Die Politik habe in den vergangenen Jahren durch neue Gesetze falsche Anreize für Ärzte, Krankenkassen, Heimbetreiber und Pharmaindustrie geschaffen.
Immer mehr Menschen würden für dement erklärt, obwohl sie es häufig gar nicht seien, sagt Professor Gerd Glaeske. Der Gesundheitswissenschaftler kritisiert vor allem die gesetzlichen Regelungen nach dem Risikostrukturausgleich, demzufolge gesetzliche Krankenkassen für Schwerstkranke zusätzliche Gelder erhalten. Ausschlaggebend ist eine Liste mit 80 Krankheiten, wonach unter anderem für jeden Demenzpatienten 95 Euro mehr im Monat bezahlt werden.
Andere Experten rügen zudem das Zweite Pflegestärkungsgesetz und die damit verbundenen Begutachtungskriterien für den Pflegegrad, die im Januar 2017 in Kraft getreten sind. Danach wird bei der Beurteilung des Pflegegrades jetzt vor allem auch die Hirnleistung von Pflegebedürftigen verstärkt berücksichtigt: Während bisher ausschließlich der Hilfebedarf in Minuten Maßstab war, fließen nun etwa zur Hälfte die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten in die Beurteilung mit ein. In vielen Fällen kommt es dann zu einer Höherstufung von Pflegebedürftigen, was den Pflegeheimen zusätzliche Einnahmen von mehreren Hundert Euro im Monat beschert. Zudem sei die Fehlerquelle bei den Gutachten jetzt größer als früher, weil Alzheimer und andere Formen der Demenz durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen nicht mit letzter Sicherheit zu diagnostizieren seien. Denn in vielen Fällen seien falsche und zu viele Medikamente der Grund für Verwirrtheit im Alter.
Frontal 21 dokumentiert drei Fälle, in denen Menschen für dement erklärt wurden, obwohl eine sichere Diagnose gar nicht gestellt werden konnte.