Rund neun Monate nach dem Brexit-Referendum ist es soweit: Die britische Premierministerin Theresa May hat den Europäischen Rat schriftlich über den EU-Austritt informiert. Es ist ein historischer Tag, der zugleich als Startschuss für die anstehenden Brexit-Verhandlungen gilt. Es werden zwei Jahre voller schwieriger Verhandlungen: Das Vereinigte Königreich und die verbleibenden 27 EU-Mitgliedsländer müssen nicht weniger als das Ende einer über 40 Jahre andauernden Mitgliedschaft regeln - Tausende Abkommen und Gesetze müssen neu verhandelt werden.
Theresa Mays ausgegebenes Ziel für die Verhandlungen: Ein harter Brexit, an dessen Ende Großbritannien kein Mitglied des europäischen Binnenmarkts bleibt. Stattdessen soll zwischen London und Brüssel ein gänzlich neues Freihandelsabkommen beschlossen werden. Ein Streitthema in den kommenden 24 Monaten: Die Fangquoten in der Nordsee.
„Fishing for leave“
Rückblick: Kurz vor dem Brexit-Referendum am 23. Juni vergangenen Jahres, fährt eine kleine Flotte Schifferbote die Themse bis nach Westminster hinauf. „Der einzige Weg ist der Brexit“– die Botschaft auf ihren Plakaten ist deutlich. Es sind Fischer der „Fishing for leave“-Kampagne, dessen Anhänger in der EU-Mitgliedschaft nur Nachteile sehen. Denn: In ihren Augen sind sie gefangen im Netz von Quoten und Fangzonen. Sie können nicht mehr selbst bestimmen, was und wieviel sie fischen. Sie wollen ihre Selbstbestimmung zurück und raus aus der „Common Fisheries Policy“, der gemeinsamen Fischereipolitik der EU. Kurz: Sie wollen ihre Gewässer zurück. In den Brexit-Verhandlungen sehen sie dafür eine historische Chance.
Frankreichs Fischer fürchten den Brexit
Was auf der einen Seite der Nordsee als große Chance gesehen wird, wird auf der anderen Seite gefürchtet: Neben deutschen, spanischen, belgischen und niederländischen Fischern, haben auch ihre französischen Kollegen Angst davor, wie sich ein Brexit auf ihre tägliche Arbeit auswirkt. Denn für sie steht viel auf dem Spiel: Die europäischen Fischer fangen rund 58 Prozent der gefangenen Fische in britischen Gewässern. Die Briten dagegen fangen lediglich 21 Prozent ihrer Fische innerhalb anderer europäischen Gewässer.
Es wird davon ausgegangen, dass es im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen den europäischen Fischern nicht erlaubt sein wird, in den britischen Gewässern zu fischen. Doch die EU verfolgt ebenfalls eine harte Linie: Laut einem Dokument, dass der britischen Zeitung „The Guardian“ vorliegt, sieht die EU keine Alternative zu den bisherigen Regelungen.
Der Ausgang der Verhandlungen ist also unklar – klar ist, dass auch ein unabhängiges Großbritannien sich mit seinen Nachbarn darüber einigen muss, wer wieviele Fische fangen darf.