Die Sendung zum Nachlesen
Integriert und abgeschoben: weisen wir die Falschen aus?
Anis Amri und Ahmad A. waren ausreisepflichtige Flüchtlinge, die den Terror nach Deutschland brachten. Auch Bivsi Rana war ausreisepflichtig. Ein in Deutschland geborenes Mädchen, dessen Eltern aus Nepal kommen, und deren Asylantrag abgelehnt wurde. Bivsi war gut integriert und wurde trotzdem abgeschoben, in ein Land, das sie nicht kennt. Fälle wie diese entfachen die Diskussion: wer wird abgeschoben, wer darf bleiben?
Im Studio diskutierte Dunja Hayali darüber mit Boris Pistorius, SPD, Innenminister von Niedersachsen, Luise Amtsberg, flüchtlingspolitische Sprecherin der Fraktion von Bündnis `90/Grüne, und Lisa Gerlach. Die Kölnerin hat drei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan bei sich zu Hause aufgenommen.
Die Abschiebung im Fall Bivsi sei „juristisch richtig“ gewesen, wenn auch nicht vermittelbar, so der Innenminister Niedersachsens. Bivsi wurde abgeschoben, weil ihr Vater beim Antrag auf Asyl falsche Angaben gemacht hatte. Man suche immer wieder nach Lösungen, um jungen Menschen einen eigenen Bleibestatus zu verschaffen.
Im Fall Bivsi habe es einen Spielraum gegeben, den die Duisburger Ausländerbehörde nicht genutzt habe, so Luise Amtsberg. Es gebe ein Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche, doch das werde bis heute nicht richtig umgesetzt.
Jemand der straffällig geworden ist, müsse abgeschoben werden, so die flüchtlingspolitische Sprecherin. Im Fall von Anis Amri und des Messerstechers von Hamburg – beide ausreisepflichtige Flüchtlinge – müsse man nach dem Behördenhandeln fragen. Nachdem bekannt wurde, dass das LKA Hamburg versucht hatte, Ahmad A. als Informanten anzuwerben, müsse geklärt werden, warum eine solche Person nicht festgesetzt wurde. Da sei man bei einer Debatte über die Sicherheitsarchitektur in Deutschland.
Rund 700 Gefährder sind zurzeit in Deutschland bekannt. Etwa die Hälfte von ihnen hat einen deutschen Pass, kann also nicht abgeschoben werden. Mehr als 120 Islamisten und Gefährder gelten als ausreisepflichtig. Abgeschoben werden auch sie nur in Einzelfällen.
Gefährder in Niedersachsen werden „lückenlos überwacht“
Auf die Gefährder in seinem Bundesland angesprochen – laut LKA Niedersachsen ca. 60 Personen – erwiderte Pistorius: „diejenigen, die unter Beobachtung stehen, werden lückenlos überwacht.“ Man könne aber nicht eine solche Anzahl von Gefährdern rund um die Uhr beobachten lassen, nicht jeder sei ein Straftäter, für jede Beobachtung brauche es eine rechtliche Grundlage.
Abschieben könne man Gefährder nur, wenn man Pässe habe. Der Bund sei gefordert, Vereinbarungen mit Herkunftsländern zu treffen, so dass im Fall fehlender Pässe Ausweisungen auch mit Ersatzpapieren durchgeführt werden könnten.
„Liegt in der Verantwortung des Bundesinnenministers“
Auf die nicht erfolgte Abschiebung der Täter von Berlin und Hamburg angesprochen, weist Luise Amtsberg darauf hin, dass vor zwei Jahren das Ausweisungsrecht verschärft worden sei. Dennoch sei es eine Frage des Vollzugs. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF habe eine Reihe von nicht geschulten Mitarbeitern gehabt, all das „liegt in der Verantwortung des Bundesinnenministers.“
Jemand, der als terroristischer Gefährder in Erscheinung getreten ist, muss damit rechnen abgeschoben zu werden, auch nach Afghanistan, so Boris Pistorius. Das Asylrecht funktioniere nur dann, wenn es auch die „dunkle Seite“ gebe, das Abschieben im Falle des abgelehnten Asyls.
Ein Fall wie der des Pflegesohns von Lisa Gerlach, dem Abschiebung droht, dürfe gar nicht passieren. Er sei ein Musterbeispiel für gelungene Integration. Da müssten Lösungen gefunden werden, z.B. durch Ausbildungsverträge.
Dem 18-jährigen Navid soll es wie der 15-jährigen Bivsi gehen. Seit März 2016 lebt er bei Lisa Gerlach. Vor wenigen Wochen hat er seinen Ablehnungsbescheid erhalten. Sollte ihr Sohn tatsächlich gehen müssen, wolle sie an seiner Seite bleiben und ihn dorthin begleiten. „Wenn Afghanistan sicher ist , will ich das erleben,“ so die Kölnerin. Sie schlägt vor: Es gebe viele Menschen in Deutschland, die zuhause ein Zimmer frei hätten und gerne einen Flüchtling aufnehmen würden. „Würde man die einfach mal machen lassen, hätte man sehr gute Integrationsmöglichkeiten bei sehr niedrigen Kosten“, so Lisa Gerlach.
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Integriert und abgeschoben: weisen wir die Falschen aus?
Kaum eine politische Diskussion wird derzeit emotionaler geführt: Anis Amri und Ahmad A. waren ausreisepflichtige Flüchtlinge, die durch den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt und das Attentat in einem Hamburger Supermarkt bekannt wurden. Auf der anderen Seite Menschen wie Bivsi Rana, ein in Deutschland geborenes Mädchen, dessen Eltern aus Nepal kommen und deren Asylantrag abgewiesen wurde. Auch Bivsi war ausreisepflichtig. Doch Bivsi lebte ein normales Leben, lebte gut integriert in ihrer Heimat Duisburg. Bis sie im Mai mitten aus dem Schulunterricht von Behördenmitarbeitern abgeholt und trotz ihrer damals erst 14 Jahre nach Nepal abgeschoben wurde. Es ist eine der großen politischen Debatten dieses Sommers: wer wird abgeschoben, wer darf bleiben?
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SPD-Innenminister Niedersachsen
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MdB B'90/Die Grünen
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Die Kölnerin hat gemeinsam mit ihrem Partner drei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan bei sich zu Hause aufgenommen.
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Mitglied im Deutschen Bundestag
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Journalist und Autor
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