Laut einer internen Präsentation der Kampagne “HVO100 goes Germany” wurde Geldgebern aus Industrie und Verbänden die “Möglichkeit, sich bei einem exklusiven VIP-Meeting mit Minister oder Staatssekretär vorzustellen und auszutauschen”, in Aussicht gestellt.
Hinter der Kampagne steht der Münchner Automobilclub „Mobil in Deutschland“, der sich für den alternativen Diesel-Kraftstoff HVO100 stark gemacht hat. Der ist seit Ende Mai an deutschen Tankstellen erhältlich. Das Verkehrsministerium hatte sich ebenfalls für die Einführung eingesetzt und Staatssekretär Luksic die Schirmherrschaft über die Kampagne übernommen.
9.900 Euro für Termin-Möglichkeit
Laut frontal vorliegenden Dokumenten bot „Mobil in Deutschland“ gegen Zahlung von jährlich 9.900 Euro eine sogenannte “Premium-Kooperation” an. Neben Terminen wurde ein “durchgehender Austausch mit den Entscheidungsträgern” als Teil der Kampagne genannt. Namentlich genannt wurden unter anderem Minister Wissing, Staatssekretär Luksic und FDP-Chef Christian Lindner. Frontal liegen Belege von einem Verband und einem Unternehmen vor, die eine solche “Premium-Kooperation” tatsächlich eingegangen sind.
Laut internen Unterlagen aus dem Bundesverkehrsministerium, die frontal vorliegen, hatten zwei Fachreferate vorab Zweifel an der Übernahme einer Schirmherrschaft formuliert: „Das Fachreferat G 26, votiert GEGEN eine Übernahme der Schirmherrschaft, da es sich um einen sehr speziellen Kraftstoff handelt, der kurz- und mittelfristig an Tankstellen kaum verfügbar sein wird.“
BMDV zieht Konsequenzen
Damit widersprechen Wissings Mitarbeiter auch öffentlichen Darstellungen ihres Ministers, wonach HVO100 am Markt verfügbar sei und einen spürbaren Beitrag zum klimaneutralen Verkehrssektor leisten könne. Auch aus der Kommunikationsabteilung im Ministerium kommen Warnungen: „L22 schließt sich dem negativen Votum [an].” Die Kampagne habe “einen sehr werblichen Charakter”. Diese Vorbehalte überzeugten den Minister offenbar nicht, er zeichnete die Schirmherrschaft für seinen Staatssekretär Luksic persönlich ab.
Zu den gegen Geld in Aussicht gestellten Terminen mit der Leitung des Ministeriums teilte ein Sprecher des Bundesverkehrsministerium frontal mit: “Von der von Ihnen zitierten Präsentation von Mobil in Deutschland e. V. haben wir keine Kenntnis.” Staatssekretär Luksic wandte sich daraufhin per Brief an „Mobil in Deutschland“ und forderte Aufklärung: “Diese Vorwürfe der Käuflichkeit nehmen wir sehr ernst, da sie die Integrität der Hausleitung in Frage stellen.” Die Antwort des Vereins lässt laut Ministerium jedoch Fragen offen: “Bis zur vollständigen Aufklärung der genannten Vorwürfe hat Herr Luksic entschieden, die Schirmherrschaft ruhen zu lassen”, so ein Ministeriumssprecher am Montag gegenüber frontal
Lobbycontrol stellt Luksic als Staatssekretär im BMDV in Frage
Die Organisation Lobbycontrol fordert vom Verkehrsministerium eine lückenlose Aufklärung. Es müssen alle Dokumente auf den Tisch”, sagt Christina Deckwirth von Lobbycontrol in frontal. Es stellt sich auf jeden Fall die Frage, ob Herr Luksic weiter als Parlamentarischer Staatssekretär geeignet ist.”
Der Präsident des Automobilclubs „Mobil in Deutschland“, Michael Haberland, bestritt per Anwalt, Termine mit Politikern verkauft zu haben: “Die Präsentation wurde im Frühjahr lediglich ein Dutzend Mal versandt und wird in der damaligen Form nicht mehr verwendet.” Und weiter: “Wir sprechen lediglich von der ‘Möglichkeit’ eines Treffens, und damit war nichts anderes gemeint als die theoretische Chance, auf einer Veranstaltung einem Entscheidungsträger zu begegnen, wenn sich dies dort ergibt.”