Am häufigsten betroffen ist die AfD, gefolgt von der Linkspartei. Die rechts- und linksextremistischen Täter haben das gleiche Ziel: Angst verbreiten und Engagement des politischen Gegners verhindern.
Der AfD-Politiker Carsten Hütter ist frustriert. Sein Parteibüro in Chemnitz steht im Visier von Linksextremisten. Nachdem die Scheiben eingeschlagen wurden, musste Hütter Sicherheitsglas, eine hässliche Schutzfolie sowie Überwachungskameras anbringen. Doch die Angriffe hören nicht auf. Auch andere Parteieinrichtungen der AfD in Sachsen waren schon oft das Ziel linksextremistischer Anschläge. Die Folgen, so Hütter, seien nicht nur hohe Kosten, vielen AfD-Büros sei die Versicherung gekündigt worden. Viele Mitglieder hätten Angst und würden sich aus der Parteiarbeit komplett zurückziehen.
Angriffe haben sich fast verdoppelt
Die Linkspartei ist schon seit vielen Jahren Ziel von Rechtsextremisten. Gesine Lötzsch hat ihr Büro in Berlin extra nicht im Erdgeschoss. So will es die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Angreifern schwerer machen. Doch Täter haben es auf ihr Auto abgesehen und die Scheiben eingeschlagen. Auch Lötzsch hält die Angriffe für demokratiebedrohlich. Bürger würden durch diese davon abgehalten, sich politisch zu engagieren.
Angriffe auf Parteibüros haben sich in den letzten zwei Jahren fast verdoppelt. Frontal 21 hat die Daten von zehn Bundesländern für die Jahre 2014 bis 2016 erhalten und ausgewertet. Das Ergebnis: In Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen sowie in Bremen, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz gab es im Jahr 2014 insgesamt 150 Anschläge auf Parteibüros, 2015 stieg die Zahl auf 252, im Jahre 2016 weiter auf 296.
AfD und Linke im Visier von Extremisten
Linksautonome rechtfertigen im Interview mit Frontal 21 die Anschläge damit, dass der AfD "Denkzettel" verpasst werden müssten. Wegen ihres „menschenfeindlichen“ Weltbildes müssten diejenigen, die sich für die AfD engagieren, eingeschüchtert werden.
Spiegelbildlich argumentieren Rechtsextreme. Ein Aussteiger aus der rechten Szene erklärt: „Vor allem Personen, die auf linker Seite gegen Rassismus arbeiten, sollen eingeschüchtert und geschwächt werden.“
Gefährliche Entwicklung für den Rechtsstaat
Differenziert nach Parteien liegen Frontal 21 Zahlen aus zwölf Bundesländern für das Jahr 2016 vor, zu den bereits genannten zusätzlich aus Niedersachsen und Baden-Württemberg. Die Auswertung zeigt: Mit 105 Anschlägen sind am häufigsten AfD-Büros betroffen, danach die Linkspartei mit 78 Angriffen. Es folgen die SPD mit 54 Anschlägen, die CDU 39 und Bündnis90/Die Grünen mit 22 Übergriffen.
Für Armin Paul Hampel, Mitglied des Bundesvorstandes der AfD, droht eine Eskalation der Gewalt. Wenn Angriffe gesellschaftlich toleriert würden, sei es nur eine Frage der Zeit, dass auch Mitglieder der AfD-Jugend irgendwann sagten: „Jetzt habe ich die Schnauze voll, jetzt krempeln wir mal die Ärmel hoch.“
Der Politikwissenschaftler Professor Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin sieht eine gefährliche Entwicklung: Sowohl Rechts- als auch Linksextremisten wollten den Kampf auf der Straße und akzeptierten weder das staatliche Gewaltmonopol noch den Rechtsstaat.
Gemeinsam und entschlossen gegen linke und rechte Gewalt
In Berlin ist die SPD Anschlagsziel Nummer Eins. Im Stadtteil Neukölln hat in den letzten Monaten eine Anschlagsserie von Rechtsextremen gegen Parteibüros stattgefunden. Auch Autos von SPD-Politikern und Gewerkschaftern wurden in Brand gesetzt. Deshalb wurde in Berlin eine neue Ermittlergruppe mit dem Namen "Resin", ein Abkürzung für "Rechte Straftaten in Neukölln", eingesetzt.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu hält diese Entwicklung für ein Warnzeichen: Wenn Gewalt als Mittel der Politik immer stärker zum Einsatz komme, stelle sich die Frage, wie die Mehrheitsgesellschaft damit umgehe. Wenn sie stillschweigend darüber hinweggehe, würden die Täter ermutigt. Wichtig sei, dass die Gesellschaft derartigen Angriffen gemeinsam und entschlossen entgegentrete – egal welche Partei betroffen sei.
Mehr Angriffe 2016 in Ostdeutschland
In Ostdeutschland ist die Zahl der Anschläge weit höher als in Westdeutschland. So gab es die meisten Angriffe im Jahr 2016 in Sachsen, hier waren es 106 Übergriffe, gefolgt von Berlin mit 47 und Thüringen mit 45 Anschlägen. Die Tendenz für 2017 zeigt: In einigen Bundesländer, so in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen sind die Fallzahlen 2017 bereits jetzt höher als im gesamten Jahr 2016.