trio gehabt und kenne Personen aus dem Umfeld des NSU nur flüchtig. Das sei die Unwahrheit, schreibt Sonderermittler Montag. "Corelli" konnte zur Aufklärung nicht weiter beitragen: Er wurde 2014 tot aufgefunden.