Grüne Wälder, laue Sommerabende, zahlreiche Moscheen – für Muslime aus den arabischen Ländern ist Bosnien und Herzegowina zunehmend zu dem geworden, was sie selbst als das Paradies auf Erden bezeichnen. Die Parkanlagen Sarajevos locken mit für Araber exotischen Tieren und Schatten spendenden Bäumen, die Läden der Einkaufszentren mit niedrigen Preisen. Eine erfrischende Abwechslung zum kostspieligen Leben in der Wüste. Und auch Investoren zieht es auf den Balkan. Für manchen Bosnier hingegen wirkt der plötzliche Einzug der strengen islamischen Tourismuskultur auf Sarajevos Straßen so befremdlich, dass neuerdings sogar von einer Invasion die Rede ist.
Investitionen in Luxusimmobilien
In der idyllischen Berglandschaft, die die Hauptstadt Bosnien und Herzegowinas umgibt, ragen die ersten Grundmauern einer Villensiedlung in die Höhe. Anhand der Größe der Baustelle wird schnell ersichtlich, welche Ausmaße der Tourismusboom mittlerweile angenommen hat. „Poljine Hills“ ist der Name des sich dort im Bau befindlichen Luxusareals, das aus über 200 Villen und Apartments besteht und Ende diesen Jahres für erste Touristen bezugsfertig sein soll. Hinter dem Großprojekt steht Al Shiddi, eine saudische Investorengruppe, die neben Hochhäusern und Luxushotels bereits das größte Einkaufszentrum der Stadt finanzierte. Ein Großteil der Wohnungen sei bereits an Interessenten aus den Golfstaaten verkauft worden, von denen allein im vergangenen Jahr 60.000 den muslimischen Teil des Landes besuchten. „Es ist sicher übertrieben von einer Invasion zu sprechen. Aber es werden tatsächlich immer mehr,“ so die Publizistin Ivana Maric.
Das wirtschaftlich schwache Bosnien heißt die gut betuchten Touristen und wohlhabenden Unternehmer mehr als nur willkommen. So zum Beispiel Scheich Mohamed al Qassini, der einen Vergnügungspark auf jener Anhöhe errichtete, von welcher aus in den 1990er Jahren während des Bosnienkriegs Serben auf die Muslime in der Stadt schossen. Eine Überwindung von kulturellen Mauern, die einigen seiner Landsleute nun zunehmend schwerer fällt.
Gekommen, um zu bleiben?
Tatsächlich stört man sich weniger an den Burkas oder Kopftüchern, die zu einem allgegenwärtigen Bestandteil des Stadtbildes geworden sind, sondern vielmehr an Projekten wie „Poljine Hills“. Es wird befürchtet, dass mit den arabischen Gästen auch deren Gesetze in sogenannte „Gated Communities“ einziehen könnten, abgeschottete Gemeinschaften, die sich von der Außenwelt mit Zäunen und einem Sicherheitsdienst abgrenzen. Ohne lokale Kontrolle durch Autoritäten könnte so nicht gewährleistet werden, dass in Bosnien geltende Gesetze auch dort eingehalten werden.
Obgleich noch nicht von einer Invasion zu sprechen ist, herrscht dennoch vor allem eine Sorge: bosnische Sitten und Traditionen könnten dem Geld der Investoren und Touristen zum Opfer fallen. Denn neben den grünen Wäldern und exotischen Tieren bietet Bosnien und Herzegowina im Winter mit verschneiten Berglandschaften einen weiteren Grund für die Gäste aus den Golfstaaten, nicht nur im Sommer nach Sarajevo zu reisen.